Die lettische Hauptstadt Riga ist mit der Lossagung von der Sowjet-Union zum zukunftsorientierten Leben erwacht und präsentiert sich so als Kulturhauptstadt 2014. Das nahe Jurmala, zumal der Hauptort Majori am langen, breiten Strand der Rigaer Bucht ist heute so beliebt wie es zu Sowjet-Zeiten war. Internationales Publikum entdeckt hier die baltische Sommerfrische, und die russischen Besucher(innen) haben ihre Passion für den Badeort nicht verloren. Lebensstil und kulinarische Angebote mischen sich: Traditionelles Essen der Sowjetrepubliken, armenisch, kaukasisch, russisch wird ergänzt durch den Chic der neuen Zeit. Von Schaschlik bis Sushi, von Pelmeni bis Texmex, von manchmal enervierend “hip” bis traditionell bierselig – in Majori ist dies alles auf engstem Raum versammelt. Nur wenige Kilometer entfernt, am Westrand Jurmalas beginnt jedoch das verwunschene Lettland. Wer den Zug nach Kemeri nimmt, kann es entdecken.
Zu sowjetischer Zeit ein Ort für Kuren und Rehabilitation, in den aus dem gesamten Riesenreich Menschen zur Genesung verschickt wurden, hat sich Kemeri nach der Wende in ein fast unwirklich leeres Fleckchen mit abblätternden Zeugnissen gewesenen Wohlstands verwandelt. Hin und wieder trifft man auf kleinste Gruppen von Menschen mit körperlichen Handicaps, im Rollstuhl, die wohl hier geblieben sind. Am Rand des Ortes spielen Kinder, so unbefangen und unbedarft mit Eimern und Stöcken und Wasser, wie “früher”. Viele Gebäude scheinen verlassen, die Ruhe über der Stadt ist fast surreal.
Im umliegenden Grün des Ortes weisen noch Schilder zu längst verlassenen Sanatorien, es sollten (Stand 2011) Investoren gefunden werden, aber die Lage scheint fast aussichtslos, denn Kemeri liegt nicht am Strand – und der Anschluss an moderne Zeiten wurde ganz offensichtlich verpasst.
Dafür findet man hier ein wahrhaft verwunschenes Ausflugsziel, das ganz anderes mitteilt über Geschichte und Brüche im Baltikum als die Autoscooter in Jurmala. Erst recht ist der umgebende Nationalpark Kemeri eine Oase aus Natur- und Kultuschönem. Auch wenn keine Menschenseele unterwegs zu sein scheint, ist die kurparkähnliche Anlage am Stadtrand wundersam gepflegt. Sie geht über in die Weite von Wald und Flüsschen, Mooren und Bohlenwegen des Naturschutzgebietes, das als eines der schönsten Lettlands gilt.
Wir entdecken ein Parkschlösschen und eine orthodoxe Kirche. Vor allem aber ein Territorium, an dem die Natur ungestört ihr Bestes gibt. Durchatmen in Lettland!
Weitere Informationen zum Nationalpark Kemeri findet man hier.