Kein Bock mehr auf Wettbewerb

Von Modesty

Mit Leibesübungen wurde der Körper früher für den Kampf trainiert – heute dient Sport der Konditionierung auf den Wettbewerb. Und natürlich auch der persönlichen Fitness im Kampf aller gegen alle. Daher ist nachvollziehbar, dass die Briten derzeit von der Nachricht aufgeschreckt werden, dass die britischen Kinder kein Bock mehr auf sportlichen Wettkampf haben. Denn Großbritannien ist das Mutterland des Sports als Sport und nicht zufällig auch das erste Land indem sich der Kapitalismus in Theorie und Praxis durchgesetzt hat. Die kapitalistische Ideologie vom freien Spiel des Marktes, in dem es dann Gewinner und Verlierer gibt, aber am Ende halt der Bessere gewinnt, ist ja irgendwie auch Sport. Deshalb sagen Unternehmer ja auch gern: “ich sehe das sportlich”, wenn irgendein Herausforderer auf den Plan tritt. Aber diese Haltung ist offenbar in Gefahr – derzeit wachsen Kinder heran, die auf den Wettbewerb beim Sport gut und gern verzichten könnten!

Die Cricket-Stiftung Chance to Shine hat Schüler befragt und die Ergebnisse der Befragung in der Studie “It’s only a game? Competition in school sport under threat” veröffentlicht. Danach finden es 84 Prozent von den Tausend befragten Schulkindern zwischen 8 und 16 Jahren zwar irgendwie wichtig, die Erfahrung des Gewinnens und Verlierens zu machen, aber 64 Prozent sagen, sie würden erleichtert, glücklicher, jedenfalls nicht darüber beunruhigt sein, wenn der Wettbewerb keine Rolle mehr im Spiel haben würde.

Interessant auch, dass die Kinder durchaus schnallen, dass es bei ihren Eltern anders ist. 39 Prozent der Kinder gehen davon aus, dass die Eltern ihnen beim Sport vor allem deswegen zusehen würden. Es wurden auch 1000 Eltern befragt – hier sagen das aber nur 22 Prozent, vermutlich, weil sie tief im Innern wissen, dass man seinen Kindern auch einfach mal so beim Sport zusehen sollte. Aber rasante 97 Prozent der Eltern und 86 Prozent der Kinder sind der Meinung, dass es den Eltern eher um den Sieg im Sport geht als den Kindern. Das zeigt sich auch daran, dass für 71 Prozent der Eltern Stolz beim Siegen eintritt, bei den Kindern es aber nur 62 Prozent.

Diese blöden Gören von heute wollen beim Sport einfach nur Spaß haben. Das bringt eine Nation natürlich nicht weiter – weshalb das Gejammer auch so groß ist und etwa der Telegraph schon unkt, dass Großbritannien einen Wettbewerbsvorteil verliert – eben den sportlichen Ehrgeiz seiner Bevölkerung. Allerdings kann ich das nicht so richtig schlimm finden. Zwar nervt es mich auch, wenn meine eigenen Kinder angesichts meiner Vorträge, sie mögen doch bitte mal ein bisschen mehr Ehrgeiz entwickeln, um im täglichen Überlebenskampf auch irgendwann selbst mal eine Chance zu haben, mit “Ey, chill mal, Mama!” reagieren.

Andererseits fände ich es total sympathisch, wenn eine Generation mal kollektiv sagen würde: “Ihr könnt uns mal mit eurem Wettbewerb! Wir chillen lieber, hängen mit Freunden ab und haben Spaß!” Denn denn aller-allergrößten Teil von dem Schnulli, der im sportlichen Wettbewerb der Kapitalisten untereinander produziert wird, braucht ohnehin kein Mensch. Aber noch gibt es zu viele Tigermamas auf der Welt. Vielleicht kann man die ja zuerst an die Front schicken. Egal an welche.