Karl-Theodor heißt nicht Wilhelm

Von Alexander Steinfeldt

Zu Guttenberg war von Beginn seiner ministerialen Laufbahn an zum Medienliebling der deutschen Zeitungslandschaft stilisiert worden. Es begann mit seinen Vornamen und findet nun im „Skandal GuttenPlag“ seinen vorläufigen Höhepunkt. Kritiker werfen ihm abgekartete Mediendeals und plakative Polemik vor, doch auch die Medien sollten nach Flecken auf ihren weißen Westen suchen.

An diesem Freitag düpierte der Verteidigungsminister, der aufgrund von Plagiatsvorwürfen gegen seine Doktorarbeit stark in die Kritik geraten ist, die gesamte Hauptstadtpresse. Als er einige wartende Medienvertreter vor dem Ministerium zu einer Stellungnahme empfing, erfuhren hochrangige Journalisten während der zeitgleich laufenden Bundespressekonferenz, dass Guttenbergs Sprecher zur Zeit keine Informationen dazu weitergeben kann. Die leicht empfindliche Presse ist empört über diese Informationspolitik.

Die Frage, ob es sich bei Guttenbergs Doktorarbeit um ein Plagiat handelt, interessiert nämlich schon längst niemanden mehr. Hier geht es scheinbar um Vertrauen und Glaubwürdigkeit in der Politik. Wer falsch zitiert, sagt womöglich auch sonst nicht immer die Wahrheit. Doch Vertrauen beruht auch immer auf Gegenseitigkeit. Dass Guttenberg den Medien nicht mehr wie sonst großzügig entgegenkommt, zeigt einen tiefen Bruch im Verhältnis zu den Medienvertretern.

Es begann alles im Jahr 2009, als Bundeskanzlerin Merkel einen Nachfolger für den zurückgetretenen Wirtschaftsminister Glos ernannte. Damals betitelte nicht nur die Bild-Zeitung den Baron aus Bayern mit seinen zehn Vornamen. Dass sich dabei der falsche, bewusst auf Wikipedia eingeschleuste Vorname „Wilhelm“ in fast allen Tageszeitungen wiederfand, zeugt von der Sorgfalt und Genauigkeit der Recherche der Journalisten. Wird dem Verteidigungsminister also bei der Erstellung der Dissertation Schlamperei vorgeworfen, dann wundert es nicht, dass sich die Medien geschlossen zu ihren eigenen Fehlschlägen ausschweigen.

Doch Guttenberg konnte man auch nach diesem Zwischenfall weiterhin gut benutzen. Ob posierend auf dem Broadway oder in einer Kriegsdoku in Afghanistan. Die Medien nutzten bisher jede Möglichkeit, um an eine spannende Story oder einen außergewöhnlichen Schnappschuss zu kommen. Oft wird behauptet, dass Guttenberg diese Medienevents einfädele. Doch nicht immer und nicht bei jedem erbrachte dies Sympathiepunkte, was wahrscheinlich macht, dass die Medien dabei eine nicht ganz schuldlose Rolle spielen. Public Relations ist wie es der Name schon andeutet, ein abhängiges Zweier-Verhältnis zwischen Informant und Informationsempfänger. Ohne Geschichten, keine Zeitung – und umgekehrt!

Das von den Medien inszenierte Spiel Guttenbergs mit den Medien beruht in Wahrheit auf der Macht der Medien. Guttenberg sah sich stets darin bemüht, seine Politik transparent und nahbar, niedrigschwellig und begreifbar für alle Menschen zu machen. Komplexe Krisen der Weltwirtschaft, deutscher Kriegseinsatz in Afghanistan und historische Bundeswehrreformen können der Bevölkerung eben nur mit einfachen Bildern vermittelt werden. Seine Beliebtheitswerte bestätigen diesen Wandel der Politik heraus aus den verrauchten Hinterzimmern zu den Leuten auf der Straße.

Diese Abhängigkeit an dieser speziellen Informationsform Guttenbergs nutzen die Medien nach Belieben aus. Erst lobten sie ihn in den Himmel, wurde er zum „Star-Minister“ auf unbestimmte Zeit ernannt, dann wird er zum „Freiherr von und zu Copy und Paste“ degradiert. Dabei steht seine politische Arbeit meist im Hintergrund. Selten befasst man sich mit den inhaltlichen Veränderungen, die Guttenberg voranbringt. Die Reform der Bundeswehr zum Beispiel lag schon bei seinem Vorgänger auf dem Tisch. Erst er aber hat den Schneid und die Ausstrahlungen, um den endgültigen Schritt zu gehen. Die Journalisten hingegen benehmen sich wie „5-Mark-Nutten“, wie Joschka Fischer es einmal überspitzt auf den Punkt brachte. Sie feilschen um die politische Existenz eines Menschen wie auf einem Basar und nehmen in ihrer schmierigen Schmutzkampagne auch einen politischen Tod in Kauf.

Es geht eben nicht um den wissenschaftlichen Ethos oder der Glaubwürdigkeit des Politikers. Der Bremer Juraprofessor Fischer-Lescano, der als erster auf Ungereimtheiten in Guttenbergs Doktorarbeit aufmerksam machte, ist im Institut Solidarische Moderne aktiv – in einer Reihe mit den Hardcore-Linken Andrea Ypsilanti und Katja Kipping. In der ebenfalls linksorientierten Fachzeitschrift „Kritische Justiz“ gab Fischer-Lescano den Anstoß für eine Diffamierungskampagne von links gegen die bürgerliche Koalition. Das Motto scheint zu lauten: Was der Regierung schadet, nützt der Opposition. Spätestens zu den nächsten Landtagswahlen. Und die Medien lassen sich auf diesen Kuhhandel ein. Denn jeder offen ausgetragene Konflikt zwischen den Parteien und Fraktionen bietet sich für eine knallige Schlagzeile an.

Trotz des widerwärtigen Kalküls dieser oppositionellen Eintagsfliegen werden die linken Parteien nicht als Gewinner aus diesem Skandal hervorgehen. Guttenberg hat Themen aufgegriffen, die schon seit langem (zu recht) auf der Agenda von SPD und Grüne stehen. Der Bundeswehrabzug aus Afghanistan, die Aussetzung der Wehrpflicht und die damit abgeschaffte Wehr-Ungerechtigkeit, die Reformierung und vor allem Reduzierung der Bundeswehr in Deutschland. Dass die Opposition sich nicht ehrlich zu diesen Zielen bekennt und somit auch der Arbeit des Verteidigungsministers huldigt, zeugt vom Neid und politischer Missgunst der oppositionellen Fraktionen.

Wenn schon die Opposition nicht als Gewinner zu deklarieren ist, so fällt es mir schwer, irgendetwas Gutes an den Vorgängen der letzten Tage zu erkennen. Schuld daran ist aber nicht das persönliche Fehlverhalten von Guttenberg, sondern die indiskutablen Reaktionen der Medien und der Opposition. Sie besaßen weder den Anstand, gemessen und human darauf zu reagieren, noch die Fähigkeit, daraus Profit für ihre eigenen Interessen zu schlagen. Am meisten jedoch bin ich von den Medien enttäuscht, die ihre Machtposition gegenüber Guttenberg missbraucht haben und nun sein Persönlichkeitsrecht in einer schmutzigen Kampagne verletzen. Zu guter Letzt beschweren sie sich dann auch noch über die fehlende Kooperationsbereitschaft Guttenbergs. Es täte den Medien nun nicht schlecht, wenn sie sich auf sachliche, kritische und gut recherchierte Beiträge konzentrieren würden.