Die Stimme kratzbürstig wie von der heimlichen Tochter von Robert Plant und Janis Joplin, Gitarrenriffs, die mal nach Led Zeppelin und mal nach Grungeparty klingen: „Sweet Spirit“ von Kelly Richey ist ein krachendes Bluesrockalbum völlig ohne Schlacke.
„Kurz vor großartig“ war die Meinung eines Kollegen, nachdem er die Scheibe erstmal gehört hatte. Das erschloss sich mir altem Nörgler nicht beim ersten Hören. Denn beim Opener „Feelin‘ Under“ fehlte mir zunächst der Bluesbezug. Klar, die Riffs hauen richtig auf die Fresse. Und Kelly Richey ist mit ihren fast fünfzig Jahren eine Rocksängerin, wie es sie selten gibt: Rauh, kratzbürstig und aufmüpfig. Doch je öfter sich dieses Album in meinem Player dreht, desto mehr bin ich geneigt, diesem Urteil zuzustimmen: Wenn es denn Zeit für harten Bluesrock ist, dann sollte er unbedingt so klingen wie das famose „I Went Down Easy“: Hier singt eine Frau, die vom Leben gebeutelt sein mag, die sich aber nicht weinerlich in die Ecke verzieht, sondern die Fäuste ballt und sich durchbeißt. Und „Fast Drivin Mama“, „Hard Workin‘ Mama“ oder „Leavin It All Behind“: Das sind persönliche Bekenntnisse fern ab jeder falschen Gefühlsduseligkeit. Das sind Rocksongs, die sich nicht im Mainstreamradio wohlfühlen, dafür umsomehr in Liveclubs und Rockerkneipen. Nur manchmal kommen balladeske Töne zu Gehör wie etwa in „Everybody Needs a Change“. Und auch da fehlt jeder Schmalz: Wenn man hier träumt, dann ist das ein Traum nicht in schmalzigem Technocholor sondern in reduziertem Sepia. Und genau das macht den Reiz aus.
Meist konzentriert sich die Band auf das klassische Powertrio mit Gitarre Bass und Schlagzeug. Nur ab und zu werden per Keyboards paar andere Klangakzente gesetzt. Insgesamt ist „Sweet Spirit“ eine echte Entdeckung für Bluesrockfans. Für mich ist Kelly Richey neben Lazy Younger eine der besten Sängerinnen, die ich in den letzten Monaten gehört habe. (Sweet Lucy)