„Alice“
(This Charming Man Records)
Wenn in der Stuttgarter Zeitung eine Überschrift wie „Die Könige des Morbiden“ steht und damit Einheimische meint, dann darf man davon ausgehen, dass das Überwindung gekostet hat. Denn dem Schwaben an sich ist das Morbide eigentlich ziemlich fremd. Im bundesrepublikanischen Gesamtvergleich gilt das dazugehörige Bundesland ja eher als die Heimat der trickreichen Selfmade-Kümmerer, stets bester Laune, nie um eine Idee verlegen, Überlebenskünstler, Stehaufmännchen. Ist der Schwabe einmal schlecht gelaunt, dann bruddelt er höchstens, aber Nihilismus, Pessimismus oder Fatalismus liegen etymologisch meilenweit außerhalb der Landesgrenzen. Fanta 4 gehen natürlich klar, die entsprechen dem Selbstverständnis, aber Post-Punk? Wird vermutlich sehr argwöhnisch beäugt und im Zweifelsfalle ungutem, fremdem Einfluss zugeschrieben. Aber auch im Musterländle tun sich sonderbare Dinge, gibt der pragmatische Grüne als politisches Rolemodel mittlerweile den Landesvater und eine Band wie Die Nerven gilt ebenso lange als eine der bekanntesten Noise- und Indierock-Kapellen der Republik. Und weil aus deren Dunstkreis auch Karies stammen (bekanntermaßen werkelt Kevin Kuhn hier im Zweitjob), gehört eben seit 2013 auch der düstere Post-Punk mit zum Repertoire.
Das mittlerweile vierte Album der Formation nach „Fun ist ein Stahlbad“, „Seid umschlungen, Millionen“ und „Es geht sich aus“ ist ihr vielleicht variantenreichstes geworden. Stilistisch maximal vielseitig, textlich gewohnt rätselhaft, so präsentieren sich die vier in den knapp vierzig Minuten – hektisch nervöse Anklänge schönster NDW-Tradition gleich zu Beginn mit „Holly“ und „Pebbo“, später dunkler mit dronigem Gitarrenlärm, Wortspiele als bruchstückhafte Bestandteile der Soundcollagen, mantraartig wiederholt, dadaistisch auf die Spitze getrieben. Gern auch Gegensätze – hier der Pop von „Reden über was“ als Parabel aufs tägliche Worthülsengefecht, dort der „Altar“ fast schon gothy, bleischwarzes Pathos, dunkle Messe, Angst, Bedrohung. Im Vergleich zu den ersten Alben ist dieses hier deutlich inhomogener, wandlungsfähiger, dafür weniger hart. Jetzt fallen einem eher die Schweizer von Grauzone ein, Anfang der 80er haben die gleißend hell gebrannt, sind schnell erloschen und vielen leider nur mit einem abgenudelten „Eisbär“ im Gedächtnis verblieben. Ihr damaliges Debüt ähnelt dem aktuellen „Alice“ in vielen Momenten und das ist ein weiterer, erstaunlicher Aspekt schwäbischer Eigenart. http://kariesband.blogspot.com/
Zum Album gibt es im Übrigen auch eine weitere Ausgabe der Rubrik Familienalbum.
07.11. Wiesbaden, Kreativfabrik
08.11. Köln, Gebäude 9
09.11. Osnabrück, Kleine Freiheit
10.11. Bremen, Lila Eule
11.11. Berlin, Lido
12.11. Dresden, Groovestation
13.11. Leipzig, Ilses Erika
14.11. Chemnitz, Nikola Tesla
15.11. Nürnberg, Künstlerhaus
16.11. Würzburg, Cairo