Auf „Live at the Whisky“, aufgenommen im April 1992 in Los Angeles, spielen Kansas einen ordentlichen Querschnitt durch ihre besten und bekanntesten Songs. Auffällig ist hierbei, dass die ‚jüngsten’ Songs der Setlist von 1977 stammen – mit einer Ausnahme, der hübschen Ballade HOLD ON vom 1980er Album „Audio Visions“, gelungen um ein paar Gitarrensoloparts erweitert und ‚entkitscht’. Das letzte Studioalbum „In the Spirit of Things“ lag nun auch schon vier Jahre zurück; und in der Zwischenzeit ging Gitarrist Steve Morse und kam David Ragsdale. Damit hatte Kansas mit einem hauptamtlichen Geiger ein Markenzeichen klassischer Tage zurück. So benutzte man diese Livescheibe, um zu zeigen, dass man nach zahlreichen Besatzungswechseln noch immer mächtig lebendig war und lenkte das musikalische Augenmerk nach vielen Jahren straighterer Rock-Ausrichtung zugleich wieder auf die klassischen Kansas-Zeiten. Neben den Radioklassikern POINT OF KNOW RETURN und CARRY ON WAYWARD SON kommen auch monumental epische Stücke wie der „Magnum Opus“-Anfang HOWLIN’ AT THE MOON mit ihrer originären Magie rüber. David Ragsdale spielt den überwiegenden Teil von Robby Steinhardts Geigen 1:1 live, was bei virtuosem Läufen wie in PARADOX schon recht beeindruckend ist. Aber Kansas weichen auf der Bühne auch gern schon mal von den Studioversionen ab, so macht die Violine aus dem Original im Instrumentalpart von MYSTERIES AND MAYHEM kurz mal Platz für ein klasse klingenden Gitarren-Doppelsolo – Ragsdale spielt ja auch hin und wieder Gitarenparts. Zudem fallen gleicher Song und auch PORTRAIT durch zusätzliche Soli ein wenig länger aus. Das Fehlen Sängers Robby Steinhardts als zweiten Sänger kompensiert Bassist Billy Greer glänzend beim Doppelgesang mit Steve Walsh in PORTRAIT und den sich kurz überschneidenden Gesangslinien von MIRACLES OUT OF NOWHERE. Lediglich der wunderbare Epos SONG FOR AMERICA und das bluesrockige DOWN THE ROAD – sicherlich die Überraschung der Setlist – büßen ein wenig von ihrem ursprünglichem Anmut ein, da Walsh die Lead Vocals-Stellen Steinhardts komplett übernimmt; man wartet beim Hören halt automatisch auf den guten alten Robby. Erwähnenswert ist noch, dass der einst große Mann hinter der Musik von Kansas, Kerry Livgren, beim Klassiker DUST ON THE WIND einen Gastauftritt an der Gitarre hat.Der Bonustrack JOURNEY FROM MARIABRONN erweist sich als Aneinanderreihung von BELEXES und eben jenem Song.„Live at the Whisky“ ist das einzige Livedokument aus der Zeit mit David Ragsdale – auch Keyboarder Greg Robert war hier (unauffälliger) Teil der Band, wie schon beim „King Biscuit Flower Hour“-Live-Output. Der Sound ist recht roh und ungeschliffen und hat ein authentisches Live-Feeling. Natürlich sind die musikalischen Leistungen bei tighten Hits, genialen Rhythmuswechseln und virtuosen Läufen wie gewohnt über alle Zweifel erhaben.