Wie bereits beim “Violettbuch Kirchenfinanzen” von Dr. Carsten Frerk und dem Buch “Leibnitz war kein Butterkeks” möchte ich auch zum neuen Buch von Michael Schmidt-Salomon “Keine Macht den Doofen” wieder alle Artikel darüber und dazu sammeln. Die ersten sind unter dem entsprechenden Schlagwort bereits zu finden; weitere werden (sicher) folgen.
Wer also noch Links dazu hat: immer her damit; in den Kommentaren oder über das Kontaktformular.
Als erstes ein Interview, dass Michael Schmidt-Salomon dem hpd gab:
“Wir leben in einem Tollhaus”
TRIER. (hpd) „Ein Buch, das man nicht aus der Hand legen kann“, urteilt Esther Vilar über die neue Streitschrift von Michael Schmidt-Salomon, die ab heute im Buchhandel erhältlich ist. Tatsächlich hält „Keine Macht den Doofen!“, was der Titel verspricht: Es ist eine Generalabrechnung mit dem globalen Irrsinn, gnadenlos in Inhalt und Form, wohl eines der radikalsten Bücher, die je geschrieben wurden.
Doch was treibt einen humanistischen Autor dazu, einen solchen Menschheitsverriss zu formulieren? Ist er zum Zyniker geworden? Im hpd-Interview verrät Michael Schmidt-Salomon, was ihn dazu bewegte, das Buch so und nicht anders zu schreiben.
hpd: Michael, in deinem heute erscheinenden Buch „Keine Macht den Doofen!“ beleidigst du nicht nur Politiker, Religionsführer, Manager, Medienleute und Pädagogen, sondern letztlich die gesamte Menschheit. So schreibst du, es sei ein „Makel, Mensch zu sein“, und plädierst dafür, im Regelfall nicht mehr von „Homo sapiens“, dem „weisen Menschen“, zu sprechen, sondern von „Homo demens“, dem „irren, wahnsinnigen Menschen“. Das ist starker Tobak für einen Humanisten. Denkst du, dass ein solcher Generalangriff auf die Menschheit bei den Leserinnen und Lesern ankommt?
Schmidt-Salomon: Schwer zu sagen. Es könnte sein, dass nach diesem Buch ein Sturm der Entrüstung über mich hereinbricht, möglicherweise aber trifft das, was ich in „Keine Macht den Doofen!“ geschrieben habe, das Denken und Empfinden vieler Menschen. Ich habe mir beim Schreiben dieses Buchs ganz bewusst keine Gedanken darüber gemacht, wie es bei den Lesern ankommen wird. Das ist vielleicht auch der eigentliche Reiz des Buchs: Ich habe den „inneren Zensor“ ausgeschaltet, um die Dinge möglichst hart, klar und ehrlich formulieren zu können – ohne Rücksicht auf Verluste. Nicht ohne Grund ist der Held des Buchs das Kind aus Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“, das den Mut hat, auszusprechen, was „vernünftige Erwachsene“ niemals aussprechen würden, nämlich dass der Kaiser nackt ist und die Repräsentanten der Macht einem einzigartigen, grotesken Schwindel aufsitzen…
hpd: In „Keine Macht den Doofen!“ gibt es zwar ein deftiges Kapitel über die „wundersame Welt der Religioten“, insgesamt richtest du dein Augenmerk aber mehr auf die irrationalen Strukturen im Bereich der Ökologie, Ökonomie, Politik und Pädagogik. Meinst du, es ist an der Zeit, dass säkulare Humanisten auch jenseits der reinen Religionskritik deutlich Stellung beziehen?
Schmidt-Salomon: Absolut. Wenn man sich in der Welt umschaut, stellt man doch schnell fest, dass die Menschen längst keine Götter mehr brauchen, um sich gegenseitig das Leben zur Hölle zu machen! Die neuen Wahnsysteme des Homo demens kommen ganz gut ohne Frömmelei aus und wirken dabei nicht weniger tödlich. Dagegen sollte man als Humanist ebenso opponieren wie gegen religiösen Wahn. Wir leben nun einmal in einem Tollhaus – daran haben die Religionen zwar maßgeblichen Anteil, aber es wäre absurd, sie für alle Übel dieser Welt verantwortlich zu machen.
„Wir sind nicht zu böse, sondern zu blöde, um gerechtere Verhältnisse zu schaffen“
hpd: In deiner Analyse der Irrationalität auf den Finanzmärkten beziehst du dich hin und wieder positiv auf Attac und Occupy-Wallstreet. Aber ist die Occupy-Bewegung nicht längst schon selbst infiziert von irrationalen Strömungen? Wimmelt es da nicht geradezu von esoterischen Spinnern und Verschwörungstheoretikern?
Schmidt-Salomon: Sicher, umso wichtiger ist es, dem entgegenzuwirken! Das Grundproblem jeder Verschwörungstheorie ist doch, dass den vermeintlichen „Verschwörern“ nicht nur größtmögliche moralische Hartherzigkeit, sondern eine geradezu übermenschliche Intelligenz angedichtet wird. Mit diesen Mythen räumt „Keine Macht den Doofen!“ gründlich auf. Ich zeige, dass es eben nicht am fehlenden Weltethos, sondern an fehlender Intelligenz liegt, dass die Dinge noch immer so sind, wie sie sind. Die erschütternde Wahrheit ist: Wir sind nicht zu böse, sondern bislang einfach nur zu blöde, um gerechtere Verhältnisse zu schaffen. Idiotischerweise haben wir ein System geschaffen, das die Rationalität des Einzelnen mit tödlicher Präzision zur Grundlage eines kollektiven Irrsinns macht, der uns Entscheidungen treffen lässt, die innerhalb des Systems als „klug“, ja sogar „vernünftig“ erscheinen, obwohl sie in Wahrheit von atemberaubender Dummheit sind.
hpd: Du bezeichnest das auch mit dem Begriff „Schwarmdummheit“…
Schmidt-Salomon: Richtig. Dabei handelt sich um die exakte Umkehrung jener „Schwarmintelligenz“, die wir beispielsweise bei Ameisen beobachten können: Während sich aus der individuellen Beschränktheit der Ameisen eine kollektive Intelligenz ergibt, resultiert aus der individuellen Intelligenz der Menschen eine kollektive Beschränktheit…
hpd: Diese Schwarmdummheit demonstrierst du u.a. an den Prinzipien der „Wegwerfgesellschaft“, die zwar betriebs- und volkswirtschaftlich Sinn zu machen scheinen, letztlich aber völlig groteske Folgen haben, die eigentlich niemand wollen kann. Besondere Aufmerksamkeit widmest du allerdings dem „Irrsinn der Finanzmärkte“. Kannst du kurz umreißen, wo hier das eigentliche Problem liegt?
Schmidt-Salomon: Das ist nicht einfach. Ich will es mal so formulieren: Statt dafür zu sorgen, dass Geld eine stabile, transparente und neutrale Verrechnungseinheit für den Austausch von Gütern und Dienstleistungen ist, haben wir alles daran gesetzt, es in ein instabiles, intransparentes und parteiisches Instrument der Umverteilung zu verwandeln, das den Austausch von Gütern und Dienstleistungen behindert. Unser Kunststück: Wir machten das Tauschmittel zum Tauschzweck, aus dem Geld, das eigentlich nur das Medium des Warenhandels sein sollte, *die Handelsware schlechthin. Nur auf dem Boden dieser Basisblödheit konnte die Illusion entstehen, dass man durch die Investition von fiktivem Kapital in fiktives Kapital realen Wohlstand erzeugen könnte. Tatsächlich aber entsteht Wohlstand natürlich nur durch reale Leistungen in der realen Welt…