Katie Melua hat Teile eines langen Interviewtages hinter, den Rest noch vor sich. Es ist Freitag der 13. und die Sängerin ist sehr gut gelaunt, kichert zwischendurch immer wieder und beim leisesten Ansatz eines Kompliments entfleucht ihr ein süß-geschmeicheltes «Oah», bei dem sie vermutlich den Kopf etwas schüchtern zur Seite legt. Wir telefonieren.
Hallo Katie, heute ist Freitag der 13. Bedeutet das Glück oder Pech für dich?
Katie Melua: Mein Papa hat immer gesagt, dass ihm die 13 sehr viel Glück bringt. Deshalb bleibe ich bei seiner Version. Der Tag bedeutet Glück.
Ist dir an einem Freitag, dem 13. schon mal irgendwas passiert?
Melua: Nein, um ehrlich zu sein, noch nichts Konkretes.
Bist du abergläubisch?
Melua: Ein bisschen. Meine Mutter hat mir immer davon abgeraten, bei Klamotten das Label herauszuschneiden oder etwas zu nähen, während man sie trägt. Das bringt Pech.
Hast du vor Auftritten ein Ritual?
Melua: Ich verbringe gern eine halbe Stunde vorher mit der Band. Das ist wirklich wichtig. Wir hängen einfach rum, sprechen über dies und das und reißen Witze. Das verbindet. Und wir trinken was.
Alkohol vorm Auftritt?
Melua: Ja, aber maximal ein Glas Wein.
Mit Secret Symphony bringst du dein fünftes Album heraus. Hat sich ein Ritual eingeschlichen, bevor du ins Studio zur Aufnahme gehst?
Melua: Auch nicht. Ich wärme nicht mal meine Stimme auf. Ich will einfach loszulegen und aus dem Singen keine große Aufgabe oder harte Arbeit zu machen. Singen ist die Kommunikation eines Songs und auch der Text ist so richtig, wie er gerade aus dir herauskommt. Man muss sich dafür nicht aufwärmen, weil es die emotionale Ehrlichkeit ist, die zählt.
Mit schlechter Laune gehst du also nicht ins Studio?
Melua: Auf keinen Fall. Aber ehrlich gesagt, würde ich wahrscheinlich gute Laune kriegen, sobald ich ins Studio komme.
Zurück zum Aberglauben: Könnte es nicht sein, dass deine Plattenfirma dein Glücksbringer ist?
Melua: (scheint von dieser Idee entzückt) Oah.
Vor zehn Jahren hast du den Vertrag mit Dramatico unterschrieben. Andere Künstler, mit deinem Erfolg hätten längst zu einem Majorlabel gewechselt. Warum du nicht?
Melua: Weil die Leute, mit denen ich arbeite, fantastisch sind. Ich liebe sie. Der Kopf des Labels ist Mike Batt, der auch mein Produzent und Manager ist. Wir haben eine großartige Arbeitsbeziehung. Natürlich gibt es auch Meinungsverschiedenheiten, aber zum Schluss sind wir uns immer einig, weil wir die gleiche Vision und harte Arbeitsmoral haben.
Aber klopfen nicht ständig die Majorlabels an und offerieren dir große Geldsummen?
Melua: Klar, aber es geht nicht immer nur um Geld.
Für das neue Album wolltest du eigentlich keinen Song selbst schreiben. Was ist denn so toll daran, nur die Lieder anderer zu singen?
Melua: Wenn du die Songs von anderen Leuten singst, musst du wirklich nur singen. Das ist ein einfacherer Prozess. Ich schreibe zwar sehr gerne Lieder, aber es ist sehr schwierig für mich und emotional ermüdend. Die Songs sollten schon existieren und ich wollte sie nur interpretieren. Das finde ich irgendwie natürlicher, denn ich wollte eine sehr ursprüngliche Platte machen.
Aber dann hast du doch deine eigenen Songs geschrieben …
Melua: Ja, und genau weil ich es von Anfang an nicht wollte, kamen auch die ganz natürlich. Forgetting All My Troubles ist einer der Songs. Es geht ums Finden von Glück und Liebe und sich dabei auch der Schwierigkeiten der Vergangenheit bewusst zu sein und immer weiterzumachen.
Auf Secret Symphony singst du wieder mit Orchester. Du hast gesagt, dass es das größte Gefühl für dich ist. Aber ist es nicht auch mehr Druck? Immer wenn du einen Fehler machst, müssen 30 Leute alles noch mal von vorn spielen.
Melua: Das Orchester produziert den emotionalsten Klang, das ist so bewegend, deshalb liebe ich es, mit dem Orchester zu singen. Sie sind wie der Wind, der dich trägt. Es ist einfach nur schön und atemberaubend. Wenn du die ganze Zeit nur darauf achtest, keinen Fehler zu machen, ist das nur nervenaufreibend. Deshalb muss man das ganz entspannt sehen.
Hast du einen Lieblingssong auf der neuen Platte?
Melua: Ich liebe The Cry Of The Lone Wolf, den Song habe ich mit Mike geschrieben. Er ist bluesig und erinnert an amerikanischen Folk. Einen Musikstil, den ich großartig finde.
Der Titeltrack Secret Symphony ist im Zusammenspiel deiner Stimme mit dem Orchester ein sehr emotionaler Song, der einen gut und traurig zugleich fühlen lässt.
Melua: Oah.
Warum gibt es bei Liebesliedern meist diese zweite Ebene? Warum kann man nicht einfach ein fröhliches Liebeslied machen?
Melua: Secret Symphony ist doch ein fröhliches Liebeslied. Aber wir wollen beim Zuhören bewegt werden. Diese Musik soll auch den Schmerz der Liebe und die gebrochenen Herzen erklären können.
Und wessen Musik erklärt deine Gefühle am besten?
Melua: Ich liebe Both Sides Now von Joni Mitchell. Dieser Song beschreibt das Leben auf die schönste Art und Weise. In My Secret Life von Leonard Cohen …
Das hast du auch gecovert.
Melua: Stimmt. Er hat den besten Weg gefunden, Gefühle in Worte zu fassen. Bridge Over Troubled Water von Paul Simon ist einfach atemberaubend.
Bei dieser Aufzählung sind keine aktuellen Songs dabei.
Melua: Video Games von Lana Del Rey ist toll oder alles auf dem Album High Violet von The National. Ich habe sie in der Brixton Academy in London gesehen, wo sie eine Akustik-Version von Vanderlyle Crybaby gemacht haben. Das war brillant.
Bist du in Kontakt mit den Künstlern, deren Musik du coverst?
Melua: Manchmal. Ron Sexsmith mag meine Version von Gold In Them Hills. Das finde ich toll. Auch Robert Smith von The Cure hat sich bei mir gemeldet.
Und was sagt er zu deiner Interpretation von Just Like Heaven?
Melua: Er meinte, dass er das Lied genau so im Kopf hatte, als er es geschrieben hat. Genau so sollte Just Like Heaven klingen.
Schreibst du viele Songs, die es nie an die Öffentlichkeit schaffen?
Melua: Viele, die keine Single werden, landen als B-Seite auf einer CD. Oftmals kommen sie also irgendwie ans Tageslicht. Manchmal gehen Mike und ich Jahre später durch die Song-Schublade und lachen uns kaputt, wie schlecht andere sind.
Du hast ein Konzert unter dem Meer gespielt und sagst, du magst Konzerte an ungewöhnlichen Orten. Bist du furchtlos?
Melua: Ja, das sagen Leute tatsächlich über mich. Aber so sehe ich das nicht. Ich liebe es einfach, Konzerte an komischen Orten zu geben, weil ich danach darüber reden kann. Wenn du nicht ab und an was Individuelles machst, verschwimmen die Erinnerungen an alle Konzerte zu einer Masse.
Hattest du wirklich keine Angst, 369 Meter unter dem Meeresspiegel?
Melua: Nein, ich liebe das Tauchen und alles, was mit Meer zu tun hat.
Im Sommer bist du in Deutschland auf Tour. Was wird das Individuelle sein?
Melua: Ich werde zum ersten Mal das neue Album spielen. Das ist schon sehr individuell. Es ist immer besonders für mich, nach Deutschland zu kommen, denn ich fühle mich hier sehr willkommen.
Eine Tulpensorte wurde nach dir benannt, du stehst im Guinness Buch der Rekorde, deine Platten sind erfolgreich. Was ist dein großes Ziel im Leben?
Melua: Oh Gott, schwierige Frage. Weiter Musik zu machen, die Leute inspiriert und berührt. Wenn ich das machen kann, bis ich 50 oder 60 bin, wäre das großartig.
In zwei Jahren wirst du erstmal 30. Denkst du schon ans nächste Jahrzehnt?
Melua: Nein, ich versuche mir selbst vorzutäuschen, dass ich nicht 30 Jahre alt werde. 28 ist schon groß genug für mich. (lacht)
Wie hast du dir als Kind dein Leben mit 30 vorgestellt?
Melua: 30 war für mich so alt, dass ich mir gar nichts vorgestellt habe. Jetzt stelle ich mir jemanden vor, der noch mehr Platten machen wird und vielleicht eine Familie hat.
Katie Melua ist eine britische Sängerin, deren Eltern aus Georgien stammen. Ihren internationalen Durchbruch schaffte die 28-Jährige bereits mit ihrem ersten Album Call Off The Search. Noch mehr Aufmerksamkeit bekam ihre zweite Platte Piece By Piece mit der Single Nine Million Bicycles. Die Sängerin lebt in London. Im Sommer und Herbst kommt sie für elf Konzerte nach Deutschland.
Künstler: Katie Melua
Album: Secret Symphony
Plattenfirma: Dramatico
Erscheinungsdatum: 2. März 2012
Quelle:
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Katie Melua – «Musik soll gebrochene Herzen erklären»