Es ist ja nicht so, dass man es nicht irgendwie wüsste: Um uns herum herrscht Krieg. Im nahen Osten, im mittleren Osten, in Afrika, in Südamerika, es geht vermutlich schneller, die Länder aufzuzählen, in denen gerade alles friedlich zu sein schein. Als Demokratie- oder sonstige Hilfsexporte getarnt werden Waffen in alle Welt verkauft – und die werden dann natürlich auch benutzt. Wer keine Waffen braucht, der kauft auch keine. Auch wenn sich unsere ach so friedliebende, gemäßigte, zivile deutsche Bundesregierung immer schwer damit tut, das zuzugeben. Denn eigentlich will Deutschland ja sein menschenfreundliches Image wahren. Das ist aber schwer als Europameister in Sachen Rüstungsexporte. Und als Dritter im Weltmarkt (laut Zahlen von Sipri). Selbst im Irak-Krieg gingen ganze Züge voll deutscher Waffen in Richtung Bagdad – natürlich als landwirtschaftliches oder sonstiges ziviles Gerät deklariert versteht sich. Es gibt da viele Tricks. Unter anderem auch den, einen Krieg nicht als solchen zu bezeichnen – ich denke da nur an diesen treffenden Titanic-Cartoon aus zu-Guttenberg-Zeiten: “Papa, bewaffneter Konflikt ich ein Eis?”
Beim Stichwort “Gewalt im Kinderzimmer” kommen mir manchmal erschreckende Bilder in den Sinn.
Wir leben eben nicht in der friedlichsten Welt aller Zeiten, wie beispielsweise der kanadische Evolutionspsychologe uns in seinem 1200-Seiten-Epos “Gewalt – eine neue Geschichte der Menschheit” uns glauben machen möchte. Angesichts dessen, was in der Welt vor sich geht, erscheint dieser Gedanke geradezu absurd – gut, ich habe das Buch nicht gelesen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich nach der Lektüre überzeugt sein werde. Nicht, weil ich mir nicht wünschen würde, dass die Welt friedlicher wird – sondern weil ich zu genau weiß, dass das ein frommer Wunsch bleiben muss, solange Kapitalismus und Imperialismus herrschen. Denn solange wird es Krisen und Krieg geben – es geht gar nicht anders. Allein die Verteilungskämpfe um lebenswichtige Ressourcen wie Land, Wasser, Öl, seltene Erden und was immer gerade gebraucht wird, werden sich in absehbarer Zeit deutlich verschärfen.
Dass wir in einem vergleichsweise friedlichen Teil der Welt leben, ändert doch nichts daran, dass auch hier jeder Mensch jeden Tag Gewalt erfahren kann, und damit meine ich nicht nur durchaus noch übliche Prügel im Kinder- Schlaf- oder Wohnzimmer, den brutalen Autoverkehr, die Schläger in der U-Bahn oder prügelnde Polizisten bei der Demo. Der Zwang, seine eigenen Interessen ständig den Interessen der Wirtschaft, der Nation, dem Großen und Ganzen, wie auch immer es beschönigend bezeichnet wird, ist auch ziemlich gewaltig: Widerstand ist zwecklos. Und in anderen Teilen der Welt kommt dazu noch offene, nackte, “direkte” Gewalt, ob das nun marodierende Milizen, kriminelle Schlägertrupps, durchgeknallte Fanatiker oder sogar so genannte reguläre Truppen sind, die da Leute abschlachten, die aus welchem Grunde auch immer gerade auf der falschen Seite stehen.
Wie ich überhaupt darauf komme? In der jungen Welt las ich einen Artikel von Tomasz Konicz über neue Weltordnungskriege. Sehr interessant und aufschlussreich. Und das Schreckliche ist, dass es nicht gelingen wird, die “vom Weltmarkt verwüsteten Territorien im Zaum zu halten” wie Robert Kurz zitiert wird. Ich fürchte, dass sich die bisher friedlichste Epoche in der europäischen Geschichte dem Ende zuneigt. Und ich fürchte mich vor dem, was kommt.