Auf einen Kaffee / Foto: Christoph Baumgarten
WIEN. (hpd) Die Erzdiözese Wien setzt zu einem Kahlschlag bei ihrer Infrastruktur an – der nicht so heißen darf. Pfarren, vor allem in der Stadt, werden zusammengelegt. Kirchen werden geschlossen. Die Lage dürfte weitaus schlimmer sein, als offiziell kolportiert.Vergangener Sonntag, halb elf Uhr Vormittag. Die Messe in der Kirche Maria Namen in der Hasner Straße im Wiener Gemeindebezirk Ottakring muss vor wenigen Minuten zu Ende gegangen sein. Eine ältere Dame, offenbar auf dem Heimweg, grüßt den zufällig vorbeikommenden Kolumnisten freundlich aber ostentativ mit “Grüß Gott”. Auf dem kleinen Platz vor der Kirche stehen vielleicht zehn Menschen, auffällig gut gekleidet für die Gegend und die Uhrzeit, und verabschieden sich.
Teil der Gruppe, die sich rasch auflöst, ein Paar mit Kleinkind im Kinderwagen. Er Mitte 30, sie in den späten 20-ern. Alle anderen sind sichtbar schon länger in Pension. Das durchschnittliche Alter dürfte, das Kleinkind eingerechnet, kaum wesentlich unter 70 liegen. Das mediane Alter (die Hälfte der Gruppenmitglieder ist jünger, die Hälfte älter) liegt mit Sicherheit jenseits der 70.
Kaum hundert Meter weiter sieht man zwei kleinere Gruppen zu jeweils drei Menschen im gleichen Alter, ähnlich gekleidet. Eine ältere Dame geht auf Krücken. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ebenfalls Messbesucher. Ansonsten gibt es in der näheren Umgebung keinen Ort, an dem sich ältere Menschen gruppenweise treffen würden. Die nächste Aida (Wiener Konditoreikette, Anm.) ist um die zehn Gehminuten entfernt.
Allerhöchstens 60 Messbesucher
Wahrscheinlich stehen noch einige in der Kirche und unterhalten sich mit dem Pfarrer. Einige werden einen anderen Heimweg genommen haben als über die Kreuzung, die der Kolumnist einsehen kann.
Geht man gnädigerweise davon aus, dass Kolumnist nur die Hälfte oder gar nur ein Drittel der Messbesucher gesehen hat, wie sie nach dem Gottesdienst plaudern oder sich auf den Heimweg machen, macht das höchstens 40 bis 60 Kirchgänger an diesem Sonntag.
Umstände, die die Menschen in Scharen abgehalten hätten, zur Kirche zu gehen, gibt es nicht. Es ist ein ausgesprochen warmer Februarvormittag.
Auch in der Nachbarspfarre kein Massenansturm
Wahrscheinlich war es in der nächst gelegenen Kirche in der Neulerchenfelder Straße, kaum einen Kilometer Gehdistanz entfernt, besser. Dort werden polnische Messen gelesen. Erstaunlicherweise immer noch. Das spätbarocke Gebäude soll auf Wunsch der Erzdiözese demnächst an die serbisch-orthodoxe Kirche übergeben werden. Nach jahrelangem Widerstand der Pfarrmitglieder.
Nur, Massenaufläufe sind auch aus dieser heftig umstrittenen Kirche keine überliefert. Auf gelegentlichen sonntäglichen Spaziergängen gewann auch der Kolumnist nie den Eindruck, die Kirchgänger dort müssten fürchten, keinen Sitzplatz zu finden.
Eine Schätzung, wie viele Menschen die Sonntagsmesse in der Pfarrkirche Neulerchenfeld besuchen, traut sich der Kolumnist nicht zu. Nur so viel: Es liegt mit Sicherheit weit unter den 320 Messbesuchern, die gemäß der Zahlen der Erzdiözese Wien durchschnittlich auf jede Kirche in der Bundeshauptstadt kommen müssten.
An der gemeinsamen Fronleichnamsprozession der beiden Kirchen vergangenes Jahr haben – nach einer Schätzung des Autors – bestenfalls 50 Menschen teilgenommen. Das katholische Leben in diesem Arbeiterbezirk liegt darnieder. Und nicht nur hier.