[Erstveröffentlichung: 26. August 2009]
Der komplette Titel des Buches ist: “Gott ist mit den Furchtlosen; Schirin Ebadi – die Friedensnobelpreisträgerin und der Kampf um die Zukunft Irans” – zu lang, um in die Überschrift zu passen.
Das ist das zweite Buch innerhalb weniger Tage, das ich von der Autorin, Katajun Amirpur, las. Allerdings ist dieses eigentlich das Erste; erschien doch “Schauplatz Iran” ein Jahr später.
Es gibt große Ähnlichkeiten bei beiden Büchern: finden sich doch fast das komplette Schlusskapitel des Iran-Buches auch in diesem hier. Allerdings – so meine Vermutung – stellte die Autorin fest, dass beim Lesen der Ebadi-Biographie viele Fragen offen bleiben (mussten) und deshalb das zweite Buch “nachschieben” musste.
In der Rezension auf Amazon schreibt ein Leser:
Nach der Lektüre von “Schauplatz Iran” und diesem Buch bin ich zu einem grossen Fan von Katajun Amipur geworden. Mir gefällt ihr journalistischer Stil, der einen leichten Zugang zum Thema Iran ermöglicht. Außerdem schafft sie ein ganz anderes viel differenziertes Bild von diesem Land, von dem uns sonst Presse und Fernsehen meines Erachtens ein ganz falsches Bild zeichnet. Dies ist sicher nicht das letzte Buch von Katajun Amipur, das ich mir gekauft habe. (Quelle: Amazon)
Dem stimme ich grundsätzlich zu. Und ich habe mir auch bereits das neue, noch nicht erschienene Buch von ihr “Unterwegs zu einem anderen Islam: Texte iranischer Denker” sowie “Der Islam am Wendepunkt” bestellt.
Wenn ich etwas zu kritisieren habe, dann, dass Amirpur all die angesprochenen notwendigen Änderungen am System Irans aus einer sehr islamischen Sicht beschreibt; so wie sie Shirin Ebadi ebenfalls in dieser Art interpretiert. Nun liegt allerdings als Lektüre Ebadis Autobiographie bereit – ich werde dann erst sagen können, ob das eine Sicht von Shirin Ebadi ist oder die von Katajun Amirpur.
Ich kann natürlich verstehen, dass in einem Land, das die Religion zum Exzess getrieben hat, ein Kampf mit den gleichen Waffen möglicherweise sinnvoller ist als meine sehr säkularen Ansichten davon, wie eine Demokratie zu funktionieren hat oder wenigstens: funktionieren könnte.
Denn wenn Amirpur darüber schreibt, dass es immerhin auch Frauen gibt, die hohe Ämter in der Islamische Republik inne haben und dann aber darüber berichtet, dass es sich um zum Beispiel die Tocher Ayatollah Chomeini’s handelt (Zahrar Mostafawi) oder Fateme Heschemi, die Tochter des ehemaligen Staatspräsidenten Rafsandschani (der aktuell gestern wieder systemkonform wurde – Schande auf sein Haupt!), dann tut sie sich keinen Gefallen.
Aber das kann an meiner Sicht der Dinge liegen. Habe ich doch ein Problem mit solchen Aussagen:
Faeze Haschemi [eine weitere Tochter Rafsandschanis und Leiterin der iranischen Organisation für Frauensport und stellv. Vors. des NOK] erregte Aufsehen, als sie im Jahre 1993 die erste islamische Frauenolympiade organisierte… Da der männlichen Öffentlichkeit der Zutritt verwehrt bleibt, können die Frauen in ganz normaler Sportkleidung antreten: also kein Hürdenlauf im Tschador. (Seite 69)
Für mich ist das eher ein viel zu starkes Entgegenkommen einem unmenschlichem System gegenüber. Doch schreibt Amirpur dann auch darüber, dass der Sport für die Frauen ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Emanzipation ist.
Diese Sichtweise kann ich tolerieren; teilen kann ich sie definitiv nicht.
Dieses Regime gehört abgeschafft! Der Wächterrat in die Wüste geschickt und vergessen.
Es fällt mir schwer. Amirpur und Ebadi zu folgen, wenn sie “den Islam neu interpretieren wollen”, um daraus Menschenrechte (insbesondere auch Frauenrechte) ableiten zu können. Eine Schrift, in der geschrieben steht, dass Frauen nur halb so viel wert sind wie Männer… da gibt es nicht sonderlich viel zu interpretieren; auch nicht neu zu interpretieren. Meiner Meinung nach.
Schon allein die Tatsache, dass Menschen überhaupt gewichtet und gewertet werden, verstößt für mich gegen das Menschenrecht.
Allerdings muss ich natürlich sagen, dass in einem Land, in dem Ayatollah Chomenis Worte noch immer gelten, andere Regeln auch des Widerstandes gelten (müssen). So schreibt Amirpur:
Dessen [Chomeinis] Menschen- und Gottesbild geht davon aus, dass nur einer Rechte hat, nämlich Gott. Der Mensch hat keine Rechte – vor allem hat er sich nicht allein aufgrund der Tatsache, dass er ein Mensch ist.
[...]
Nach Chomeinis Auffassung muss sich jeder Mensch dem Wohl der Allgemeinheit, d.h. der islamischen Gemeinde … unterordnen.
[...]Wer über die Muslime herrscht, muss sich immer am öffentlichen Wohl und Interesse orientieren und persönliche Gefühle außer Acht lassen. Deshalb ordnet der Islam die Individuen den kollektiven Interessen der Gesellschaft unter und hat zahlreiche Gruppen ausgelöscht, die eine Quelle der Korruption und des Schadens der menschlichen Gesellschaft waren. (Ayatollah Chomeini)
Diese Argumente bestimmen auch heute noch den iranischen Diskurs zum Thema Menschenrechte. (Seite 108 f)
Es zeigt sich in diesem Zitat, wie unglaublich schwierig es sein wird, Iran zu demokratisieren. Und dass das nicht unbedingt dem westlichen Verständnis von Demokratie entsprechen muss. Sondern Iran einen eigenen Weg finden muss. Der Anfang ist getan. Und für dieses verdammenswürdige Mullah-Regime beginnt das Ende.
Nic