Kennel Club dokumentiert sinkende Lebenserwartung der Rassehunde

Der älteste, wichtigste und größte Rassehundeverband der Welt, der britische "The Kennel Club" hat Ende Februar 2016 seinen Bericht über die Gesundheit der Rassehunde veröffentlicht. Er basiert auf den Zahlen für 2014 und ist der zweite nach 2004. Wir können also die Zahlen vergleichen - sofern für eine Hunderasse überhaupt ausreichend Zahlen vorgelegt werden. Die erste erschreckende Bilanz:

Von 2004 auf 2014 hat die durchschnittliche Lebenserwartung der Rassehunde um 11% abgenommen


Statt einer Lebenserwartung von 11 Jahren und 3 Monaten hat ein Rassehund heute nur noch 10 Jahre zu leben. Dabei hatte der Kennel Club erst vor 5 Jahren Abhilfe versprochen und ein groß aufgemachtes Gesundheitsprogramm aufgelegt. Er reagierte damit auf den Druck der britischen Öffentlichkeit. 2008 hatte die BBC die großartige Dokumentation von Jemima Herrison "Pedigree Dogs Exposed" ausgestrahlt. Sie hatte die Missstände in der Rassehundezucht umfassend aufgezeigt.
Weggucken und Abducken mit System

In Deutschland verweigerten die öffentlich-rechtlichen Medien auf Druck der Lobbyisten der Agrar- und Nahrungsmittelindustrie, Veterinäre und Hundehandels- und Zuchtbranche eine Ausstrahlung dieser BBC-Dokumentation. Schließlich wurde der "Dortmunder Appell für eine Wende in der Hundezucht" veröffentlicht. Der wichtigste deutsche Hundezuchtverband VDH sah sich gezwungen, zeitweilig etwas mehr über das Thema Gesundheit in der Rassehundezucht zu reden - um aber real umso weniger zu tun.
Weder der VDH noch Tierärzteschaft oder Universitäten, noch einer der zahlreichen finanzstarken Charity-Tierschutzverbände oder sonst eine Institution in Deutschland haben es geschafft/gewollt, eine statistische Übersicht zusammenzustellen, wie sie immerhin und dankenswerterweise vom Kennel Club vorgelegt wird. Nichtsdestotrotz, der "Pedigree Breed Health Survey" 2014 zeichnet eine ernüchternde Bilanz: Es hat sich an den katastrophalen, tierschutzrelevanten Missständen in der Rassehundezucht nichts verändert, zumindest nichts im Interesse des Wohls der Hunde. Und dabei sind viele Hunderassen, die mutmaßlich besonders beschämende Zahlen zeigen würden, etwa Mops, Bordeaux-Dogge oder Französische Bulldogge, nicht einmal erfasst! Der ganze Marktanteil der Hunde aus dem internationalen Hundehandel ist ebenfalls nicht erfasst. Man muss also davon ausgehen, dass das reale Bild noch sehr viel nachteiliger hinsichtlich des Wohls der Rassehunde ausfällt. Es bleibt festzuhalten:
Binnen nur einer Dekade haben die vom Menschen gezüchteten Hunde ein noch einmal um 11,1% kürzeres Leben - einzig aufgrund der Versäumnisse des Menschen. Gesund gezüchtet müssten die Hunde im Durchschnitt eine um etwa 5 Jahre höhere Lebenserwartung haben (siehe unten).
Einigen Hunderassen wurde in dieser kurzen Zeit sogar weitere 20-30% ihrer Lebenserwartung genommen (Boston Terrier, Beagle, Dobermann). Alles unter dem Mantel der Liebe für das Tier und den Hund, speziell der vermeintlichen Sorge für das Wohl der so geliebten Hunderasse.
Ergebnisse zur durchschnittlichen Lebenserwartung diverser Hunderassen (Auswahl):
  • Australian Shepard: keine hinreichend große Stichprobe gemeldet*
  • Bull Terrier: gesunken von 10 Jahren (2004) auf 7 Jahre (2014) (30% weniger)
  • Beagle: gesunken von 12 Jahren und 8 Monaten auf 10 Jahre (21% weniger)
  • Berner Sennenhund: die Lebenserwartung blieb auf dem niedrigen Niveau von nur 8 Jahren
  • Bolonka Zwetna: nicht erfasst (Petwatch berichtete zu Problemen in der Zucht dieser Hunderasse)
  • Border Terrier: von 14 auf 12 Jahre gesunken (14% weniger) (Petwatch berichtete)
  • Boxer: gesunken von 10 Jahren und 3 Monaten auf 9 Jahre (9% weniger)
  • Bulldog: weiter gesunken von eh schon tierquälerisch wenigen 6 Jahren und 3 Monaten auf nur noch 6 Jahre (Petwatch berichtete, siehe auch Bulldogge.de)
  • Cavalier King Charles Spaniel: gesunken von 11 Jahren und 5 Monaten auf 10 Jahre (12,5% weniger) (Petwatch berichtete)
  • Collie: 12 Jahre, Vergleichszahlen von 2004 nicht vorhanden (Petwatch berichtete)
  • Dackel (Langhaar): 2014 keine hinreichend große Stichprobe gemeldet*, 2004 12 Jahre und 8 Monate (über alle Varietäten)
  • Dackel (Rauhaar): 2014 keine hinreichend große Stichprobe gemeldet*, 2004 12 Jahre und 8 Monate (über alle Varietäten)
  • Dalmatianer: gesunken von 12 Jahren und 6 Monaten auf 11 Jahre  (12% weniger)
  • Deutsche Dogge: vom extrem niedrigen Niveau 2004 mit 6 Jahren und 6 Monaten auf 7 Jahre leicht angestiegen (Petwatch berichtete)
  • Deutscher Schäferhund: 10 Jahre, Vergleichszahlen von 2004 nicht vorhanden (Petwatch berichtete)
  • Dobermann: gesunken von 10 Jahren und 6 Monaten auf 8 Jahre (23,8% weniger) (Petwatch berichtete)
  • Do-Khyi: nicht erfasst (Petwatch berichtete)
  • Französische Bulldogge: 2014 keine hinreichend große Stichprobe gemeldet*, 2004 skandalöse: 9 Jahre (Petwatch berichtete)
  • Golden Retriever: leicht gesunken von 12 Jahren und 3 Monaten auf 12 Jahre
  • Irish Wolfhound: vom extrem niedrigen Niveau 2004 mit 7 Jahren weiter gesunken auf 6,5 Jahre
  • Irish Setter: gesunken von 12 Jahren auf 11 Jahre (8% weniger)
  • Labrador Retriever: gesunken von 12 Jahren und 3 Monaten auf 11 Jahre (10% weniger)
  • Leonberger: 2014 keine hinreichend große Stichprobe gemeldet*, 2004 skandalöse: 7 Jahre und 1 Monat (Petwatch berichtete)
  • Lundehund: nicht erfasst (Petwatch berichtete)
  • Mops: 2014 keine hinreichend große Stichprobe gemeldet*, 2004: 11 Jahre (Petwatch berichtete)
  • Rhodesian Ridgeback: gesunken von 11 Jahren auf 9 Jahre (18% weniger)
  • Sibirian Husky: 2014 keine hinreichend große Stichprobe gemeldet*, 2004: 12 Jahre 7 Monate (Petwatch berichtete)
  • Whippet: gesunken von 12 Jahren und 4 Monaten auf 10 Jahre (19% weniger)
* Es ist bezeichnend, dass sich die Züchter dieser Hunderassen im Kennel Club - trotz formaler Verpflichtung - der elementaren Erfassung von Basisdaten der Zucht verweigern.

Kennel Club dokumentiert sinkende Lebenserwartung der Rassehunde

Die Partnerschaft Mensch-Hund ist etwas einzigartiges, wunderschönes.
Der Mensch muss seinen Verpflichtungen für diese Partnerschaft nachkommen.
Hierzu zählt als Basic die Sorge für die körperliche und mentale Integrität der Hunde.
(Foto: Christoph Jung)


Die Ergebnisse lassen sich nicht 1 zu 1 auf Deutschland übertragen. Aber sie zeigen einen Trend. In Deutschland existiert nicht einmal eine Erfassung der Daten. Lediglich einzelne Vereine erfassen Daten aus ihrem Bereich und diese werden oft wie Staatsgeheimnisse unter Verschluss gehalten. Der EU-weite Hundehandel boomt unkontrolliert. Es gibt keinerlei unabhängige Kontrolle über die Zucht und den Handel, ja es gibt noch nicht einmal gesetzliche Mindeststandards für die Zucht von Rassehunden (mit Ausnahme der baulichen Festlegungen bei Zwingern). Solche Standards verhindern in Berlin und Brüssel seit Jahrzehnten erfolgreich die Lobbys der Agrar- und Nahrungsmittelindustrie als auch die der Vetpharma und Veterinäre. Diese wollen die hochprofitablen aber tierquälerischen Methoden der industriellen Tierproduktion erhalten. Und so werden Kücken millionenfach geschreddert, Schweine in viel zu kleinen und reizarmen Ställen turbo gemästet, genetisch verarmte Hochleistungs-Kühe und Fleischbullen tausendfach invitro vermehrt, um dann ihr Leben lang in Ställen gehalten zu werden und Kälber ohne jeden Kontakt zur Mutter aufwachsen zu lassen. Es sind dieselben Großkonzerne, die Mindeststandards für die Zucht verhindern und die Hauptverantwortung für das tägliche Massenelend der Tiere tragen, die uns dann in bunten Verpackungen unter aufwändig beworbenen Markennamen das angeblich beste Futter für unsere Lieblinge verkaufen. Und mit einem kranken Hund kann man mehr verdienen als mit einem gesunden, wie ich bereits 2009 in "Schwarzbuch Hund" nachgewiesen habe. Es gibt nach wie vor keine Lobby für die Gesundheit des Hundes.
Profiteure des Tierelends verhindern in Berlin und Brüssel Reformen
Es liegen seit Jahren zahlreiche Vorschläge auf dem Tisch, wie man mit einigen wenigen EU-weit angelegten Maßnahmen, das größte Leid der Tiere wirkungsvoll und zeitnah verhindern könnte. Aber unsere Politiker in Berlin und Brüssel knicken vor der überaus mächtigen Lobby der Profiteure des Tierelends regelmäßig ein.
EU ohne Interesse an Mindeststandards für die Zucht
Man braucht eine amtliche Erlaubnis samt abgelegter Prüfung, um irgendwo in Deutschland die Angel in einen trüben Teich halten zu dürfen. Die EU regelt in seitenlangen Pamphleten jedes Detail eines "marktfähigen" Apfels und jede Salatgurke beim Discounter hat mehr amtlich vorgeschriebene Qualitätskontrollen hinter sich, als ein Welpe, der zum Kauf angeboten wird. Rassehunde züchten darf jede und jeder ohne jeglichen Nachweis der Qualifikation. Inzucht ist nicht verboten, in den Statuten vieler VDH-Vereine vielmehr ausdrücklich erlaubt und wird massenhaft praktiziert. Qualzucht ist lediglich auf dem Papier verboten, Verurteilungen hierzu sucht man vergeblich. Der EU-weite Handel mit Welpen ist immer noch legal. Der Staat zeigt keinerlei Interesse daran, diesen Missständen Einhalt zu gebieten. Aber auch wir Hundehalter sind herausgefordert, uns viel kritischer und verantwortungsvoller an die Auswahl eines Welpen oder Hundes aus dem Tierheim oder bei der Wahl des Futters zu verhalten und die ökonomischen und politischen Verursacher dieser Verhältnisse in die Verantwortung zu nehmen und uns bei Bedarf an die eigene Nase zu fassen. Wo Welpen auf dem Markt, per Boten oder aus dem Kofferraum angeboten werden, muss es auch Käufer geben - verantwortungslos!

Durchschnittliche Lebenserwartung von 15 Jahren für einen Rassehund müsste Standard sein.
Kommen wir zurück auf die Erhebung des Kennel Clubs. Die Lebenserwartung der Rassehunde ist weiter gesunken. Sie war bereits 2004 weit unter den natürlichen Möglichkeiten des Hundes. In früheren Zeiten lag diese weit höher als heute und das ohne moderne veterinärmedizinische Versorgung und ohne das angeblich so gesunde Futter der Industrie. In meinen Buch "Rassehund am Ende?" hatte ich zwei Zeitzeugen zu Wort kommen lassen:
Der griechische Philosoph und Naturwissenschaftler Aristoteles verfasste vor 2.300 Jahren die "Historia Animalium" mit der er die Wissenschaft der Zoologie begründete. Aristoteles geht auf das Alter der Hunde ein und hält fest: "Der lakonische Hund lebt ungefähr zehn, die Hündin zwölf Jahre, von den übrigen Hunderassen leben die meisten Hündinnen vierzehn oder fünfzehn, einige auch zwanzig Jahre." In weiteren Schriften antiker Naturkundler werden ähnliche Angaben gemacht. Aus dem 18. und 19.Jahrhundert werden ebenfalls solche Daten überliefert, etwa von Georges Cuvier, einem der Begründer der modernen Zoologie. Er notiert 1831: "Der Hund ist alt mit fünfzehn Jahren und überlebt nicht leicht zwanzig."
Links:
  • Purebred Breed Health Survey 2004
  • Pedigree Breed Health Survey 2014
  • Blog von Jemima Herrison "Pedigree Dogs Exposed"

Ein Beitrag von Christoph Jung


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