Kein Ziegenficker in Bellevue

Kein Ziegenficker in Bellevue Der Oppermann hat mal wieder Blut geleckt. Jetzt, da alle voller Empörung für den türkischen Staatspräsidenten sind und Erdoğan der neue Putin ist, nicht etwa weil er Geflüchtete ausmauert, sondern weil er einem deutschen Komiker das Lachen aberziehen möchte, ist er plötzlich für die Auflösung des Paragraphen 103 des Strafgesetzbuches. Ob der alte Jurist davor je von diesem Passus gehört hat, weiß niemand so genau. Aber damit lässt sich jetzt Quote machen, kann man Zusprüche erzeugen, also muss man da nun auf ganz dick machen. Der Paragraph sei jedenfalls eine »antiquierte Vorschrift«, findet er. Man sollte Staatsoberhäupter aller Herrenausländer schon beleidigen dürfen, ohne gleich dafür mit dem Staatsanwalt zu tun zu bekommen. Meinungsfreiheit funktioniere letztlich nur so. Interessant wie das heute läuft, plötzlich soll Beleidigung chic sein, solange es einen trifft, dem man es gönnt und der seine Kreise andernorts zieht.

Der rührige alte Mann in Bellevue zum Beispiel, egal wer den gerade spielt, der soll natürlich weiterhin kein Arschloch sein müssen, dem man pädophile Vorlieben nachsagt. Paragraph 90 des Strafgesetzbuches, der die »Verunglimpfung des Bundespräsidenten« regelt und eine Freiheitsstrafe in Aussicht stellt, ist natürlich nicht antiquiert. Da ist das StGB vernünftig. Man muss Herrn Bundespräsident schließlich von vorlauten Mäulern schützen. Gut, als Ausrede könnte man nun festhalten, dass die Bundespräsidenten ja immer relativ lax waren, wenn es um ihre Ehre ging. (Sie hatten ja eh keine.) Also muss man das ja jetzt nicht überarbeiten. Hätten wir einen despotischen Alten dort - ja dann! Vielleicht kriegen wir ja künftig mal einen solchen, der Kritik an seiner Amtsführung ahnden lassen will. Wir müssen ja nicht immer so viel Glück haben, senile alte Zausel im Lustschlösschen sitzen zu haben, denen man eine gewisse Altersmilde attestieren könnte. Was, wenn wir einen erdoğanesken Typus dorthin bekommen? Einen Oppermann in etlichen Jahren etwa? Dann darf man ihn wohl nicht mal verunglimpfen, während man seinen Amtskollegen aus dem Ausland sogar beleidigen darf. Auch da schwingt deutsche Überheblichkeit mit.
Die Welt globalisiert sich, aber nach Oppermann soll Deutschland das Land sein, in dem man auch mal mit Beleidigungen um sich schmeißen kann, solange der Adressat seinen Sitz nicht auf deutschen Boden hat. Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Majestätsbeleidigung ist kein Zustand, der haltbar wäre. Aber man muss jetzt nicht so tun, als sei der ganze Paragraph ein Relikt aus längst vergangenen Tagen. Wir können mal darüber reden, wo Beleidigung anfängt und wo Verunglimpfung endet. Man könnte die Diskussion ausweiten und recherchieren, ob Paragraph 103 etwas lockerer zu handhaben wäre. Aber abschaffen? Ist es denn kein Ziel moderner Staaten mehr, einen halbwegs anständigen Umgang miteinander zu fördern und zu fordern? Was genau ist antiquiert an einem Gesetz, das Beleidigung einschränken will? Der komplette Wegfall dieses Punktes würde bedeuten, dass jeder fremde Präsident ein Ziegenficker, ein Wichser und ein Fan von Kinderpornos sein darf, während man als Bürger in diesem Land nicht mal sagen dürfte, dass der Bundespräsident nicht alle Latten am Zaun habe.

Verunglimpfung versus Beleidigung. Und nur letzteres soll fallen, aus Gründen eines vorauseilendem Gehorsams gegenüber einer Schlagzeile, die solche Dynamik annimmt, dass man über diese Empörung gleich mal ganze Gesetze kippen will. Juristerei auf höchstem Niveau ist das. Man könnte den türkischen Präsidenten ja auch zunicken, es zur Kenntnis nehmen und so tun, als jucke uns das alles nicht. Und der Einwand, Herr Böhmermann habe ja nicht beleidigt, sondern nur angemerkt, was Beleidigung wäre, ist natürlich ein netter Spaß, aber die Leute verstehen es gemeinhin so: Wenn einer meint, dass ein anderer ein »Hurensohn« sei, der »Ziegen-Sex« trotz »kleinem Schwanz« betreibe, dann könne man das im Rahmen der Meinungsfreiheit auch so kundtun. Aber das, old sports, ist ein fataler Fehlschluss, der in den öffentlichen Reden nicht als solcher vorkommt. Da tut man so, als könne man sagen, was sagbar sei. Demnächst mehr darüber. Jetzt aber nicht.
Ich erinnere mich noch an Oppermann, er fand es auch nicht sonderlich lustig, als Merkel oder Schäuble als Nazis in der griechischen Presse karikiert wurden. Das sei ein Tabubruch, so wurde damals geunkt. Das sei auch keine Satire mehr, sondern schwere Beleidigung. Die Empörung war also groß. Nun gut, das war etwas völlig anderes. Weil ein deutscher Politiker hat Respekt verdient, denn die sind alle fromm und ehrenwert und nur Türken haben Minister, die Koffer mit Schwarzgeld annehmen. Wie dieser Schüblü damals.
Ich frage mich immer, wenn ich so Kerle wie den Oppermann höre, ob sie solche Leuchten sind, weil sie sich thematisch vor den Karren spannen lassen, wenn es die Stimmung so verlangt, und sie dann zwangsläufig wie Bescheuerte aussehen. Oder sind es einfach nur Bescheuerte, die die Thematik antreiben und das ganze Szenario damit in ein intellektuell trauriges Licht färben? Wie dem auch sei, mit solchem politischen Personal kann es gar nicht anders kommen als so, wie es derzeit in dieser Shitstorm-Republik mit ihren Sorgenbürgern läuft. Wenn selbst Juristen für Beleidigungsfreiheit plädieren und gleichzeitig Verunglimpfungsverbote stützen, dann sind das die Symptome eines Ruckes, der durch Deutschland geht. Eines Rechtsruckes ...

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