Ihre tragische Lebensgeschichte prägt ihr Lebenswerk. Die bildende Künstlerin Käthe Kollwitz gibt dem Grauen Gestalt.
Foto: AkkonTG - Own work. Licensed under CC BY-SA 3.0Käthe Kollwitz ist ein tragisches Genie. Ihre künstlerische Größe als eine der bedeutendsten Grafikerinnen und Bildhauerin des 20. Jahrhunderts erwächst aus dramatischen persönlichen Schicksalsschlägen: In ihren eindrucksvollen Plastiken und Skulpturen verarbeitet sie den Soldatentod ihres Sohnes Peter und die Schrecken des Zeitalters der beiden Weltkriege, die sie prägen. Eine neue Biografie zeigt, wie eng Lebensgeschichte und Lebenswerk von Käthe Kollwitz miteinander verwoben sind.
Käthe Kollwitz Biografie
Eigentlich fängt alles ganz frohgemut an: Käthe Kollwitz ist eine der neuen Frauen, die an der Jahrhundertwende ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen. Schon sehr früh weiß sie, was sie will und sie weiß auch, wie sie es bekommen kann: "Ich konnte brüllen, dass es unerträglich war", vertraut die spätere Künstlerin von Weltrang ihrem Tagebuch an, "einmal erschien sogar der Nachtwächter, um nachzusehen." Das sagt viel aus über die Zeit, in der Kollwitz aufgewachsen ist. Noch achtet man auf Ruhe und Ordnung. Es ist die Ruhe vor einem Jahrhundersturm.
Geboren ist sie 1867 in Königsberg, dort wo sei Jahrhunderten die preußischen Könige gekrönt werden. Unter preußischer Führung kämpft sich Deutschland in diesen Jahren seiner nationalstaatlichen Einigung entgegen. Die darauffolgenden vier Jahrzehnte des Friedens, der boomenden Wirtschaft und des wachsenden Wohlstandes sind auch für Kollwitz gute Jahre: Sie will unbedingt Künstlerin werden, schafft es an die Damenakademie des Vereins der Berliner Künstlerinnen, studiert dort erfolgreich, sie pflegt Umgang mit berühmten Denkern und schwärmt für vor allem für den Schriftsteller Gerhard Hauptmann. Sein Drama Die Weber inspiriert sie zu einer eigenen Lithographie. Schon diese ersten künstlerischen Ausrufezeichen sind von düsterer Melancholie durchzogen. In ihrem anderen Leben heiratet Käthe Kollwitz einen Arzt. Die große Liebe ist es wohl nicht, was sie mit Karl verbindet; eher sind es die beiden Söhne. Trotzdem: Man achtet und respektiert sich.
Foto: Robert Sennecke (1885-1940) - Österreichische Nationalbibliothek, Objekt #80802. Lizenz: Bild-PD-altDann zieht Europa mit fröhlichem Hurra in den Ersten Weltkrieg. Wie sie so viele Künstler lässt sie sich von Begeisterung anstecken. Ihr Sohn Peter ist noch nicht volljährig und bittet darum, sich freiwillig melden zu dürfen. Käthe Kollwitz überredet den Vater um die nötige schriftliche Erlaubnis. Der Wisch ist ein vorgezogenes Todesurteil. Peter fällt schon in den ersten Kriegstagen. Das Werk der Kollwitz hatte sich schon bis dahin mit menschlichem Leiden befasst. Jetzt wird sie zur Kriegskünstlerin, die ihren eigenen Schmerz in ihrem Schaffen verewigt. Vorbei ist es mit der Hoffnung, die ausnahmsweise nicht zuletzt stirbt. Käthe Kollwitz überlebt sie um einen weiteren Weltkrieg. Ende 1945 stirbt sie gebrochen, vereinsamt und verarmt im völlig ausgebombten Dresden.
Biografie-Besprechung
Künstlerbiografien sind schwierige Angelegenheiten. Entweder werden sie Kunsthistorikern oder entsprechenden Fachleuten vorgelegt. Dann kommt nicht selten eine hochspezialisierte Werkgeschichte heraus. Das ist hier nicht der Fall. Die Biografien Sonya und Yury Winterberg sind profunde Zeitgeschichtler. Sie wissen um historische Zusammenhänge kennen die wichtigsten Zeitgenossen. Eine solche Biografie könnte dann beispielsweise heißen: Käthe Kollwitz in ihrer Zeit. Das wäre ein guter, weil passender Untertitel gewesen. Pointiert wird hier eine Parallelgeschichte erzählt: Käthe Kollwitz' Werdegang sowie Aufstieg und Fall des Deutschen Reiches. Der Untertitel "Die Biografie" ist dagegen zu hoch gehängt: Dafür wird das künsterische Schaffen zu wenig erklärt und kommentiert. Man hätte sich beispielsweise gewünscht, mehr Hintgergründe über Techniken und Arbeitsstil von Käthe Kollwitz zu erfahren. Gleichwohl ist das Buch seine Lektüre wert, weil es einen wertvollen Beitrag zur Erinnerungskultur an das Zeitalter der Weltkriege leistet.