Karriere: Immer mehr Weicheier, Jasager und Prinzipienreiter sind heutzutage Führungskräfte ?

Von Gerd Bewersdorff @derallrounder

Am Ende machen immer die Falschen Karriere. Die Braven, die Ja-Sager, die Systemtrottel – die Weicheier. Die Leistungsträger bleiben übrig. Ausgerechnet sie, die eigentlich die ganze Arbeit machen.

Auweia, immer diese Schleimer! Das vergrault sogar die Katze. Bild Allrounder

Ein Gefühl, das viele Menschen von ihrem Arbeitsplatz kennen, und das trotzdem nur wenige anzusprechen wagen. Zu leicht würden sie in die Rolle der Jammerer geraten. In die Rolle der Verlierer, die es halt nicht geschafft haben und jetzt auf jenen herum hacken, die um den entscheidenden Tick besser waren… 

Karriere machen die Weicheier

Doch die Wahrheit ist: Es stimmt. Immer öfter machen Weicheier statt Leistungsträgern Karriere. Und das hat einen Grund.
Das leistungs- und erfolgsorientierte Klima, das noch in den Achtziger- und Neunzigerjahren in der Wirtschaft herrschte, von der Politik durch Liberalisierungen genährt, ist gekippt. Seit 9/11 dominiert die Angst. Ausgehend vom Amerika unter George W. Bush entstand ein Klima der Verunsicherung, und daraus folgend der Regulierungen und der Kontrollen.
Die westlichen Staaten verwandelten sich mit ihren wuchernden Gesetzen in Kontrollstaaten, und aus den großen Konzernen wurden Kontrollkonzerne mit Wälzern voller Compliance-Regeln. Es entstand ein System, in dem nicht Mitarbeiter gut sind, die Leistung und Erfolge bringen, sondern jene, die brav all diese Regeln einhalten. Die Weicheier steigen auf, die Leistungsträger werden, wenn sie Pech haben, sogar gemobbt.

Die Charakteristik des Weicheis

Die Charakteristik des Weicheis ist schnell erklärt: Das Weichei ist froh darüber, dass es Regeln gibt. So braucht es nicht selbst zu denken und sich nicht mit Selbstreflexion aufzuhalten. Es ist am liebsten einer Meinung, egal mit wem. Es plappert nach, was es hört, und begnügt sich mit der Reflexion, die ihm das System bietet, indem es ihm bei Regelverstößen auf die Finger klopft.
Wenn das Weichei vor einem Problem steht, überlegt es nicht, wie es zu lösen wäre, sondern es schlägt nach, was die Regeln dazu sagen. Wenn in den Regeln wegen eines Druckfehlers steht, dass es zum Feuerlöschen Benzin verwenden soll, tut es das. Denn durch das viele Befolgen von Regeln hat es verlernt, seinem Menschenverstand zu vertrauen, und außerdem kann es so immer nachweisen, dass es alles richtig gemacht hat. Das schadet der Wirtschaft, weil dann eben irgendwo eine Fabrik abbrennt, aber es reicht für die Karriere in einem System, das auf Regeln und Kontrolle aufbaut.

Wenig Chancen für Freigeister

Was in einem Unternehmen passiert, in dem ein Weichei Führungsverantwortung hat, ist klar. Das Weichei vermehrt sich unnatürlich rasch. Denn es befördert immer nur andere Weicheier. Dieser Mechanismus ist nicht nur ärgerlich für Menschen, die gerne etwas bewegen würden. Für die Unternehmen bedeutet das einen handfesten wirtschaftlichen Schaden, auch wenn das den meisten Unternehmern vielleicht gar nicht bewusst ist. Denn ein Unternehmen, das einen Mitarbeiter einstellt, sichert sich damit vertraglich dessen Arbeitskraft. Das ist die Idee. Es sichert sich nicht ein bisschen seiner Arbeitskraft, sondern seine ganze. Zumindest glaubt es das.
In der Realität bekommen Unternehmen, die ein Weichei einstellen, aber nur einen Teil der Leistung, für die sie bezahlen. Sie bekommen nur den verwaltenden, duckmäuserischen und bequemen Teil. Sie hätten aber auch Anspruch auf die Ideen dieses Mitarbeiters, auf seine kreativen Konzepte, und auf seinen Widerstand gegen unsinnige Mechanismen, die es in dem Unternehmen vielleicht gibt. Das sind nun einmal die Dinge, die langfristig Gewinne sichern und ausbauen können. Das sind die Dinge, die verhindern, dass ein Unternehmen einen wichtigen Trend verschläft. Doch diese Leistung erbringen in einem Unternehmen nur die Freigeister, nicht die Weicheier.

Das Problem hat die Tendenz zu wachsen

Denn je ausgeprägter die Weichei-Kultur eines Unternehmens ist und je weniger Chancen die Freigeister haben, desto eher orientieren sie sich anders. Sie gehen zur Konkurrenz oder gründen eine eigene Firma. Weicheier sind damit echte Risikofaktoren für die Wirtschaft.
Wer in einem Unternehmen mit ausgeprägter Weicheikultur arbeitet, hat nicht viele Möglichkeiten. Er kann den einfachsten Weg gehen und selbst ein Weichei werden. Er kann sich anpassen und sein Gehirn ausschalten und wird ein stressfreies und weitgehend bedeutungsloses Leben haben.
Er kann auch versuchen, mit der Weichei-Herrschaft umzugehen. In einem Konzern bedeutet das, die wenigen anderen Freigeister zu suchen und sich mit ihnen zu verbünden. Er muss den Weicheiern die Veränderungen dann immer so verkaufen, dass Protest dagegen für sie einen größeren Aufwand bedeuten würde als sich zu fügen. Oder er muss immer so tun, als wäre sein Vorschlag jetzt der Mainstream.
Oder er verändert eben sein Betätigungsfeld und geht. Kleinere Unternehmen gelten nicht umsonst als Rückgrat der Wirtschaft.
Freigeister, die etwas gestalten und erreichen wollen, sind dort besser aufgehoben. Besonders dann, wenn sie das kleinere Unternehmen gleich selber neu gründen.
Freigeister können auch auf die Chance warten, die ihnen gewöhnlich Krisen bringen. Steht ein Unternehmen vor außerordentlichen Herausforderungen, sind Weicheier meistens abgemeldet. Dann ist mit Verwalten nichts mehr zu machen. Wenn es darum geht, den Karren aus dem Dreck zu fahren, ist es meistens egal, ob sich die, die das können, an den Dresscode und die Meeting-Kultur halten. Dann schlägt die Stunde der Freigeister.

Allerdings gibt es da noch einen weiteren Effekt. In großen Firmen mit klassisch patriarchalen Strukturen kommen zudem noch Psychopathen besser die Leiter hoch, weil sie auf ihrem Weg kein Problem mit der Ellenbogenmentalität haben.
Da scheint  ein übles Gemisch an die Schaltstellen unserer Gesellschaft zu kommen. Einerseits über Leichen-gehend, weil unemphatisch, und andererseits verwaltend, weil weicheiernd. Wo soll das nur hinführen?

Karriere
Quelle Karrierebibel