Karlsruhe is ned Bayern

Von Robertodelapuente @adsinistram
Protokoll darüber, was Seehofern seinen Spezln gegen 18:34 Uhr noch gesagt haben könnte.
Liebe Freunde, wir können stolz sein: Die Wahl ist gewonnen! Und wir haben sogar noch zugelegt. [Langer Beifall]  Und wenn ich so frei sprechen darf, dieser Sieg ist weit mehr als nur ein Sieg. Denn er hat uns bewiesen: Die Demokratie ist in Bayern intakt. [Beifall und Jubel] Demokratie hat unsere Partei immer so definiert: Eine geistig überlegene Gruppe - überhebliche Zungen würden sagen: eine Avantgarde - leitet die Geschicke für den Rest. Demokratie war für uns nie, dass diese Gruppe um ihre Posten fürchten muss, bloß weil sie Dinge getan oder ignoriert hat, die die Masse für unangebracht hält. Das ist nicht das Wesen der Demokratie, das ist Populismus. Etwas, das die Medien gerne mit Demokratie verwechseln. [Buh-Rufe - Zuruf: Scheiß-Presse!]

Liebe Freunde, unser bayerisches Demokratieverständnis ist einzigartig. Die Bayerinnen und Bayern sind nach so vielen Jahren CSU-Regierung geistig so vorangeschritten, unsere Bemühungen nicht gleich abzustrafen, nur weil wir hin und wieder mal etwas getan haben (oder nicht), was das Schandmaul namens Volksmund als "Scheiße bauen" bezeichnen würde.
[Gelächter]
Wir haben es geschafft, dass wir in unserem Freitstaat auch mal jemanden wegsperren können, der uns lästig wurde, ohne gleich beim Wahlgang abgestraft zu werden.
[Beifall]
Das ist insofern ein grandioser Sieg, weil selbst Karlsruhe bestätigte, dass dieser Freiheitsentzug verfassungswidrig war. Aber, liebe Freunde, wir wissen ja: Karlsruhe is ned in Bayern.
[Stürmischer Beifall und Gelächter]
Wir haben diesen Mann lange Jahre eingesperrt gehalten, wussten - oder sagen wir: ahnten - schon länger davon, dass er nicht eingesperrt gehört und haben trotzdem nichts unternommen. Aussitzen und sich dumm stellen. Und? Hat es uns etwa geschadet?
[Gelächter - Zuruf: Mia san mia!]
Hat es nicht! Und warum nicht, liebe Freunde? Weil die Demokratie die beste aller Regierungsformen ist, wenn ein Volk mündig genug ist zu erkennen, sich nicht zu viele unnötige Gedanken zu machen. Dafür sind ja wir da.
[Beifall]
Das voreilige Händereiben der Sozialdemokraten ist ein Relikt aus grauen Tagen, da die Demokratie noch ungefestigt war. Uns zieht nichts so schnell aus dem Sattel.
[Beifall]
Bei uns herrscht Mündigkeit und daher die CSU. Der mündige Bürger nimmt Ungereimtheiten zwar wahr, wählt aber trotzdem wie eh und je. Linke nennen das Abstumpfung.
[Buh-Rufe]
Ist es aber nicht! Wir wissen das! Das ist der Reifegrad der demokratischen Kultur. Man muss auch mal aushalten können. Als Gesellschaft Missstände aushalten können. Als Partei Vorwürfe aushalten können. Ein Weggesperrter macht uns doch nicht gleich regierungsunfähig.
[Zuruf: Gerade deshalb sind wir regierungsfähig!]
Natürlich haben wir schon seit vielen Jahren mit dämlichen Vorwürfen zu kämpfen. Wir würden nur eine Politik umsetzen, die unseren Freunden in der Wirtschaft dient und die nicht immer ganz transparent ist. Amigos haben sie uns genannt.
[Buh-Rufe]
Diese kleinkarierten Romantiker. Aber, liebe Freunde, Politik für Unternehmen kann nicht hinausposaunt werden. Das Unternehmertum lebt doch davon, dass es sein Herz nicht auf der Zunge trägt. So macht man Geschäfte. Leise und zurückhaltend.
[Zuruf: Die Romantiker gehören auch in die Psychiatrie]
Hat uns diese Verschleierung, diese Klientelpolitik und Wirtschaftsnähe etwa geschadet? Schaut euch die Wahlergebnisse des heutigen Abends an und beantwortet euch die Frage selbst.
[Tosender Beifall]
Wir können es uns mittlerweile leisten, Leute nach Berlin zu schicken, die in schlechteren Tagen als Persilschein für eine Abwahl gegolten hätten. Wären unsere Bürgerinnen und Bürger nicht so reif, hätte mancher unserer Leute uns beträchtlich schaden können. Wären sie nur ein wenig kleinlicher, hätten sie uns Guttenberg verübelt. Wären sie nur populistisch beeinflussbarer, sie hätten die Prism-Herunterspielungen von Friedrich als Indikator für eine Abstrafung an der Urne benutzt. Wir sind so weit, dass man uns sogar solche Typen vergibt.
[Vereinzelt Gelächter]
Unser Meisterstück war aber der Mollath. Ich habe in meinem Umfeld gehört, wie sich einige die Hände gerieben und gesagt haben, dass die CSU jetzt mausetot ist, weil nennenswerte Partei- und Regierungsmitglieder über diesen Fall im Bilde waren und den Mann trotzdem in der Anstalt hielten. Dreißig Prozent und weniger!, unkten sie. Zeitenwende und endlich Sozialdemokratie in Bayern!, sagten sie mir auf den Kopf zu.
[Gelächter - Zuruf: Idioten]
Ja, Liebe Leute, seht doch mal ein, dass wir nun die Ernte für unsere gute Bildungspolitik in unserem Bundesland einfahren. Gebildete Bürgerinnen und Bürger lassen sich halt nicht von solchen Lappalien beeindrucken, sie wählen uns trotzdem.
[Beifall]
Würde man die Bürger mit Mollath konfrontieren, würden sie sagen, dass es dieser Besserwisser und Miesepeter nicht besser verdient hat. Demokratie bedeutet auch, sich als Wähler nicht zu sehr vom Elend einzelner Menschen beeindrucken zu lassen.
[Zuruf: Wir sind die Demokratie]
Richtig. Aber Demokratie, liebe Freunde, ist für dieses Romantikerpack Teilhabe und Mitsprache, Wahlrecht und Optionen. Nebensachen letztlich. Die Abwahl sei angeblich der Normalzustand der Demokratie, sagen diese Leute arrogant. Nur wo es Abwahl gibt, meinen manche Politologen, da lebe auch der demokratische Geist. So ein Unsinn!
[Gelächter - Zuruf: Wer sagt denn sowas - Zuruf: Linker Quatsch]
Demokratie ist für uns: Mia san mia - und ned den andan!
[Lauter Beifall]
Unter uns, liebe Freunde: Demokratie ist, wenn wir bescheissen, hinterziehen, vernebeln, vertuschen, unschuldig wegsperren, schuldig freilassen, mauscheln, privilegieren oder benachteiligen (je nach Zielgruppe), korrumpieren und geldwert einschieben können, ohne gleich kleinlich um unsere Wiederwahl fürchten zu müssen.
[Stürmischer Beifall]
In diesem Sinne: O'zapft is. Wieder mal.
[Minutenlanger Beifall]
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