Die neunzehnjährige Jazz hat es nicht leicht. Sie leidet am Asperger-Syndrom, kann dadurch Metaphern nicht verstehen, Mimiken nicht lesen und ordnet alles Zahlen und Zahlenfolgen zu. In der "normalen" Welt kommt Jazz daher eher schlecht zurecht, hat keine Freunde, keine richtige Zukunft - ganz im Gegensatz zu ihrer Zwillingsschwester Danika, die viele Freunde hat und gerne Deutschlands neuer Superstar werden will. Doch dann wird Jazz' Familie in den Strudel eines perversen Serienkillers abgesehen. Sie selbst kann ihm nur knapp entkommen, aber ihre Mutter und Danika hatten nicht so viel Glück. Nun versucht Jazz mit der Hilfe von Polizist Joshua herauszufinden, wer es da auf ihre Familie und ihr eigenes Leben abgesehen hat und entdeckt dabei viele düstere Geheimnisse aus der Vergangenheit ihrer Mutter.
Ohne lange zu Fackeln zieht Katja Montejano den Leser in ihrem Debüt-Krimi hinein. Man ist sofort in der Geschichte drin und auch der Überfall auf Jazz lässt nicht lange auf sich warten. Dabei wechselt die Perspektive immer wieder zwischen Jazz, die verzweifelt versucht sich und ihre Familie zu retten und der Sicht des Täters, der seinen perversen Racheplan zwar bis in kleinste Detail aber auch Rückschläge einstecken muss. Mir hat diese schnelle Erzählweise insgesamt sehr gut gefallen. So hat man die "Action" beim Lesen sofort gefühlt. Besonders haben mir ehrlich gesagt, die Kapitel mit dem Täter gefallen. Klingt vielleicht komisch - aber ich hatte beim Lesen richtig das Gefühl seine bösen Augen zu sehen und seinen Hass zu spüren.
Mit Jazz wurde ich dagegen nicht ganz so warm. Vielleicht lag es daran, dass sie Asperger hat und deshalb eh sehr unnahbar geschildert wurde. Meiner Meinung nach hätte es der Geschichte eher geholfen, wenn Jazz vielleicht nicht ganz so "abgeschottet" gewesen wäre. Dann hätte man beim Lesen vielleicht als Gegenüber zu den starken Hass-Gefühlen des Täters auch noch die intensive Angst von Jazz gespürt. So blieb dieses Gefühl leider bei mir aus.
Mir persönlich hat auch die "Liebesgeschichte" zwischen Jazz und Joshua (schon die Namenskombination kommt etwas kitschig daher) nicht so wirklich gefallen. Besonders ihre Sex-Szene fand ich ziemlich holprig geschrieben. Und überhaupt hätte es der Geschichte keinen Abbruch getan, wenn dieser Handlungsstrang weggelassen worden wäre. Mir war das irgendwie zu viel. Es wirkte auf mich so, als ob hier unbedingt ein bisschen Romantik als Gegenpol zu dem brutalen Serientäter eingebaut werden sollte. Dass Joshua dann auch noch eine kranke Mutter hat, unter deren Krankheit er leidet und quasi seelischen Beistand braucht, war dann irgendwie noch das I-Tüpfelchen auf dem Schnulzenberg.
Insgesamt finde ich Zerrspiegel aber einen tollen Start in Montejanos Krimi-Karriere. Ich hätte mir manchmal etwas mehr Charaktertiefe bei Jazz gewünscht und ein paar ausführlichere Schilderungen anstatt der Liebesgeschichte. Aber alles rundum den brutalen Täter fand ich sehr packend geschildert. Da übersieht man auch die zwei, drei Tippfehlerchen gerne.
LG Cat