Die Altkluge Amsel sagt:
Kohlenhydrate sind der Grund für unser Übergewicht. Wir sollten sie komplett vermeiden!
In den 90er-Jahren fing die Angst vor Kohlenhydraten mit der Atkins-Diät an, heute sind sie als Sündenbock so weitläufig bekannt, dass selbst die Altkluge Amsel davon gehört hat!
Sind Kohlenhydrate der Hauptgrund für unser Übergewicht? Müssen wir sie weglassen? Oder ist das alles ein großer Hype, dem nun nach den Fetten die Kohlenhydrate zum Opfer fallen?
Die einzig richtige Antwort auf diese Fragen ist: Es hängt von dir ab.
Es hängt von deiner individuellen Trainingssituation, deinem Körpertyp und deinen athletischen Zielen ab. Und jeder, der dir sagt, es gäbe einen richtigen Weg, ohne deine Individualität in Betracht zu ziehen, hängt zu sehr einem bestimmten Ernährungsdogma an, das versucht, alle Menschen in die gleiche Schublade zu stecken.
So ist es auch mit den Kohlenhydraten: Viele Menschen haben gute Erfahrungen damit gemacht, diese zu reduzieren. Darunter auch ich.
Das bedeutet aber nicht, dass eine Reduzierung von Kohlenhydraten auch für dich der Schlüssel zum Erfolg sein muss.
Für jede Person, die mit einer kohlenhydratarmen Ernährung abgenommen hat, gibt es eine Person, die das gleiche mit einer fettarmen Ernährung geschafft hat.
Aber wie kann es sein, dass es so viele feststehende Meinungen gibt?
Ein Ernährungsdogma aufzubauen ist einfach:
- Suche dir ein paar Studien, etwa von den 24 Millionen Einträgen bei PubMed.
- Zitiere die Studien, die dein Dogma unterstützen.
- Ignoriere die Studien, die das Gegenteil behaupten.
Denn zu jedem Thema, gerade auf dem Feld der Gesundheit, gibt es zu jeder Aussage Studien dafür und dagegen.
Warum? Weil jede Ernährungsweise unter gewissen Umständen schon funktioniert hat, und unter anderen nicht.
Lass dich also nicht zu sehr von Studien beeindrucken. Nicht von mir und auch nicht von Professor Protein.
Professor Protein sagt:
Was willst du mir damit sagen??
Was zählt ist nur was für dich funktioniert. Natürlich kann Wissenschaft uns dabei helfen eine Grundlage zu schaffen. Dein persönliches Resultat ist im Zweifelsfall aber die letzte Instanz, auf die du hören solltest.
Diskutierst du mit jemandem über Ernährungskonzepte, hat am Ende der Recht, der gesund und mit seinem Körper zufrieden ist.
Das Problem an vielen Diskussionen ist, dass viele vergessen den diskutierten Weg auch zu gehen.
Es ist eine Sache, ob du intelligent klingen willst, wenn du anderen erzählst, wie sie sich mit dem Frühstücksbrötchen ein frühes Grab schaufeln. Es ist eine andere Sache, durch sichtbare Resultate in der Realität zu beweisen, dass der eingeschlagene Weg auch der Richtige ist.
Oder anders gesagt: Würdest du jemanden auch dann belehren wollen, wenn er bei gleichem Alter in offensichtlich besserer physischer Verfassung ist? Ich nicht.
Was ist das Vergleichsobjekt?
Es lässt sich also zu jeder Ernährungsweise eine Studie finden, die belegt, dass sie zum Abnehmen geeignet ist.
Sowohl Studien als auch persönliche Erfahrungsberichte haben eine Sache gemeinsam:
Sie beziehen sich meistens nur auf die westliche Standardernährung als Vergleichsobjekt.
Es gibt haufenweise Berichte von Gewichtsverlust und einem Gewinn an Lebensqualität, wenn Menschen von einer Ernährung voller Fertigprodukte, Zucker und Industriefett zu einer Paleo-Ernährung wechseln.
Genauso gibt es auch viele Menschen, die die gleichen Effekte beim Wechsel von der gleichen Ernährung zu einer vegetarischen bemerkt haben.
Deutlich seltener sind Berichte vom Wechsel zwischen zwei “guten” Ernährungskonzepten, wie etwa einer bewussten vegetarischen und einer Paleo-Ernährung.
Im Grunde belegen solche Erfolgsgeschichten also nicht unbedingt, dass Paleo oder vegetarisch einander überlegen sind. Sondern nur, dass eine unbewusste Ernährung voller Fertigprodukte nicht so toll ist.
Was keine Überraschung darstellen sollte.
Darum schneidet eine kohlenhydratarme Ernährung in Studien gut ab: Weil sie mit einer typischen kohlenhydratreichen, also einer europäischen oder amerikanischen Ernährung, verglichen wird.
Was aber, wenn man kohlenhydratarm mit einer gesunden kohlenhydratreichen Ernährung, etwa mit viel Reis, Gemüse und Fisch vergleicht? Der Unterschied sollte geringer ausfallen oder komplett verschwinden.
Japaner essen zum Beispiel nicht kohlenhydratärmer als Amerikaner, sind aber weniger von Übergewicht, Herzkrankheiten und Diabetes betroffen.
“Gut”, oder einfach nur “nicht schlecht”?
Fast jede Ernährung, die auf etwas Logik basiert und grundlegende Änderungen zu einer Ernährung voller verarbeiteter Lebensmittel macht, ist also gut! Beziehungsweise, sie ist nicht schlecht.
Fügt etwa Paleo viele neue gesunde Lebensmittel ein? Spüren wir positive Effekte, weil wir mehr Fleisch essen? Oder entfernt sie einfach nur die vielen ungesunden Lebensmittel, die wir davor gegessen haben und gibt dem ganzen einen schönen Namen?
Auch wenn ich vorhin gesagt habe, dass allgemeingültige Aussagen gefährlich sind: Ich denke, die meisten Menschen profitieren sehr davon, stark verarbeitete Lebensmittel mit haufenweise Industriezucker und Omega-6-Fetten aus ihrer Ernährung zu verbannen. Das ist eine Grundaussage der Paleo-Ernährung. Deswegen mag ich sie und ich denke, dass auch 90% aller Resultate, die mit ihr erzielt werden, aus der Verbannung dieser Lebensmittel kommen.
Das heißt aber nicht nicht, dass man das ganze gleich dogmatisch angehen sollte.
Die Paleo-Ernährung macht viele gute Veränderungen im Vergleich zu einer Standardernährung. Das bedeutet nicht, dass jedes Lebensmittel schlecht ist, nur weil wir es als Steinzeitmenschen nicht schon gegessen haben. Dunkle Schokolade zum Beispiel.
Was bedeutet das für mich?
Das Ratlose Rentier fragt:
Soll ich Kohlenhydrate jetzt reduzieren, oder nicht??
Du musst dich nicht vor ihnen fürchten. Aber du kannst davon profitieren, sie zu reduzieren.
Das Paleo-Prinzip mit der Aussage, sich nach der Ernährung der Urmenschen zu richten, halte ich für einen guten Ansatz, nicht weil das mit Sicherheit für dich die beste Ernährung ist, sondern weil die schlimmsten Lebensmittel wegfallen. Kohlenhydrate sind bei Paleo aber auch keineswegs verboten. Wie viele du essen solltest hängt von dir ab:
Bist du übergewichtig, hast immer viel Zucker gegessen und bewegst dich wenig, werden dir Kohlenhydrate vermutlich mehr schaden als helfen. Ich war in dieser Situation.
Eine starke Reduzierung von Kohlenhydraten, im Rahmen einer Paleo-Ernährung, hat mir geholfen 20 Kilogramm abzunehmen ohne mehr Sport zu machen als davor.Bist du aber sportlich, hast einen geringen Körperfettanteil und bist eher daran interessiert, athletisch und muskulös zu werden, gibt es für dich keinen Grund, vor Kohlenhydraten Angst zu haben. Sie können dir dann sogar helfen deine Ziele zu erreichen, schlank und muskulös zu werden.
Jetzt wo ich nicht mehr am Abnehmen interessiert bin esse ich oft kohlenhydratreich, besonders nach dem Training.
Eine typische Mahlzeit nach meinem Training… Lecker, oder? :)
Gute Quellen sind Reis, Quinoa, (Süß)Kartoffeln und Obst. Schlechte Quellen sind Produkte, in denen Zucker künstlich beigesetzt wird und nicht in der natürlichen Form vorkommt. Das Paleo-Prinzip kann also auch hier helfen!
Bedenke dabei aber:
Kohlenhydrate und Fette sind beides Energielieferanten.
Eine Paleo-Ernährung mit haufenweise Avocados, Olivenöl, oder einem Kaffee mit Kokosfett und Butter verliert seine Effektivität, wenn es dazu noch Haferflocken oder Reis gibt.
Stell es dir vor wie eine Wippe auf dem Kinderspielplatz: Geht einer der Energielieferanten nach oben, sollte der andere nach unten gehen.
Viele Bodybuilder schwören seit Jahrzehnten auf eine fettarme, aber kohlenhydrat- und eiweißreiche Ernährung. Und erreichen damit die Resultate, die sie sehen wollen.
Ich sage keinesfalls, dass Bodybuilder immer gesund essen. Sie wollen aber im Endeffekt das gleiche wie der Hobbyathlet – Kraft und Muskeln, aber nicht viel Fett. Sie würden sich dafür nicht so ernähren wie sie es tun, wenn es nichts bringen würde.
Steinzeitmenschen haben sich zwar viel bewegt, aber nicht ihre Muskeln progressiv überladen, um möglichst hohes Muskelwachstum hervorzurufen. Ist das dein Ziel, so darfst du deshalb auch etwas von einer Paleo-Ernährung abweichen.
Ein bisschen Dogma ist gut. Zu viel Dogma ist schlecht.
Mit einem generellen Plan, etwa “Ich esse viele Pflanzen und kein Fleisch.” oder “Ich esse nach der Paleo-Ernährung.” lassen sich viele Entscheidungen leichter treffen. Vor allem diese, ungesunde Lebensmittel zu verbannen.
Lass dich aber nicht von einem Ernährungsdogma verrückt machen. Ja, wir Deutschen essen vielleicht zu viel Getreide. Das Frühstücksbrötchen mit Nutella am Sonntag wird dir zwar nicht beim Abnehmen helfen, aber es wird dich auch nicht vergiften.
Es sollte dich nicht daran hindern, neue Lebensmittel auszuprobieren, oder dazu führen, dass du über die Ernährungsgewohnheiten anderer Menschen urteilst, auch wenn es für sie offensichtlich funktioniert.
Meine Fragen an dich:
- Isst du viele Kohlenhydrate? Merkst du einen positiven oder negativen Effekt von ihnen?
- Hast du beim Wechsel zwischen zwei bewussten Ernährungskonzepten große Unterschiede bemerkt?
PS. Liebe Grüße aus Finnland! Bald bin ich wieder im warmen Deutschland ;)
- Janek
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