Das neue Buch aus der AG Friedensforschung Kassel erschienen
Der soeben erschienene Band 17 der „Kasseler Schriften zur Friedenspolitik“ befasst sich mit den ökonomischen, politischen und sozialen Folgen der „Jahrhundertkrise“, mit den großen kriegerischen Konflikten in Afghanistan, Pakistan und Irak sowie mit den ungelösten Problemen im Nahen Osten und den Perspektiven Südafrikas, Lateinamerikas und Chinas. Ein solcher Band wäre unvollständig, wenn er sich nicht auch mit „ideologischen“ Fragen der Kriegspropaganda sowie mit friedens-und sozialpolitischen Alternativen zur herrschenden Politik befassen würde.
Im Folgenden veröffentlichen wir das Vorwort zum Buch sowie das Inhaltsverzeichnis. Bezugsmöglichkeiten finden Sie am Ende dieser Datei.
Vorwort
Als im Dezember 2009 der 16. Friedenspolitische Ratschlag in Kassel tagte, befand sich die Welt inmitten einer der größten Finanz- und Wirtschaftskrisen der letzten Jahrzehnte. Dies fand seinen Ausdruck nicht nur in dem Motto des Kongresses – das auch diesem Band seinen Titel gab -, sondern auch in den fundierten Referaten und engagierten Diskussionen, in deren Mittelpunkt immer wieder die Frage nach den Folgen der tiefen ökonomischen und sozialen Krise für die weitere Entwicklung der internationalen Beziehungen, der globalen Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse sowie der sicherheits- und friedenspolitischen Weichenstellungen gestellt wurde.
Wenige Monate später scheinen die führenden kapitalistischen Staaten, allen voran die Bundesrepublik Deutschland, den Weg aus der Krise erfolgreich beschritten zu haben. Die Wachstumszahlen für das Bruttoinlandsprodukt und den wieder anziehenden deutschen Warenexport in der ersten Hälfte des Jahres 2010 sind in der Tat beeindruckend. Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik hat in ihrem „Memorandum 2010“ süffisant darauf hingewiesen, dass zur Bekämpfung der Krise in erster Linie klassische Instrumente des Keynesianismus eingesetzt wurden (Ausweitung der Staatsausgaben, Konjunkturprogramme, Eingriffe in den Arbeitsmarkt, faktische Verstaatlichung von Banken etc.) – ganz im Gegensatz zu den herrschenden Dogmen des Neoliberalismus. Kritisch wird indessen angemerkt, dass nach diesen temporären Erfolgen mit einem nachhaltigen Aufschwung nicht zu rechnen ist. Und tatsächlich deuten die wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Maßnahmen der schwarz-gelben Bundesregierung darauf hin, dass wieder zur „neoliberalen Tagesordnung“ übergegangen wird: Steuergeschenke an die Reichen und Superreichen, „Gesund“schrumpfen der öffentlichen Haushalte, Belastungen der unteren Einkommensschichten durch die neuerliche Gesundheitsreform, die Beendigung der staatlichen Konjunkturprogramme u.v.a.m. bergen erhebliche Risiken sowohl für die Binnennachfrage als auch für die so notwendigen Investitionen in Bildung, Umwelt und Infrastruktur.
Auch die weltpolitischen Konstellationen haben sich im vergangenen Jahr nicht zum Besseren gewendet. Die „großen“ Kriege und Gewaltkonflikte wie die in Afghanistan, Pakistan oder im Kongo gehen unvermindert weiter, die siebenjährige Besatzung des Irak durch US-Truppen wird nur scheinbar beendet – die USA haben zwar ihre „Kampftruppen“ abgezogen, rund 50.000 GIs bleiben aber vorläufig im Land – und es steht ein neuer Krieg des „Westens“, diesmal gegen den Iran, zu befürchten. Die Weichen hierfür wurden und werden jedenfalls durch das weitere Drehen an der Sanktionsschraube gestellt. Wenn in einem „Standpunkte-Papier“ der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (2/2010) Verständnis für einen möglichen Angriff Israels auf Iran geäußert wird, der von Ahmadinedschad und den „Extremisten, die ihn umgeben“, „herausgefordert“ werde, dann müssen bei wirklichen Friedensforschern und in der Friedensbewegung alle Alarmglocken schrillen. Und auch wenn der Begriff „Krieg gegen den Terror“ aus dem Vokabular der Obama-Administration offiziell gestrichen wurde, geht er gleichwohl weiter, u.a. auch in Form der Piratenjagd am Horn von Afrika. Schließlich bleibt auch ein anderer zentraler Konflikt im Nahen Osten, der israelisch-palästinensische Konflikt ungelöst, einmal weil Israel offenbar kein wirkliches Interesse an einem Friedensprozess hat, zum zweiten weil die Verhandlungsposition der Palästinenser durch die internen Kämpfe zwischen Fatah und Hamas geschwächt wird, und drittens weil der mit so viel Vorschusslorbeeren (Friedensnobelpreis) bedachte US-Präsident nicht gewillt oder in der Lage ist, das ganze Gewicht der Vereinigten Staaten in das Gelingen der Friedensverhandlungen zu investieren.
Zahlreiche Gewaltkonflikte, an denen Großmächte direkt oder indirekt beteiligt sind, lassen auf Konturen einer neuen Welt-un-ordnung schließen, die von der kritischen Friedensforschung (natürlich auch von uns; siehe z.B. den Band „Die Neuvermessung der Welt, 2008) seit dem Ende der Bipolarität vielfach ausgemalt und analysiert wurden. Dass deren treibende Kräfte und Dynamiken etwas mit den krisenanfälligen Mechanismen einer profitgesteuerten sowie Umwelt und Klima zerstörenden Wirtschaftsweise namens Kapitalismus zu tun haben, gehört mittlerweile fast schon zum Allgemeinwissen. Vor diesem Hintergrund stellen sich Fragen wie die nach der Friedensfähigkeit des Kapitalismus oder der Aggressivität imperialistischer Staaten und Staatenbündnisse.
http://www.ag-friedensforschung.de/rat/2009/buch.html