Die kleine Hexe hat ein Problem. Sie ist mit ihren 127 Jahren viel zu jung um unter den richtigen Hexen auf dem Blocksberg zu tanzen. Niemand sollte ihr verraten, dass sie eigentlich noch viel jünger ist. Das gleichnamige Kinderbuch von Otfried Preußler ist 1957 erschienen und hat die Hexe und ihren Best Buddy-Raben Abraxas zu Kinder-Kult-Figuren gemacht. Nach Preußler-Verfilmungen wie Krabat (2008) und Das kleine Gespenst (2013) dürfen wir uns nun über den ersten Film aus seinem Kinderbuch-Kosmos freuen, der uns wirklich mitnimmt, in die Geschichte zieht, uns die zauberhafte Welt vor Augen führt und uns deutlich macht, weshalb Karoline Herfurth gut daran getan hat, bei Fack Ju Göhte auszusteigen.
Natürlich versucht die kleine Hexe sich trotz des Verbots den Hexen auf dem Blocksberg anzuschließen. Allerdings wird sie ertappt und zur Strafe wird ihr Hexenbesen verbrannt. Aber sie bekommt die Möglichkeit in der nächsten Walpurgisnacht ganz offiziell ein Teil des Hexentanzes sein zu dürfen. Dafür muss sie nur zu einer guten Hexe werden.
Angespornt durch dieses Versprechen, lernt sie mit der Hilfe des sprechenden Raben Abraxas (Axel Prahl) jeden Zauberspruch im großen Hexenbuch und vollbringt lauter guter Taten im nahegelegenen Dorf, um hierdurch zu einer wirklich guten Hexe heranzuwachsen. Dabei wird sie stets von der Wetterhexe Rumpumpel (Suzanne von Borsody) beobachtet, die ihr auf Schritt und Tritt folgt.
Die kleine Hexe
" data-orig-size="1000,667" sizes="(max-width: 890px) 100vw, 890px" aperture="aperture" />Rumpumpel (Suzanne von Borsody) beobachtet die kleine Hexe (Karoline Herfurth).
Zuallererst sieht Die kleine Hexe dabei unglaublich schön aus. Selten hat man einen so hübsch dekorierten deutschen Film erlebt, ganz gleich ob wir uns das Landschaftsbild, die Ausstattung oder die Kleidung der unterschiedlichen Figuren ansehen. Das beschauliche Waldhäusschen der kleinen Hexe ist ein wahrer Urlaubsort.
Es ist ein Traum, wenn die Sonnenstrahlen das schiefe Dach streifen und wir selbst aus der Ferne durch das große Fenster an der Front in das Innere blicken können. Es ist ebenso schön, wenn es Winter wird und das Hexenhaus vom Schnee bedeckt wird. Immer wieder kehren wir in dieses Stück des Waldes zurück. Immer wieder kommt der Wunsch auf, genau jetzt, in diesem Augenblick, dort bei der kleinen Hexe sein zu dürfen.
Da wirkt es gar nicht so schlimm, dass Rabe Abraxas als Puppe in diesem Film gelandet ist. Statt auf moderne Computer-Animationen zu setzen, wird lieber etwas Nostalgie versprüht. Das gibt dem Film noch mehr kindliches Märchen-Feeling und hindert Karoline Herfurth auch nicht daran, eine so innig-freundschaftliche Beziehung zu ihrem Raben aufzubauen, dass der Herzschmerz vorprogrammiert ist, wenn es zu einem kurzen Zwist kommt, der gefälligst möglichst schnell aus der Welt geräumt gehört.
Denn das weiß Die kleine Hexe durchaus auch abzuliefern. Emotionale Momente, in denen wir mit dem Hexchen traurig, verzweifelt oder freudig sein dürfen. Es ist nicht nur eine blank nacherzählte Geschichte, sondern bietet eine mitfühlende Dramaturgie. Wenn die kleine Hexe dann am Ende ihre finalen Zaubersprüche spricht, kommt gar das Gefühl eines magisch-epischen Showdowns auf. Herfurth liefert jeden Satz, jeden Blick, jede Bewegung mit vollster Liebe für diese Rolle ab.
Die kleine Hexe
" data-orig-size="1000,668" sizes="(max-width: 890px) 100vw, 890px" aperture="aperture" />Die kleine Hexe mit ihrem sprechenden Raben Abraxas.
Sie ist keineswegs zu erwachsen um die kleine Hexe zu verkörpern, die wir uns vielleicht eher als Kind vorgestellt haben. Sie straft unsere beschränkte Fantasie und gibt uns eine Performance, wie wir sie nur selten bekommen: ein Schauspiel, dass einen Darsteller oder eine Darstellerin ganz tief mit der verkörperten Figur verwurzelt. Karoline Herfurth wird zur kleinen Hexe, die wir uns nach dem Film kaum noch anders vorstellen können.
Regisseur Mike Schaerer (Stationspiraten) und Drehbuchautor Matthias Pacht (Jugend ohne Gott) haben äußerst gut daran getan, sich nahe am Preußler-Buch zu orientieren. Damit haben sie einen märchenhaften Film geschaffen, der voller Detailliebe und Fantasie steckt. Sie diskutieren und zeigen, was es eigentlich heißt, gut oder böse zu sein und schicken mit Rumpumpel eine Figur in die Handlung, die gar für den einen oder anderen Grusel-Moment verantwortlich ist.
Aber der wahre Hingucker in Die kleine Hexe bleibt neben den wunderschönen Bildern eben Karoline Herfurth, die diese kleine Hexe mit anarchischer Naivität spielt, mit langer Hexennase quietschvergnügt durch den Wald tanzt und den Kindern dort draußen versichert, dass man auch als Chaot gute Taten vollbringen kann.