Ein Gastbeitrag von Simon Stratmann zur Wahl des Studierendenparlamentes an der Universität Trier. Simon Stratmann ist Doktorand an der Universität Trier, Mitglied der SPD sowie ehemaliger Senator und ehemaliger AStA-Referent für Hochschulpolitik.
Man vermisst als geübter Leser der LiLi-Schriften direkt das eigentlich obligatorische Zitat geheiligter Männer zu Beginn (mal Hegel, mal Brecht, falls einem nix einfällt halt Marx; bloß nicht Bakunin oder Trotzki). Aber die ersten Absätze lassen einen dann beruhigt in den altbekannten Flausch des marxistischen Ohrensessels hinabsinken. Runde Tische, Konsensfindung, Interessensvertretung, Kapitalismus/Kapital: böse! Klassenauseinandersetzungen, Systemabschaffung, Arbeiterkinder: gut!
Nachdem die mit einer gehörigen Portion stringenter und nachvollziehbarer Gesellschaftsanalyse- und Kritik gestopfte Pfeife geraucht ist, kommt man zu den Forderungen der Linken Liste in diesem StuPa-Wahlkampf: Keine Studiengebühren, Unizugang unabhängig vom Elterngeldbeutel, Master für alle Bachelors und Bacheloretten, keine NCs und Auswahlgespräche, kostenfreies Orientierungssemester, ordentliche Finanzierung der Hochschulen, kritische Wissenschaft. Diese Forderungen findet man in jedem Juso-/Grünen-/Bildungsstreik-Programm, und sie zeigen, dass die LiLis den Konsens doch nicht so radikal ablehnen, wie sie immer gerne vorgeben. Geschenkt!
Hellhörig wird man bei folgender Passage: „Eine abgeschlossene betriebliche oder schulische Ausbildung muss zum Studieren an deutschen Hochschulen berechtigen.“ Interessanter Punkt, denn wenn man sich ein wenig mit der SPD-Hochschulpolitik in Rheinland-Pfalz beschäftigt (aber das machen ja nur die blöden Interessenvertreter …), dann kommt man zu dem Schluss: In Paragraph 65 des neuen Landeshochschulgesetzes (das in den meisten Passagen leider furchtbar ist) wurde diese Forderung in dem Sinne verwirklicht, dass nach zweijähriger Berufsphase ein Hochschulstudium möglich ist. Haben die LiLis wohl verschlafen. Auch geschenkt!
Die letzte Forderung – ein Arbeiterkinderreferat im AStA – scheint für sie der Höhepunkt marxistischer Hochschulpolitik zu sein. Dass die Juso-HSG Trier mit dieser Forderung ebenfalls in den Wahlkampf zieht, muss ein Schlag in das Gesicht jedes aufrechten Revolutionärs sein. Da geht sie hin, die radikale Verve des erleuchteten Einzelkämpfers gegen das kapitalistische System. Hättet ihr euch mal um so etwas marktwirtschaftliches wie Copyrights gekümmert. Naja, nun seid ihr Mainstream. Aber wieder: Geschenkt!
Das Wahlkampfprogramm der Linken Liste ist angesichts der dort versammelten Intelligenz (und das meine ich ohne ironischen Unterton!) eine traurige Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen, die hinter jedem Anspruch und jeder Komplexitätskenntnis hochschul- und allgemeinpolitischer Zusammenhänge zurückbleibt. Fundamentalopposition muss klüger sein, als sich in die Nische verstaubter Versatzstücke marxistischer Mantras zurückzuziehen. Leider hält dieser Zustand bei den Lilis mittlerweile länger an, als es der hochschulpolitischen Landschaft gut tut. Sie war mal eine Hochschulgruppe, die intelligente Opposition betrieb, weil sie den Finger in die Wunde des krisenhaften Systems Universität (und ihrer Repräsentanten) gelegt hat. Mittlerweile weiß sie nicht mal mehr, wo die Wunden sind, weil dies eine inhaltliche Beschäftigung mit den tatsächlichen Fragen der (Hochschul-)Politik erfordert und nicht die Organisation einer hundertsten Veranstaltung zu Antonio Gramsci oder eine verzweifelte Polemik gegen die Piraten-HSG (wie in der aktuellen Aurora).
Alternativen von Seiten der Lili’s: Das „Ganze“ ganz anders machen. „Bin ich dabei, wo kann ich unterschreiben?“ So oder so ähnlich ist die momentane Geisteshaltung der Studi-Mehrheit, und die LiLis werden sich nicht erwehren können, dass sie mit der Kritik an solchen Verhaltensweisen eine Gemeinsamkeit mit dem Autor haben. Aber da hört der gemeinsame Weg auch schon auf. Das gilt auch für das Wahlkampfprogramm.
Wie hat der DDR-affine Franz-Josef Degenhardt mal gesungen: „Zwischentöne sind nur Krampf im Klassenkampf“. Nix da, alter Recke, Leonard Cohen hat da viel mehr Recht: “There’s a crack in everything, that’s how the light gets in”. Arbeitet wieder dafür, diese Zwischentöne, diese Brüche zu finden und zu konkretisieren, -nur dann ist Hochschulpolitik weder eine Sache von verstaubten Worthülsen auf der einen noch angepasster Karrierefixierung auf der anderen Seite.
Momentan haben da der linke und der rechte Rand eine gefährliche Gemeinsamkeit: Die Faulheit und Unkenntnis, die dazu führt, lediglich Plattitüden absondern zu können. An diesem Punkt niemals: Geschenkt!