Arbeitskollegen kommen nicht immer gut miteinander aus. Probleme untereinander führen aber nicht dazu, dass ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber die Entlassung eines Arbeitskollegen verlangen kann.
Anspruch auf Entlassung von Arbeitskollegen?
Es sind aber (Ausnahme-) Fälle denkbar, bei denen tatsächlich ein solcher Anspruch auf Kündigung eines Kollegen bestehen kann.
Entscheidung des Arbeitsgerichts Solingen
Das Arbeitsgericht Solingen (Urteil vom 24.2.2015 – 3 Ca 1356/13) hatte folgenden Fall zu entscheiden:
Ein Arbeitnehmer behauptete, dass er während einer Dienstreise von seinem Vorgesetzten sexuell missbraucht wurde. Der Vorgesetzte wurde strafrechtlich zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten verurteilt; das Urteil war aber noch nicht rechtskräftig.
Der Arbeitnehmer verlangte nun von seinem Arbeitgeber, dass dieser den Vorgesetzten kündigen sollte. Da der Arbeitgeber dies verweigerte, klagte der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht darauf, dass der Arbeitgeber zur Kündigung des Vorgesetzten verpflichtet werden sollte.
Das Arbeitsgericht Sollingen wies die Klage des Arbeitnehmers ab, führte aber aus, dass grundsätzlich ein solcher Anspruch auf Kündigung eines Arbeitskollegen bestehen könnte, hier aber nicht ausreichend bewiesen ist.
In seiner Pressemitteilung führte das Arbeitsgericht Solingen aus:
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Diese sei zwar überwiegend zulässig. Auch habe ein Arbeitnehmer nach § 12 Abs. 3 AGG Anspruch auf die Ausübung rechtsfehlerfreien Ermessens durch den Arbeitgeber. Wenn nach objektiver Betrachtungsweise eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung des Arbeitgebers nur das Ergebnis haben könne, eine bestimmte Maßnahme (wie etwa eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses) zu ergreifen, so habe der Arbeitnehmer Anspruch auf deren Durchführung. Eine solche Ermessensreduzierung sei bei einem sexuellen Missbrauch möglich. Allerdings steht aufgrund der Beweisaufnahme nicht zur vollen Überzeugung der zuständigen Kammer fest, dass der Vorgesetzte den Kläger sexuell missbraucht hat. Im Rahmen einer Analyse der Zeugenaussagen und der Anhörung des Klägers ist zwar die Darstellung des Klägers überwiegend wahrscheinlich, da diese mehr sogenannte Realkennzeichen aufweist, die für die Glaubhaftigkeit sprechen. Allerdings verbleiben Zweifel, so dass der Kläger das Beweislastrisiko zu tragen hat.
Anmerkung:
Bemerkenswert ist, dass das Gericht hier einen Anspruch auf Verpflichtung des Arbeitgebers zur Kündigung grundsätzlich als möglich ansah, wahrscheinlich aufgrund der schweren Vorwürfe. Andere mildere Maßnahmen (z.B. Versetzung etc) waren wahrscheinlich hier nicht denkbar. Allerdings ist dem Arbeitnehmer der komplette Nachweis des sexuellen Mibrauchts vor dem Arbeitsgericht nicht gelungen. Wahrscheinlich wird sich der interessierte Leser nun fragen, wie es sein kann, dass der Vorgesetze vor dem Strafgericht schuldig gesprochen wurde und das Arbeitsgericht hier Zweifel am Tatgeschehen hatte.
Dabei ist zu bedenken, dass zum einen das Strafurteil noch nicht rechtskräftig war und zum anderen auch ein Strafurteil keine Beweisaufnahme im „Zivil- und Arbeitsgerichtsverfahren“ ersetzt. Die Zivil-und Arbeitsgerichte sind an Urteile der Strafgerichte nicht gebunden und umgekehrt. Im Strafverfahren gibt es andere prozessuale Grundsätze; hier kann z.B. der Geschädigte Zeuge sein, während im Zivil- und Arbeitsgerichtsverfahren dieser „nur“ Partei ist.
Rechtsanwalt Andreas Martin