Kann man Fleisch durch Marinieren zarter und saftiger machen?

Von Cookinblog

Es kommt darauf an!

Spätestens Mitte bis Ende April, wenn die Grillsaison vor der Tür steht, fange ich reflexartig an, Fleisch (und Fisch und Meeresfrüchte, im Folgenden einfach nur “Fleisch”) mit Gewürzen, Öl und sonst-noch-was in Plastiktüten zu stopfen.

All das geschieht in der Hoffnung, dass das Fleisch bzw. der Fisch nach diesem Vorgang besser schmecken möge als vorher.

Doch so sicher wie der Marinier-Reflex auftritt, so sicher stellen sich auch die Zweifel ein: was soll die ganze Mariniererei überhaupt bringen?

Und: funktioniert das?

Was ist das Ziel?

Die Tatsache, dass man gemeinhin für einen längeren Zeitraum mariniert, bedeutet, dass die Marinade das Fleisch nicht nur von aussen würzen soll. Es beinhaltet auch die vage Hoffnung, dass die Marinade – wie auch immer – in das Fleisch eindringen und es texturell (saftiger, zarter) und geschmacklich verbessern möge.

Wie funktionieren Marinaden?

Sagt ein Stück Fleisch zur Marinade: “Du kommst hier net rein.”

Marinaden können nur dann in das Fleisch eindringen, wenn sie in der Lage sind, dem Fleisch ordentlich auf die Pelle zu rücken.

Im Rahmen meiner Möglichkeiten bedeutet das wissenschaftlich ausgedrückt:

Marinaden müssen die Fähigkeit besitzen, die organische Struktur, insbesondere die Anordnung der Proteine, im Fleisch zu verändern.

Nach aktuellen Erkenntnissen gibt es nur zwei Zutaten, die dazu in der Lage sind:

Salz und Säure

(Für die Spezialisten: ja,ja! Es gibt Spezialfälle, in denen auch Basen, Enzyme oder Alkohol dazu in der Lage sind, doch das sind – wie gesagt – Spezialfälle.)

Dazu zwei experimentelle Nachweise:

Im ersten Experiment, durchgeführt von Americas Testkitchen, wurden vier Hähnchenbrüste in Marinaden ohne Salz mariniert. Lediglich eine Marinade enthielt Sojasauce.

Ergebnis: nur bei der Sojasaucen-Marinade (aka Salz) war eine Texturverbesserung festzustellen (vgl. America’s Test Kitchen, Crosby, Guy, 2012 S. 121).

Experiment zwei: Heston Blumenthal ließ, in unterschiedliche Marinaden eingelegte, Hühnerbrüste im MRT untersuchen um herauszufinden, ob überhaupt und, wenn ja, welche Marinaden in die Struktur des Fleisches einziehen.

Ergebnis: die Marinade auf Joghurtbasis (Säure!) war die einzige, die nachweislich substantiell – wenn auch nicht komplett – in das Fleisch vorgedrungen war.

Das bedeutet

Nur dann, wenn Marinaden Salz und/ oder Säure enthalten, sind sie in der Lage, die Proteine des Lebensmittels, z.B. des Fleisches, so zu verändern, dass sie in das Fleisch eindringen können und das Fleisch

  1. zarter wird,
  2. beim Garen mehr Wasser festhält, also saftiger bleibt und
  3. den Geschmack der Marinade annimmt.

So weit – so gut.

Exkurs Geschmack

Hier wird es kompliziert: denn die meisten, allerdings nicht alle, Aromen sind vorwiegend fettlöslich, Fleisch dagegen besteht zum überwiegenden Teil aus Wasser (vgl. The Science of good cooking, 2012, S. 120).

Das bedeutet, dass man

1.) ordentlich würzen muss um ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen und

2.) solche Aromaten auswählen sollte, die auch wasserlöslich sind, z.B. Knoblauch oder Zwiebeln.

Methoden

Marinieren mit Säure

In tierischem Muskelgewebe liegt der ph-Wert nahe dem “neutralen” ph-Wert, nämlich bei bei 6,8 (oberhalb wird es alkalisch, unterhalb wird es sauer).

Marinaden, die den ph-Wert in bestimmter Weise verändern, führen dazu , dass sich das Fleisch beim Erhitzen weniger zusammenzieht und damit weniger Wasser aus sich herausdrücken.

Dadurch bleibt das Fleisch saftiger.

Bei sauren Marianden ist es dafür völlig ausreichend, dass der ph-Wert in die Region um 5,5 absinkt. Viel weiter sollte man auch nicht gehen. Denn unter 4,8 wird es kritisch – man würde in diesem Fall nicht mehr marinieren sondern garen. Stichwort: Ceviche!

Aus diesem Grund ist es sinnvoll, für empfindliche Lebensmittel wie Hühnchen oder Meeresfrüchte auf mild-saure Marinaden wie Joghurt oder Buttermilch zurückzugreifen.

Das Ganze ist übrigens kein modernistischer Hype: von der Türkei bis Indien hat das Marinieren in Joghurt-Marinaden eine lange Tradition.

Toughere Fleischsorten, wie z.B. ein Ochsenbraten, können auch offensichtlich auch niedriger ph-Werte vertragen. Sonst gäbe es ja keinen Rheinischen Sauerbraten.

Marinieren mit Salz

Wer so mit Salz marinieren will, dass sich Textur des Fleisches verbessert, sollte seine Marinaden so bauen, dass sie den Regeln des Brining entsprechen.

Das bedeutet: Salzanteil der Marinade um die 6 Prozent!

Was bedeutet das konkret?

  • Badet man sein Grillfleisch üblicherweise in Olivenöl, Knoblauch, Rosmarin und Thymian ohne größere Anteile von Salz oder Säure, kann man diese Prozedur deutlich verkürzen.
  • Wer die Textur von den marinierten Lebensmitteln verbessern will, sollte entweder einen Salzanteil von 6 Prozent in der Marinade wählen und/ oder für eine milde Säure sorgen. Gut eignen sich Joghurt und Buttermilch.
  • Statt Salz kann man mit Sojasauce und Misopaste experimentieren. Zur Sojasauce eignen sich übrigens hervorragend Kombu-Algen.

Weiterführende Links:

Alle Sonntagsfragen im Überblick.

Heston Blumenthal Hühnchenbrust-MRT.


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