Die Eltern lassen ihr Kind nur kurz aus den Augen. Die vierjährige Katharina fällt in einen Teich. Als die Eltern sie finden, steht ihr Herz schon still. Doch besonders ein Arzt kämpft 15 Stunden lang um ihr Leben. Das Mädchen überlebt, ohne Folgeschäden.
Das ist die wahre, 1998 in Österreich passierte Geschichte, auf der der Film Das Wunder von Kärnten basiert. Ken Duken spielt darin den Herzchirurgen, der seine kleine Patientin nicht aufgibt.
Herr Duken, Das Wunder von Kärnten ist eine wahre Geschichte, als OP-Kammerspiel inszeniert. Was hat Sie so sicher gemacht, dass das funktioniert?
Ken Duken: Sicher bin ich vor keinem Film. Ich habe schon viele Filme gemacht und weiß deshalb, wie viele Zahnräder ineinandergreifen müssen. Aber ich hatte ein sehr gutes Gefühl von dem Moment an, als ich den Regisseur getroffen habe. Andreas Prochaska hat eine tolle schwarzhumorige Ader und strahlt gleichzeitig Ruhe und Gelassenheit aus. Er ist genau der Richtige für den Film, um ihn nicht ins Kitschige abrutschen zu lassen.
Die spektakuläre Rettungsaktion, um die es geht, fand in Österreich statt. Der Film spielt in Österreich. Es fällt auf, dass Ihre Figur die einzige ist, die nicht Österreichisch spricht. Warum nicht?
Duken: (spricht Österreichisch) Ich bin ja a Bayer. Des wär scho gegangen. Aber man hat aus dem österreichischen Arzt einen deutschen gemacht, weil es eine Koproduktion ist. Für die Situation ist es ja auch nicht wichtig.
Sie spielen Dr. Höchstmann. Wie war Ihr erstes Zusammentreffen mit dem Herzchirurgen Markus Thalmann, der die Vorlage für die Figur ist?
Duken: Wir haben einige Parallelen gefunden. In erster Linie haben wir uns übers Laufen unterhalten. Es ist absurd, was der Typ leisten kann. Mein Bild von ihm war vorher komplett anders. Ich hatte gehört, da ist ein Arzt, der 120 Stunden pro Woche in der Klinik verbringt und in seiner Freizeit elf Mal hintereinander den 100 Kilometer-Lauf gewonnen hat. Ganz normal kann er nicht sein. (lacht) Er ist aber ein wahnsinnig charmanter, eloquenter Mann. Wenn wir morgens um 9 mit dem Dreh begonnen haben, war er schon vier Stunden laufen. Und ich dachte, ich wäre bekloppt, weil ich fünf Tage die Woche laufen gehe. Aber vier Stunden bin ich höchstens beim Marathon unterwegs. Er war mir so sympathisch, dass ich kurz überlegt habe, ihn anders darzustellen, als ich es geplant hatte. Ich habe mich aber entschieden, aus der Figur nicht so einen klaren Helden zu machen, sondern jemanden, der für den Zuschauer am Anfang nicht unbedingt greifbar ist und der dann über sich hinauswächst.
Für die OP-Szenen haben Sie viel geübt. Wie gut sind Ihre Fähigkeiten als Chirurg?
Duken: Wir können es probieren, ich kann Sie gern mal am Herzen operieren (lacht). Bei allen Sachen, die ich drehe, habe ich ein gefährliches Halbwissen, so wie jetzt hier auch. Aber eine Spritze könnte ich geben.
Ihr Vater ist Arzt, was würde der zur Darstellung der Operation im Film sagen?
Duken: Der hat ihn schon gesehen. Er war sehr beeindruckt und hatte nicht die üblichen Probleme mit der medizinischen Darstellung. Außerdem gefällt ihm, dass sehr nüchtern und rational erzählt und nicht versucht wird, mit Musik und allem möglichen Schmonz eine Situation zu dramatisieren. Wir diktieren dem Zuschauer nicht, was er empfinden soll.
Können Sie Blut sehen?
Duken: Damit habe ich kein Problem. Als Elfjähriger habe ich wegen einer Mandel-OP fast zwei Liter Blut gekotzt und bin fast krepiert. Meine Krankenakte kann sich sehen lassen. Ich weiß nicht, wie viele Knochenbrüche und Schnittwunden ich hatte. Irgendwie war ich in meiner Kindheit und Jugend ein Vollchaot. Blut schreckt mich nicht ab. Fürs Kochen kann ich auch ein ganzes Karnickel zerlegen. Ich würde auch ein Tier jederzeit respektvoll töten, um es zu essen. Wenn ich Fleisch esse, muss ich mir dessen auch bewusst sein. Die meisten Leute essen tote Scheiben auf einer Pizza oder Bärchenwurst. Deshalb kann ich auch jeden Vegetarier verstehen, mehr noch als Leute, die sagen «das arme Tier» und sich jeden Tag ein Filet reinhauen.
Ihr Sohn bekommt also keine Bärchenwurst?
Duken: Doch, aber ich möchte, dass ihm bewusst ist, was er da isst. Meinem Kind kann ich sowieso nichts diktieren. Mein Sohn hat seine eigene Denkweise, ich kann ihm keine Werte aufzwängen, sondern nur vorleben. Aber seine Werte müssen gar nicht konform gehen mit meinen.
Sind Sie ein ängstlicher Vater?
Duken: Komischerweise überhaupt nicht. Meine Großmama hat immer gesagt: «Angst macht Leben tot» und «Mach dir keine Angst auf Vorrat». Als Künstler bin ich mein Leben lang mit Angst konfrontiert und kann damit ganz rational umgehen. Kindern kann man nur helfen, wenn man sie zur Selbstständigkeit erzieht. Wenn ich auf dem Spielplatz bin und ein anderer nimmt ihm was weg, muss ich nicht sofort eingreifen. Dann würde ich ihm die Möglichkeit nehmen, sich selbst durchzusetzen.
Was ist das Tolle daran, Vater zu sein?
Duken: Ach, viel. Die Emotionalität bekommt ganz neue Aspekte. Es lässt einen unheimlich viel über sich selbst nachdenken. Man hatte sonst nur die eine Sichtweise zu den Eltern. Jetzt ist man auf der anderen Seite.
Der Kinderarzt in Das Wunder von Kärnten sagt: «Kinder haben manchmal eine Art von Würde, die ist größer als bei uns». Können Sie das unterschreiben?
Duken: Kinder sind instinktiv und haben ein extremes Rechts- und Unrechtsempfinden. Das zerbricht bei vielen dadurch, dass das, was vorgelebt wird, ganz anders ist als die Werte, die vorgegeben werden. Durch gesellschaftliche Normen und Zwänge lassen wir vieles auf der Strecke, was wir an Würde hatten.
Die Produktion wollte nicht in das Privatleben der Eltern des echten Mädchens eindringen und hat sie deshalb nicht kontaktiert. Interessiert es Sie trotzdem, was die Familie zu dem Film sagt?
Duken: Natürlich interessiert es mich, das ist ja menschlich. Ich respektiere aber den Wunsch der Familie, dass sie sich und vor allem ihre Tochter schützen wollen. Ich würde mich freuen, wenn sie ein gutes Gefühl bei dem Film haben und ich denke auch, dass der Film die Leute mit einem guten Gefühl zurücklässt. Ich kann sehr wohl nachvollziehen, dass sie nicht alles nochmal durchleben wollen. Väter und Mütter wissen wie das ist; man ist kurz im anderen Zimmer, dann kommt man zurück und der Fußboden ist voller Nagellack oder man merkt, dass das Fenster offen war. Das sind Lappalien. Aber genau so eine Lappalie kann schnell zum Unglück werden. Ich habe hohen Respekt vor jedem Menschen, der da durch musste.
War der Film bei dem Thema eine große Herausforderung für Sie?
Duken: Generell empfinde ich fast jeden Film als große Herausforderung, sonst würde ich ihn nicht machen. Bei diesem Film speziell war die Herausforderung, nicht nur einfach seinen Emotionen zu folgen und sie zu präsentieren. Dazu ist man als Schauspieler immer geneigt. Aber hier geht es darum, die Emotionen wegzudrängen, weil man die als Arzt nicht hat. Denn man funktioniert ganz rational. Ich habe versucht, mir auf die Füße zu treten, wenn ich gemerkt habe: Jetzt lässt du gerade den Schauspieler raus und nicht den Arzt.
Sie haben gesagt, dass Sie wie Dr. Thalmann viel laufen. Warum?
Duken: Mich entspannt das. Unser Nervensystem steht in einem gegensätzlichen Verhältnis zu sich. Der Sympathikus setzt sich in Gang, wenn wir unter Stress und Angst leiden. Der Parasympathikus dagegen setzt ein, wenn wir gemütlich sind und regenerieren. Wir sind den ganzen Tag unter Starkstrom, kommen nie zur Ruhe und bauen das Adrenalin nicht ab. Das mache ich abends beim Laufen. Das ist für mich wie eine Reinigung. Meine anderen Hobbys sind Kochen und Inneneinrichtung. Ich liebe Innenarchitektur. Wie andere Leute Kunst sammeln, stehe ich auf alte schöne Möbel.
Das heißt, wenn Ihre Frau nach Hause kommt, steht da plötzlich schon wieder ein neues Möbelstück?
Duken: Nein, das ist unser gemeinsames Hobby. Wir sind auch schon einige Male umgezogen und da schaut man eben, was einem gefällt. Wenn wir uns dann an einem Teil satt gesehen haben, verkaufen wir es. Eine Wohnung ist ja Lebensraum und nicht statisch. Das ist unsere Höhle und die machen wir uns schön, damit wir uns wohl fühlen.
Ihre Figur Dr. Höchstmann operiert das Mädchen gegen den Widerstand der anderen Kollegen. Mussten Sie in Ihrem Leben auch gegen Widerstände ankämpfen?
Duken: Das haben wir jeden Tag in unserem Beruf. Widerstände gibt es immer, besonders wenn man mit vielen Menschen und Meinungen konfrontiert ist. Vielleicht ist es aber auch das, was mich am meisten daran interessiert. Dadurch hinterfragt man sich immer wieder selbst, lässt eingefahrene Manierismen los und lernt Neues dazu.
Und auf welche Entscheidung sind Sie besonders stolz, bei der alle gesagt haben: Nein, das klappt nicht?!
Duken: Dass ich Schauspieler werde. Wenn man als Jugendlicher sagt, ich will Schauspieler werden, sagen alle «Ja, ja mach du mal». Ich glaube, dass man alles, was man erreichen will, auch erreichen kann. Für mich geht es nicht darum, der größte oder berühmteste Schauspieler aller Zeiten zu werden. Deswegen sieht man mich auch so selten auf dem roten Teppich. Mich interessiert die Arbeit. Die könnte ich auch auf einer Kleinkunstbühne in Buxtehude machen, und wenn ich die selbst aufbauen muss. Dadurch bin ich unangreifbar. Ich habe zwei Hände, kann arbeiten und spielen. Deshalb bin ich, was das angeht, sehr autark.
Geben Sie gern Interviews? Das ist ja auch ein Aspekt des Schauspielerseins.
Duken: Ich stelle mich nicht gern in den Vordergrund. Wenn man jung ist, möchte man toll sein und allen Leuten gefallen. All das muss man als Schauspieler irgendwann abstellen, wenn man authentisch sein will. Wenn du gefallen willst, kannst du oft nicht das darstellen, was du darstellen sollst. Es muss einem egal sein, was die Leute sagen. Ich unterstütze aber gern Projekte und sehe es nicht als negativ, dass wir über den Film reden, so wie wir das jetzt tun. Wenn ich die ganze Zeit erklären müsste, warum ich so jung geheiratet habe oder dies und jenes gemacht habe, dann würde ich ausweichen und versuchen mein Privatleben zu schützen. So wie ich es die letzten zwölf Jahre gemacht habe. Wenn ich einen Halt hatte im Leben, dann war es meine Familie und die muss ich schützen.
Ken Duken ist einer der bekanntesten deutschen Schauspieler, der mit 32 Jahren bereits mehr als 50 Filme im In- und Ausland gedreht hat. Fernsehzuschauer und Kinogänger kennen ihn aus der ZDF-Krimiserie Nachtschicht, als Störtebeker (2006) oder Korvettenkapitän in Laconia (2011). Er spielte in Inglorious Basterds (2009) und Powder Girl (2011). Neben seiner Arbeit als Schauspieler führt er Regie bei Musikvideos. Ken Duken ist mit Schauspielkollegin Marisa Leonie Bach verheiratet. Sie haben einen Sohn.
Das Wunder von Kärnten, Montag, 5. März 2012, 20.15 Uhr, ZDF
V E R LO S U N G
Für Fans von Ken Duken verlost news.de drei DVDs des Film Das Wunder von Kärnten. Wer gewinnen möchte, schickt bitte eine E-Mail mit dem Stichwort «Ken Duken» bis Mittwoch, 7. März 2012, 12 Uhr, an redaktion@news.de. Bitte die Postadresse nicht vergessen. Die Gewinne werden unter den Einsendern verlost. Die Gewinner werden umgehend per E-Mail benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
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Ken Duken – «Mein Halt im Leben ist die Familie»