Keine Freiheit ohne Emotion – Über Ziele und Strategien

Von Politropolis @sattler59

Ziel? – Foto: © Erhard Fischer / pixelio.de

Ein großes Problem unserer Tage äußert sich in einer zu recht beklagten Orientierungslosigkeit. Manche führen dies auf fehlende Strategien zurück, andere wiederum auf mangelnde Bildung. Beide Vermutungen sind nicht so ganz von der Hand zu weisen, deuten sie doch auf zwei Seiten einer Medaille hin. Wenn Strategien existieren, dann sollten sie zumindest auch denen kommuniziert werden, die sie betreffen, im Aktiven wie im Passiven.

Einmal abgesehen davon, dass es auch Strategien gibt, die keiner kennen soll, wie zum Beispiel in der Politik, weil sonst eine Diskussion darüber losbräche, die vieles der klandestinen Strategie gefährden könnte, fristen andererseits auch große Organisationen und Staaten ein Dasein ohne Strategie. Das ist regelrecht gefährlich, weil ungeheure Energien und Potenziale die Gelegenheit haben, sich im semantischen Niemandsland zu entfalten.

Doch auch dort, wo Strategien existieren, ist eine gewisse Nonchalance auch derer, die von ihnen betroffen sind, gegenüber der Formulierung der Ziele zu vernehmen. Die Erklärungsmuster reichen von einer unterstellten Wurstigkeit der Betroffenen bis zu einer mangelnden kognitiven Fähigkeit derselben. Und, fragte man diese selbst, so würden sie entweder mit den Schultern zucken, was für die beschriebenen Zuweisungen spräche oder aber sehr dezidiert auf die mangelnde Authentizität der verantwortlich Handelnden verweisen. Da vernimmt man sehr schnell die Weise der mangelnden Glaubwürdigkeit, die durch ein Abweichen der eigenen Praxis von den formulierten Zielen und Forderungen entsteht.

Und es ist nicht so, dass diejenigen, für die eine Strategie bindend wäre, selbst bei einem Erkennen ihrer Dimension ihr nicht nur aus renitenten Motiven nicht folgten. Tief in ihrem Innern reflektieren diese Individuen, dass es noch etwas gibt, das stärker ist als eine Strategie und in seiner Wirkungsmagie diese bei weitem übersteigt. Es handelt sich dabei um den Glauben an die Beziehungskraft zwischen Menschen. Vielen Menschen ist es nicht genug, die Strategie zu kennen und daraus durchaus unabhängig ihre Handlungskonzepte und Maximen ableiten zu können. Tief in ihrem Innern denken sie über diese Protagonisten wie über sich selbst und stellen sich die Frage, was sie tun müssen, um diesen Protagonisten ihre Loyalität zu beweisen oder, anders herum, ihnen die soziale Botschaft zu senden, dass sie nicht auf sie rechnen können. Wie zu sehen ist: Ganz so einfach ist es nicht.

Vieles spricht dafür, dass wir weder in einer Zeit mit einem Mangel an Strategien leben noch eine Ära der Ungebildeten angebrochen ist, die nicht mehr in der Lage wären, Strategien zu dechiffrieren. Der idealtypische Fall, die Formulierung einer Strategie und die transparente Beschlussfassung, dieser zu folgen, schüfe eine Situation, in der die von der Strategie betroffenen Individuen frei wären, ihr eigenes operatives Geschäft zu gestalten. Sie könnten dieses ohne repressive Intervention tun, solange das Ergebnis ihres Handelns mit der Strategie korrespondieren würde. Und gerade dieser Freiheit trauen sie nicht, oder sie trauen sich die Nutzung dieser Freiheit nicht zu. Und genau darin besteht das Besorgniserregende: Eine Gesellschaft, die weder mit Freiheitsangeboten noch mit Toleranz geizt, sieht sich mit dem Problem konfrontiert, dass die Offerten reihenweise ausgeschlagen werden, weil die psychische Stabilität, Freiheit zu nutzen, in immer geringerem Maße vorhanden ist und die Rationalität vertraglicher Beziehungen als kalt erlebt wird und viele lieber wieder in die Niederungen loyaler Abhängigkeitsverhältnisse, die zwar warm, aber auch dreckig sind, zurückflüchten. Die Fähigkeit zu Freiheit erfordert auch emotionale Kraft.

von Gerhard Mersmann

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“Ziel” – Foto: © Erhard Fischer / pixelio.de