Kaufrausch

Samstagvormittag ist für „Meinen“ und die Kinder Brockenstubenzeit. Wann immer sie es sich einrichten können, ziehen sie los, um eine Brockenstube nach der anderen abzuklappern. Bevor ich nun weiter erzähle, muss ich noch kurz erklären, was eine Brockenstube ist. Denn unser ehemaliges Au Pair, das ja bekanntlich aus Deutschland stammt, hat uns gesagt, dass es so etwas in Deutschland nicht gibt. Also, eine Brockenstube ist ein Ort, an dem alles verkauft wird, was die Leute nicht mehr brauchen und dennoch nicht wegwerfen wollen: Alte Möbel, Kleider, Bücher, Schallplatten, Spielsachen, Küchenutensilien, Schmuck, Fahrräder, Geschirr, Blumenvasen, Rasierapparate,… einfach alles, was zu schade ist, um wegzuwerfen. Dinge, die neu genug sind, damit man sie noch brauchen kann aber noch nicht alt genug, um zu den Antiquitäten gezählt zu werden. In der Brocki, wie wir das auch nennen, nehmen sie fast alles und verkaufen es dann zu Spottpreisen.

Eigentlich eine gute Sache, nur für mich aus zwei Gründen nicht der Ort meiner Träume. Erstens büsse ich als Asthmatikerin jeden Ausflug ins Reich des alten Krimskrams mit einem heftigen Anfall und zweitens bin ich das jüngste von sieben Kindern und als solches habe ich mit so viel altem Kram gespielt, dass für mich beim Shoppen die versiegelte Verpackung, das Styropor, die Gebrauchsanweisung und all die unsäglichen Folien, Drähte und Schrauben, die das Zeug in der Verpackung halten sollen, fast wichtiger sind als der Gegenstand, den ich erstanden habe. Die Brocki ist also nichts für mich und deshalb bleibe ich zu Hause, wenn die anderen stöbern gehen.

Heute hatte auch der Zoowärter keine Lust, mitzugehen und so blieb ich mit ihm und dem Prinzchen – der in seinem Wahn, jedes Regal auszuräumen, nicht Brocki-tauglich ist – zu Hause. Nach einer Stunde kamen die anderen zurück, schwer beladen mit bemalten Schälchen, einem Buttergeschirr, luftigen Foulards und zwei Afrikanischen Holzspeeren.  Als der Zoowärter die Speere sah, heulte er los. So unfair, dass seine Brüder so etwas Schönes bekommen und er nicht. Als er erfuhr, dass es in der Brocki noch einen dritten Speer hat, wurde das Geheul lauter. Der Zoowärter wollte diesen Speer und zwar jetzt, sofort. Aber jetzt, sofort wollte „Meiner“ nicht noch einmal in die Brocki fahren, also musste ich in den sauren Apfel beissen. Denn in der Brocki, so muss man wissen, muss man sofort zugreifen, da man nie sicher sein kann, ob nicht ein anderer Kunde einem das begehrte Stück wegschnappt.

Also fuhren wir los, der Zoowärter, Luise und ich. Die Kinder begeistert, ich nur widerwillig. Damit wir so bald als möglich wieder aus dem staubigen Loch entfliehen könnten, schickte ich Luise los, um den dritten und letzten Speer zu holen. Währenddem ich auf sie wartete, schaute ich mich um und was erblickte ich da, inmitten des ganzen Krams? Den Tischgrill für mexikanisches Essen, den ich schon oft sehnsüchtig im Katalog angeschaut hatte, ihn aber nie gekauft hatte, weil er mir einfach zu teuer war. Ich schaute mir das Ding näher an, sah, dass es wohl noch nie gebraucht worden war und dass es für gerade mal 29 Franken zu haben war. Was sollte ich bloss tun? Mein Stolz sagte mir, dass ich unmöglich in der Brocki einkaufen könne, wo ich doch seit Jahren verkünde, dass das nichts für mich sei. Wäre es nicht schrecklich peinlich, wenn ich „Meinem“ gestehen müsste, dass ich schwach geworden war? Auf der anderen Seite war das Ding ja tatsächlich noch neu, auch wenn die versiegelte Verpackung, das Styropor, die Gebrauchsanweisung und all die unsäglichen Folien, Drähte und Schrauben, die das Zeug in der Verpackung halten sollen fehlten. So eine Gelegenheit konnte ich mir einfach nicht entgehen lassen. Schliesslich obsiegte mein Wunsch, das Gerät zu besitzen und ich schnappte es mir.

Und dann gab es kein Halten mehr. Ich holte mir einen Einkaufswagen, der schon bald mit Gratinformen, einer handbemalten Kuchenplatte und  einer fast neuen Eismaschine für nur 9 Franken beladen war. So langsam wurden die Kinder ungeduldig, aber ich wollte „nur noch mal schnell dort hinten in der Ecke beim Geschirr nachsehen“ und dann noch dort drüben bei „diesen wunderschönen alten Spielsachen“ und dann „vielleicht noch kurz bei den Lampen aber dann gehen wir bestimmt nach Hause“. Wo ich schon mal da war, musste ich mich doch umsehen. Man wusste ja nie, ob ich nicht noch auf die eine oder andere Trouvaille stossen würde.

Nun, es blieb bei den Dingen, die im Wagen lagen, denn irgendwann machten der Zoowärter und meine Bronchien nicht mehr mit. Auf dem Heimweg überlegte ich mir krampfhaft, mit welcher Ausrede ich mich zu Hause für meinen Kaufrausch rechtfertigen sollte. Was aber gar nicht nötig war, weil „Meiner“, der bei seinem Besuch weder den Tischgrill noch die Eismaschine gesehen hatte, beinahe erblasste vor Neid, dass ausgerechnet ich mit einer solchen Ausbeute nach Hause kam.

Kaufrausch



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