Karl Riha: Fünfzig Sonette. nach goethe, auf goethe. mit und gegen goethe

Von Buchwolf

Ein winziges Buch aus einem winzigen Verlag. Der Wiener Ein-Frau-Verlag „Edition Splitter“ (nicht zu verwechseln mit dem Splitter-Verlag, der Comics produziert) führt einen kleinen Schauraum in der Wiener Salvatorgasse, an dem ich mit einem Freund vorgestern zufällig vorbeikamen. Wir schauten in die Auslage und wurden sogleich von einer Dame energisch hereingewunken. Wir sollten doch keine Schwellenangst haben! Die Dame stellte sich vor als „Ich bin die edition splitter, die es seit 23 Jahren gibt“. Wir besichtigten die an den Wänden hängenden Bilder und die ausgestellte Verlagsproduktion – von aktuellen Neuerscheinungen wie „Ich möchte durchbrennen in meine Welt“ (eine Sammlung von Aphorismen einer Demenzkranken) bis zur Eugen-Gomringer-Gesamtausgabe in vier Bänden. Deren Nachworte schrieb der Literaturwissenschaftler Karl Riha, von dem ich schließlich das kleine Bändchen „Fünfzig Sonette“ kaufte. Und noch am selben Abend las. Mit größtem Vergnügen.

Es handelt sich nämlich um Goethe-Parodien und witzige Gedichte über Goethe in allen Spielarten, von konkreter Poesie bis zu klassisch gestaltetem Sonett. Das Werkchen erschien bereits 1999, zum 250. Geburtstag des Meisters. Dazu gleich ein Gedicht:

zur geburt – vor 250 jahren

aha, noch ist der muttermund zu

doch ich arrangiere schon mal das interview

da, die mutter gerät in schweiß

es kündigt sich an: eine geburt per steiß

herr goethe, frag ich, Sie erwarten

hier doch wohl keinen edens garten

ich sag’s grad heraus, ist es auch fies

es führen andere wege ins paradies

bis zum von im namen fließt noch etwas zeit

nun ja, ich sehe: Sie sind bereit

trotz allem in diese welt zu treten

ich sehe den vater ein dankgebet beten

rascher als gedacht ist die geburt vorbei

da hör ich auch schon den ersten schrei

Wie sieht konkrete Poesie als Sonett aus? Zum Beispiel so:

goethes faust I

5555555555555555

ffffffffffffffffffffff

iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii

nnnnnnnnnnnnnn

gggggggggggggggg

eeeeeeeeeeeeeeee

rrrrrrrrrrrrrrrrrr

gggggggggggggggg

eeeeeeeeeeeeeeee

bbbbbbbbbbbbbb

aaaaaaaaaaaaaaaa

lllllllllllllllllllllllllll

lllllllllllllllllllllllllll

ttttttttttttttttttttt

Vier Stück gibt es nach diesem Prinzip, eines davon sogar in bairischer Mundart. Die Gretl sagt da: m-i-a-g / r-a-u-z / v-o-a / d-i-a (Form vorzustellen nach obigem Bauprinzip).

Heuer haben wir ja u. a. ein Shakespeare-Jahr. Dazu passt „im kreis der meister“: „dante ist der goethe italiens / shakespeare ist der goethe englands / [weitere elf Verse, leicht zu imaginieren, der letzte dann:] goethe ist der goethe deutschlands“. So weit zur bedeutungsmäßigen Einordnung Shakespeares.

Karl Riha: Fünfzig Sonette. nach goethe, auf goethe. mit und gegen goethe. edition splitter, Wien, 1999. 58 Seiten.

(Zu Buchgestaltung: Größe ca. Reclam-Heft, kartoniert, aber dennoch fadengeheftet. Vergnüglicher Preis: 7.- Euro.)

Bild oben: Wolfgang Krisai: Goethes Geburtshaus in Frankfurt am Main. Aquarell. 2002.