Am 14. Juni gab der SK Rapid die Maßnahmen bekannt, die der Verein nach dem Platzsturm beim Derby gegen die Austria am 22. Mai beschlossen hat. Viele sagen: das muss sein, um das Image des Klubs wiederherzustellen. Bei den Ultras und anderen Fanklubs stößt die Verlautbarung aber auf massive Kritik. In einer Aussendung teilten nun 15 Fanklubs von West- und Osttribüne mit, dass man den aktiven Support bei den künftigen Vorbereitungsspielen einstellen wird – als Reaktion auf die Maßnahmen und die mittlerweile von der Polizei durchgeführten Hausdurchsuchungen.
Für die strafrechtlichen Maßnahmen kann der Verein freilich nichts. Aber auch das Maßnahmenpaket, das Rapid ausgearbeitet hat, stellt sich nun in einem weiteren Punkt als angreifbar heraus.
Bild: Fußball Soccer Calcio & Co
Im zweiten der zehn Punkte kündigte der SK Rapid an, bei den “Platzstürmern” Regress nehmen zu wollen. Auf den ersten Blick eine logische Konsequenz, denn wer Verbotenes tut (Überklettern der Absperrung und Betreten des Rasens), der soll für die dadurch verursachten Schäden aufkommen. Nach der österreichischen Rechtsprechung ist das aber durchaus nicht so einfach.
In einer bisher nicht veröffentlichten Berufungsentscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Jänner 2011, Zl. 34 R 163/10p, sprach das Gericht aus, dass eine vom Strafsenat der Bundesliga über einen Verein verhängte Geldbuße nicht auf einen Anhänger überwälzt werden kann, der über die Absperrung geklettert und auf das Spielfeld gelaufen war.
Der Passus in Rapids 10-Punkte-Plan über den finanziellen Rückgriff lautet:
2. Regress:
“Die Verursacher sollen einen Beitrag zur Milderung des wirtschaftlichen Schadens leisten. So wird jeder identifizierte Platzstürmer mit einem Regressbetrag von € 1000,– belegt, der bis zum Ablauf des Stadionverbotes bezahlt werden muss. Sonst folgt dem Stadionverbot ein adäquates Hausverbot. Dem Verein obliegt nach Ansuchen die Entscheidung, ob eine Ersatzarbeitsleistung als Vereinsarbeit in der Höhe von 150 Arbeitsstunden geleistet werden kann.”
Der vom Landesgericht entschiedene Fall trug sich in der Steiermark zu und betraf nicht den SK Rapid. Der beklagte Fan gehörte dem Anhang der Auswärtsmannschaft an und hatte auf dem Rasen auch einen Ordner attackiert, wofür er gerichtlich verurteilt wurde. Dem Heimklub wurde von der Bundesliga eine Geldbuße von EUR 2.000 wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen auferlegt, den man nun, unter Berufung auf den Erwerb der Eintrittskarte und der damit akzeptierten Stadionordnung, in voller Höhe beim BG Favoriten gegen Anhänger Z. geltend machte. Dieser setzte der Klage entgegen, dass die Verbandsstrafe nicht wegen seines Verhaltens, sondern wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen ausgesprochen worden sei.
Sowohl das BG Favoriten als auch das Berufungsgericht LG für ZRS Wien wiesen die Klage ab. Obwohl es deutsche Judikatur gibt, die in ähnlichen Fällen eine Regressmöglichkeit eines Bundesligavereins gegen randalierende Fans bejaht, sehen die österreichischen Gerichte die Rechtslage anders. Nach deren Ansicht kann aus einer Verletzung der Stadionordnung, die Ordnungswidrigkeiten im Stadion verbietet, die Möglichkeit der Überwälzung der Verbandsstrafe nicht abgeleitet werden
Zur Begründung wird zunächst darauf hingewiesen, dass staatliche Geldstrafen generell nicht durch Vertrag abgewälzt werden können. Bei der Geldbuße, die der zuständige Senat der Bundesliga verhängt hat, handelt es sich zwar nicht um eine Geldstrafe im eigentlichen Sinn. Dennoch ist ein Regress ausgeschlossen, weil der Zweck der Verbandsstrafe ist, den Verein zur Gewährleistung der Sicherheit bei Matches anzuhalten. Und dieser Präventivzweck würde unterlaufen, wenn der Klub die Strafe nicht selbst tragen müsste.
Ob im Falle einer ausdrücklichen Vereinbarung einer Regresspflicht im Zuschauervertrag, den man mit dem Kauf der Eintrittskarte abschließt, eine andere Lösung möglich wäre, lässt der Berufungssenat des LG für ZRS offen: Die allgemeine Bestimmung der Stadionordnung, wonach jegliche Handlung, die Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Stadion gefährde, zu unterlassen sei, könne jedenfalls nicht als “(implizite) Überwälzungsvereinbarung” interpretiert werden.
Wenn auch Verbandsstrafen nach dieser Rechtsprechung nicht überwälzt werden können, einen möglichen Weg für einen Rückgriff auf “Platzstürmer” zeigt das Landesgericht aber doch auf:
“Auch nach Ansicht des erkennenden Berufungssenates soll ein randalierender Zuschauer keineswegs von jedweder Haftung für vom Verein erlittenen Vermögenseinbußen befreit werden. [Es] sind neben dem Regress der Verbandsstrafe auch zahlreiche andere Schäden, wie etwa ein Einnahmeausfall durch entgangene Werbeverträge oder sinkende Zuschauerzahlen denkbar, für die ein randalierender Fußballfan haftbar gemacht werden könnte.”
Beruft sich der SK Rapid bei der Durchsetzung seines oben genannten Maßnahmenpunktes 2 auf diese Rechtsmeinung, so muss er allerdings mehr nachweisen, als die erfolgte Verurteilung durch den Senat 1 der Bundesliga. Folgt man der Argumentation des Berufungssenatesn des LG für ZRS, dann kann sich der SK Rapid nicht bloß darauf berufen, dass er EUR 50.000 Strafe zahlen und zwei Heimspiele ohne Zuschauer austragen muss, was mittlerweile auch das Protestkommitee der Bundesliga bestätigt hat. Man müsste den wesentlich schwierigeren Beweis antreten, dass wegen der auf den Platz gelaufenen Fans Werbeverträge gekündigt oder nicht mehr verlängert wurden oder dass deshalb weniger Zuschauer zu späteren Spielen gekommen sind. Eine durchaus anspruchsvolle Beweisführung …
… die der SK Rapid aber wohl ohnehin nicht führen würde. Denn laut dem oben zitierten Maßnahmenpunkt soll auf die identifizierten “Platzstürmer” nur indirekter Druck ausgeübt werden: Wer nicht zahlt, kriegt ein Hausverbot. Klagen will Rapid anscheinend nicht einbringen. Trotzdem: Rapid sollte bei Anwendung dieser Maßnahme begründen, auf welcher Rechtsgrundlage und wegen welchen Schadens man die betreffenden Anhänger zur Zahlung der EUR 1.000 heranziehen möchte.