Kein Freund ist Ausländer

Am kommenden dritten Spieltag der Fußball-Bundesliga sind die Trikotsponsoren der Vereine von der Brust gestrichen. Stattdessen wird darauf ein Leitmotiv zu lesen sein - "Geh' Deinen Weg" heißt das und ist der Wahlspruch und der Name eines Stipendien- und Mentorenprogrammes der Deutschlandstiftung Integration.
Slogan ohne Wenn und Aber
Schon 1992 initiierte der DFB eine Trikot-Aktion. Nachdem drei dunkelhäutige Bundesliga-Fußballer namens Baffoe, Yeboah und Sane einen offenen Brief formulierten, in dem es unter anderem hieß, dass es sie ins Herz treffe, was sie in deutschen Stadien so an Beleidigungen zu hören bekämen und was sie damit erdulden müssten, rief der DFB eine gemeinsame Aktion ins Leben. "Friedlich miteinander - Mein Freund ist Ausländer" nannte sich die und ließ sich an einem Spieltag von der Brust aller damaligen Bundesliga-Teams lesen. Es gab in der Folge Plakate, Stadiondurchsagen und eine Schweigeminute für die Opfer des Solinger Brandanschlages, bei dem fünf Menschen (zwei Frauen, drei Mädchen türkischer Herkunft) starben.

Die zentrale Botschaft war unmissverständlich. Da sind Menschen fremder Herkunft und sie sind unsere Freunde, gehören zu uns - ohne Wenn, ohne Aber. Für Freunde setzt man sich ein, man steht an ihrer Seite. Die Botschaft, die nun in Kürze von den Trikots strahlen soll, ist da weniger eindeutig. Sie meint, dass Menschen mit Migrationshintergrund, wie man das heute so galant nennt, zu uns gehören, wenn sie bestimmte Vorstellungen erfüllen. Das langjährige Geschwätz von der Leitkultur hat ganze Arbeit geleistet. Heute sind Ausländer zwar Freunde, aber sie sollten schon etwas leisten, etwas können, etwas sollen. Eine an Bedingungen geknüpfte Freundschaft.
Bedingte "Freundschaft"
Der Vorstand der Deutschlandstiftung Integration rekrutiert sich aus Unternehmern, der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und aus Kai Diekmann; Vorsitzender des Beirates ist Hubert Burda - die Stiftung ist also fest in Hand von Meinungsmachern; noch dazu von solchen, die zu Hochzeiten der Leitkulturdebatte am lautesten wieherten und die Phantasien christdemokratischer Leitkulturhammel zu publizistischer Massenware verarbeiteten. Passend hierzu ist die Bundeskanzlerin Schirmherrin der Aktion.
Der Hintergrund und die Stoßrichtung der Stiftung ist so konservativ wie elitär. Mit dem Programm "Geh' Deinen Weg" sollen "Migranten angesprochen werden, die in Deutschland "angekommen" und" erfolgreich" sind und damit belegen, dass und wie Integration gelingen kann". Ökonomisch wie politisch und weltanschaulich angepasste Migranten, denn um die geht es dieser Stiftung, sollen mit einem Stipendium für zwei Jahre ausgestattet werden. Gesucht werden daher "die besten und talentiertesten jungen Menschen, die leidenschaftlich und leistungsbereit ihre Ziele im Leben verfolgen" - wie ein Bekenntnis zur Integration aller Menschen in die deutsche Gesellschaft liest sich das nicht gerade.
Dennoch ist überall davon zu lesen, dass die Aktion, die am dritten Spieltag der Bundesliga einem Massenpublikum vorgebracht werden soll, eine Initiative zur Integration sei, etwas, das an "Mein Freund ist Ausländer" erinnere oder gar anknüpfe. 
Paradigmenwechsel auf Trikotbrust angekommen
Heute, nach Jahren der Renationalisierung und Leitkulturalität weiß man: Kein Freund ist Ausländer - nein, wenn er ein wirklicher Freund sein will, so hat er sich eingedeutscht. Wenn er angekommen ist, wenn er erfolgreich ist, wenn er belegen kann, deutsche Lebensart angenommen zu haben, dann ist er freundschaftsfähig. Dahinter stecken auch Zweckdenken und ein ökonomisiertes Weltbild. Der Mensch aus der Fremde ist nicht der bedingungslos akzeptierte Freund, er ist jemand, der sich beweisen muss, der bestätigen muss, dass er einen Wert für die deutsche Gesellschaft birgt.
Es ist nicht so, dass dieses Weltbild gänzlich neu ist. Schon immer fragte man hierzulande, schon vor der Debatte zur Leitkultur, was der Ausländer, der nach Deutschland kommt, denn kann - was ihn befähigt hier leben zu dürfen. Gastarbeiter wurden kritisch beäugt, ob sie denn auch was leisteten, ob sie fleißig waren und nützlich. Das galt gerade in den Sechziger- und Siebzigerjahren als ganz normaler Beschau von Fremden. So vehement und aggressiv wie heute hat man dieses Weltbild jedoch nie vertreten. Heute geschieht das hinter freundlicher Fassade, der Ausländer ist ja auch bloß Migrant oder hat Migrationshintergrund, das klingt aufgeklärter, nachdem der Terminus "Ausländer" vom Stammtischgezeter so diskreditiert wurde, dass man ihn nicht mehr benutzen kann, ohne in rechtsextremen Ruch zu geraten.
Was dann ab den Achtzigerjahren hinter vorgehaltener Hand gesagt werden musste, weil es als nicht mehr gewollt abgestempelt war, weil durch das damalige politische Engagement der Bürger, durch Journalisten wie Wallraff und durch die postulierten Chancen der Multikulturalität, ein neues Bewusstsein im Umgang mit Menschen anderer Herkunft entstand, ist heute wieder bedingungslos salonfähig. Lange währte die Aufklärung ohnehin nicht, die Wiedervereinigung vernebelte manches Gehirn und machte das Wir sind wieder wer in der Welt! zum gedanklichen Leitmotiv vieler Deutscher. Multikulturalität ist heute kein Ziel mehr - Ziel ist das, was man Integration nennt, was aber Leitkultur meint. Und dieser Umgang mit deutschem Anleiten wird nachdrücklich vertreten und aggressiv umworben. Hierzu sind auch die Brüste von Fußballern recht.
In einer solchen Zeit...
Ob es denn besonders bedeutungsvoll ist, wenn die Bundesliga Stellung bezieht, ist natürlich streitbar. Es zählt die Absicht. Tut sie es, so wünscht man sich eigentlich ein Bekenntnis ohne Hintergedanken, ohne Wenn und Aber. Dass sie sich nun hergibt, die Parolen einer elitären Stiftung zu übernehmen, die für sich in Anspruch nimmt, etwas gegen Ausländerfeindlichkeit zu tun, während sie die Debatte mit ihrer Spaltungsrhetorik (nützlicher und weniger nützlicher Ausländer) verschärft, macht zornig und unterstreicht, wie tief die Leitkulturellen ins öffentliche Bewusstsein eingedrungen sind. Integratives Denken, sowieso nach der Leitkulturdiskussion der letzten Jahre als Begriff verunglimpft, ist deren "Geh' Deinen Weg" nicht.
Damals, als im wiedervereinigten Deutschland der nationale Überschwang mit Hass auf Ausländern koalierte, als in Rostock, Solingen und Mölln das Verbrechen von der Bevölkerung damit entschuldigt wurde, dass mit manchem jungen Deutschen schon mal die Gäule durchgehen könnten, wenn er in die Legionen von Fremden starrt, die zu uns kommen - damals reagierte der DFB mit "Mein Freund ist Ausländer". Nun leben wir in Zeiten, da wir vom Gedenken an jene Tage in Rostock-Lichtenhagen sprechen, bald jährt sich Solingen und Mölln; wir leben in einer Zeit, da wir wissen, dass der Hass sich organisiert und todbringend gegen ausländische Menschen richtete - und was fällt der Bundesliga anderes ein, als sich Slogans aufzupinseln, die nichts Entschädigendes, nichts Verbrüderndes, nichts Bekennendes aufwerfen! In Zeiten nach dem NSU-Töten sind nicht Ausländer auf Trikots genannte Freunde, sie sollen hingegen der Leitkultur beitreten - dann könnten sie unsere Freunde werden, wobei auch das falsch ist, denn in einer ökonomisierten Gesellschaft gibt es keine Freunde, sondern nur Geschäftspartner. "Ausländer sei Geschäftspartner" - das ist der eigentliche Wahlspruch, mit dem in einigen Tagen die Bundesliga wirbt.
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