Diese Differenzierungen, sowie konkrete und sachliche Argumente gegen die Postulate der kapitalistischen Theorien/Schulen sind absolute Mangelware in den Anklagen der Kapitalismuskritiker.
Pauschal gesprochen werden einzig einige Sozialisten unter den Kritikern etwas konkreter und prangern gebetsmühlenartig das Eigentum der Unternehmer an den Produktionsmitteln an und stellen das Recht des Privateigentums generell in Frage. Dies sind allerdings keine Argumente, die gegen das Wesen des Kapitalismus angeführt werden, sondern - im Gegenteil - persönliche Meinung und Werbung für etatistische, also sozialistische Gesellschaftsformen, worauf im Weiteren nicht näher einzugehen ist.
Hätte man nur ein Wort zur Definition des Begriffs Kapitalismus, man würde wohl das Wort Marktwirtschaft (also Tausch und Handel auf Basis der freiwilligen Übereinkunft freier Individuen --> Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit)wählen. Denn trotz der Unterschiede der voran genannten ökonomischen Theorien, das zentrale Element ist immer das Prinzip der Marktwirtschaft - mal mehr, mal weniger.
Ebenso gilt die Anerkennung von Eigentum als universelles Recht eines jeden Individuums - vor allem Eigentum am eigenen Körper (alles andere wäre Sklaverei), aus dem sich die entsprechenden und weitreichenden moralphilosophischen Freiheitsideale ableiten lassen.
Einer der letzten großen freiheitlichen Denker und Autoren in Deutschland war zweifelsfrei Roland Baader. Seine klare Sprache und die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte einfach und verständlich zu erklären, zeichneten ihn dabei besonders aus.
Baader widmete sich zeit seines Lebens der Verbreitung der Freiheitslehre und versuchte vor allem auch dem ökonomischen Laien zum Verständnis klassisch liberaler und auch libertärer Ansichten zu verhelfen, so u.a. auch in seinem Werk Das Kapital am Pranger. Ein Kompaß durch den politischen Begriffsnebel, Resch-Verlag, 2005:
Häufig werden im Zuge der Kapitalismuskritik zur "Beweisführung" praktische Fälle, wie bspw. die Umweltverschmutzung in einer bestimmten Region, offenkundige Preisabsprachen (Kartellbildung), generell wachsender beruflicher Leistungsdruck oder das rigorose Ausnutzen oder Entlassen von Mitarbeitern (natürlich alles aus reiner Profitgier der Unternehmer) seitens der Kritiker angeführt und "dem Kapitalismus" in die Schuhe geschoben.
Für rücksichtsloses und untugendhaftes Verhalten, generelle Charakterschwäche oder sonstige Eigenschaften und Eigenarten handelnder Individuen kann logischerweise immer nur dem Handelnden selbst ein Vorwurf gemacht werden, niemals jedoch einer gesellschaftlichen Ordnung, welche die Freiheit des Individuums betont und in dem jegliche Handlungen auf dem Prinzip der Freiwilligkeit und Eigenverantwortung beruhen. In diesem Zusammenhang von Kapitalismuskrise zu sprechen entbehrt also jeglicher Logik. In unserer Zeit des zunehmenden Werteverfalls und der schleichenden Abwesenheit von Tugend und Moral träfe es - wenn man schon der Krisenrhetorik frönen möchte - das Schlagwort Bewusstseinskrise wohl besser.
Natürlich kann man das Konzept der Freiwillig- und Freiheitlichkeit ablehnen und stattdessen Zwang und Herrschaft von Menschen über Menschen bevorzugen, jedoch ist es unlogisch, wenn eine freiheitliche Gesellschaftsordnung als Ursache von Fehlverhalten oder Fehlentwicklungen ausgemacht wird.
Der angebliche "Fehler" liegt hier nicht im System, sondern in den Handlungen bzw. Handelnden selbst, da ein Jeder aus freien Stücken handelt und zu keiner Handlung gezwungen wird, also für jede seiner Handlungen voll verantwortlich ist.
Es bleibt festzustellen, dass in der breiten Öffentlichkeit kaum ein Verständnis für den Begriff Kapitalismus und dessen Bedeutung vorhanden ist. Der Begriff Kapitalismus wurde im Laufe des letzten Jahrhunderts bis heute massenmedial dermaßen pervertiert, manipuliert und umgedeutet, dass es schwer fällt seine ursprüngliche Bedeutung zu erfahren.
Einige meinen es drehe sich im Wesentlichen "irgendwie um Geld", andere gehen weiter und meinen sogar eine dem Kapitalismus inhärente (Geld- und Profit-)Gier ableiten zu können, da sich die Bezeichnung Kapitalismus u.a. aus dem Begriff "Kapital" zusammensetzt. Unter Berücksichtigung dieser Fehlinterpretation verwundert es nicht, wenn sich vorhin angeführte Neologismen, wie Casino- oder Raubtier-Kapitalismus in der antikapitalistischen Debatte etablieren können.
Mit dem Begriff Kapitalismus assoziieren viele mittlerweile unehrenhafte Charaktereigenschaften, wie fehlendes Mitgefühl, Ausbeutung, etc. Ebenso für die angesprochene (Geld-)Gier, Kartellbildungen, Korruption, Verschwörungen (mit der Politik) und Rücksichtslosigkeit. Man könnte beinahe vermuten, dass bestimmte Kritiker im Kapitalismus eine gewisse Geisteshaltung, ja beinahe eine Geisteskrankheit sehen, die es zu therapieren gälte.
Des Weiteren ist erkennbar, wie der Begriff Kapitalismus in einem schleichenden Prozess zunehmend adjektiviert wird: "kapitalistisch" wird zum Ersatzwort für "schlecht" oder "unmoralisch". Dafür spricht beispielsweise, dass Handlungen von Personen, die nur auf den eigenen Vorteil bedacht oder generell untugendhaft waren, in der allgemeinen Diskussion mit steigender Tendenz als "kapitalistisch" gewertet oder verurteilt werden.
Es ist zu betonen, dass Kritiker, nicht zuletzt auch aufgrund oben angeführter Fehlinterpretationen, Kapitalismus prinzipiell immer mit Korporatismus bzw. Vetternwirtschaft (engl. "Crony Capitalism", manchmal auch salopp: "Herrschaft der Konzerne") verwechseln, also zwei absolut gegensätzliche Dinge.
Völlig zurecht werden Kartellbildung, Korruption oder Betrug verurteilt, da dies unethisch und nur zum Vorteil weniger Verschwörer und zum Nachteil aller übrigen Marktteilnehmer ist. Die Begrifflichkeit Korporatismus beschreibt eine auf enge Beziehungen zwischen Unternehmen und dem Staat beruhende Wirtschaftsordnung. Anstatt durch Anstrengungen auf einem freien Markt und der Gunst bzw. der Bedürfnisbefriedigung der Kunden, hängt der Erfolg eines Unternehmens von den Begünstigungen der herrschenden Regierung in Form von entsprechenden Geschäftsabschlüssen, Subventionen, der Vergabe von Lizenzen oder sonstigen Zuschüssen und Vorrechten ab.
Etwas freier könnte man Korporatismus auch mit Pseudokapitalismus übersetzen, denn tatsächlich wird dem unbedachten Beobachter eine marktwirtschaftliche Gesellschaftsordnung vorgegaukelt, die bei genauerer Beobachtung nicht existent ist.
Beim Blick auf unsere gegenwärtige Gesellschaftsordnung wird spätestens bei Berücksichtigung der "Banken-Rettungsaktionen" durch die Politik in der jüngeren Vergangenheit (die mittlerweile "Euro-Rettung" genannt werden) offensichtlich, dass unsere Gesellschaftsordnung nur noch in Nuancen mit der einer marktwirtschaftlichen, freien Gesellschaft übereinstimmt. Der europäische und amerikanische Kulturkreis im Allgemeinen und der deutschsprachige im Speziellen lebt den Pseudokapitalismus!
In der Tat ist man dem Sozialismus heute um ein vielfaches näher, als dem Kapitalismus. Heutzutage gibt es kaum einen Bereich, den sich der Staat nicht angeeignet und daraus Manifestationen seiner Herrschaft geformt hat: So sind große Sektoren der Volkswirtschaft wie beispielsweise das Gesundheitswesen, das Bildungswesen und das Rentenwesen heute staatlich, ursprünglich jedoch gesellschaftliche Errungenschaften, die aus ihr selbst hervorgingen.
Noch viel bedeutender ist jedoch, dass das Geld staatsmonopolistisches Zwangsgeld (einziges gesetzliches Zahlungsmittel) ist. Es gibt keine freie Wahl des Geldmittels und daher auch keinen Wettbewerb um den Wert des Geldes. Der andauernden, systembedingten Verschlechterung des Geldes (dem Blutkreislauf der Volkswirtschaft) und der dadurch bedingten bestenfalls schwankenden konjunkturellen Lage ist der ökonomische Laie schutzlos ausgeliefert.
Die deutsche Staatsquote, also der Anteil der staatlichen Ausgaben an der gesamten volkswirtschaftlichen Leistung, liegt fast bei 50 Prozent. Das bedeutet, dass beinahe die Hälfte des Bruttoinlandprodukts (Wirtschaftsleistung) durch staatliche Hände fließt. Im Anblick dieser Tatsachen noch von Kapitalismus zu sprechen zeugt folglich von Realitätsferne.
In diesem Sinne bleibt zu hoffen, dass in die Antikapitalismusdebatte Vernunft einkehrt und die entsprechenden Ursachen für die derzeitigen Verwerfungen endlich korrekt beim Namen genannt werden.
Schließen möchte ich mit einem Auszug aus dem Werk "Liberalismus" von Ludwig von Mises, Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, aus dem Jahre 1927:
Nichtsdestoweniger verbindet man heute, dank einer die Tatschen auf den Kopf stellenden eifrigen Agitation der antiliberalen Parteien, mit den Begriffen Liberalismus und Kapitalismus die Vorstellung wachsender Verelendung und um sich greifender Pauperisierung der Welt. Zwar konnte es aller Demagogie nicht ganz gelingen, die Ausdrücke liberal und Liberalismus so zu entwerten, wie sie es gerne gewünscht hätte. Man kann sich schließlich nicht darüber hinwegsetzen, dass in diesen Ausdrücken, ungeachtet aller Bemühungen der antiliberalen Agitation, etwas mitschwingt von dem, was jeder gesunde Mensch empfindet, wenn er das Wort Freiheit hört. Die antiliberale Agitation verzichtet daher darauf, das Wort Liberalismus zu viel in den Mund zu nehmen und zieht es vor, die Schändlichkeiten, die sie dem System andichtet, in Verbindung mit dem Ausdruck Kapitalismus zu bringen. Bei dem Worte Kapitalismus schwingt die Vorstellung eines hartherzigen Kapitalisten mit, der an nichts anderes denkt als an seine Bereicherung, sei sie auch nur durch die Ausbeutung der Mitmenschen möglich. Dass eine wahrhaft liberal organisierte kapitalistische Gesellschaftsordnung so beschaffen ist, dass für den Unternehmer und Kapitalisten der Weg zum Reichtum ausschließlich über die bessere Versorgung seiner Mitmenschen mit dem, was sie selbst zu benötigen glauben, führt, wird den wenigsten bewusst, wenn sie sich die Vorstellung vom Kapitalisten bilden. Statt von Kapitalismus zu sprechen, wenn man die gewaltigen Fortschritte in der Lebenshaltung der Massen erwähnt, spricht die antiliberale Agitation von Kapitalismus immer nur denn, wenn sie irgendeine jener Erscheinungen erwähnt, die nur möglich wurden, weil der Liberalismus zurückgedrängt wurde. Dass der Kapitalismus den weiten Massen ein schmackhaftes Genuß- und Nahrungsmittel in der Gestalt des Zuckers zur Verfügung gestellt hat, wird nicht gesagt. Von Kapitalismus wird in Verbindung mit dem Zucker nur dann gesprochen, wenn in einem Lande durch ein Kartell der Zuckerpreis über den Weltmarktpreis erhöht wird. Als ob dies bei Durchführung der liberalen Grundsätze überhaupt denkbar wäre! Im liberal verwalteten Staat, in dem es keine Zölle gibt, wären auch keine Kartelle, die den Preis einer Ware über den Weltmarktpreis hinauftreiben können, denkbar.