Kalte Küche

Foto: Kung Shing - Ein Traum einfach essen und hinterher ein Espresso.

Foto: Kung Shing - Ein Traum einfach essen und hinterher ein Espresso.

Ich mag nicht mehr kochen. Das geht jetzt schon seit Monaten so. Es ödet mich an. Es war mal anders. Ganz anders. Ich habe Kochen geliebt, solange ich denken kann. Mein Vater war kantonesischer Koch, ich konnte ihn stundenlang dabei zusehen. Später habe ich ihm geholfen, egal ob ich Gemüse geputzt, Hühner geschlachtet oder Fische ausgenommen habe, daraus etwas Leckeres zu zaubern hat mich lange Zeit fasziniert.

Später als junger Mann habe ich schnell gemerkt, das Kochen können überlebenswichtig war, wenn es richtig gut schmecken sollte. Ich kann mich noch an die Pre-Jamie-Oliver-Zeit erinnern, da bin ich quer durch die Stadt gefahren um Reismiso, Okra oder Salchicha zu bekommen. Ich bin gerne mit vollen Tüten heimgekehrt und habe dann stundenlang in der Küche gestanden. Ich war gerne Koch. Jetzt strengt mich sogar der Gang zum Bäcker an.

Es ist auch nicht das Einkaufen, das mir die Kochlust raubt. Dass es heute eine Vielfalt gibt, finde ich sogar gut. Es stört mich auch nicht, dass heute alle Gourmets oder Connaisseure sind. Ganz schlimm, wenn Mitglieder der sogenannten „Scharlottenfraktion“ Käse- oder Wursttheken belagern und sich durch die Abteilung probieren, um dann festzustellen, dass der korsische Höhlenschafskäse mit Wildblumenmantel doch nicht so schmeckt, wie im Urlaub. Ich ertrage das Theater mit viel Geduld und Interesse.

Foto: Kung Shing - Bohnenzeit ist Schnippelzeit und genauso schrecklich für mich, wie Anne Will gucken.

Foto: Kung Shing - Bohnenzeit ist Schnippelzeit und genauso schrecklich für mich, wie Anne Will gucken.

Ich glaube, es fing alles mit einem Risotto an.

Für meine Risottos bereite ich selber die Brühe vor. Das Gemüse putzen und schneiden kam mir plötzlich endlos vor. Ich betreibe den Aufwand, weil ich den Geschmack von Sellerie oder Karotte schmecken möchte. Während ich lustlos in meinen Risotto rumrührte, wurde mir klar, dass ich nur koche, weil ich gerne esse. Aber kann man beides voneinander trennen, so wie einige Menschen Liebe von Sex trennen? Ich glaube ja. Ich musste an meinen Vater denken, der noch kurz vor seinem Tod in der Küche stand. Dann fiel mir auf, wie viel ich von meinen Küchenutensilien nicht mehr benutzt habe und ich im Grunde in Abständen immer nur dasselbe koche.

Meine Frau meinte, ich bräuchte vielleicht ein wenig Inspiration. Ich entgegnete ihr, dass ich mit „Food“ täglich bombardiert werde. Dass jeder, der einen Hackbraten oder Spätzle hinbekommt, es sofort auf Facebook oder Instagram postet. Überhaupt halte ich die Kombination von Smartphone und Thermomix für fragwürdig. Sie empfahl mir, ich sollte vielleicht doch wieder ein Kochbuch kaufen. Ich ging daraufhin in die Buchhandlung und es gab dort eine riesige Auswahl an Kochbüchern. Es scheint, als hätten Kochbücher Reisebildbände als Traumreserve abgelöst. Jeder Strand in der Südsee ist heute leicht erreichbar, aber eine gute Hühnersuppe hinzubekommen kann ein weiter Weg sein. Die Menschen blättern heute in Kochbüchern, wie ich damals als kleiner Junge in einem Otto-Katalog. Ich verließ die Buchhandlung ohne ein Kochbuch und träumte weiter von einem Leben ohne Küche.

Zu Hause fing ich an meine Kochbücher auszusortieren und brachte sie zum Altpapiercontainer, wo seltsamerweise schon ganz viele rumlagen. Ich erzählte meiner Frau von den verlassenen Kochbüchern. Meine Theorie war damals, dass es Bücher von Frauen waren, die gemerkt hatten, dass der Kochtrend nur gemacht wurde, um Frauen weiter an den Herd zu binden, aber diesmal nur mit Zuckerbrot und ganz ohne Peitsche. Manchmal geht mein innerer Soziologe mit mir durch. Meine Frau lächelte mich an und meinte, ich sei wohl ein wenig Overfood oder gar Food-Fatigue.

Mag sein - aber in Wahrheit möchte ich einfach nur etwas essen.

Foto: Kung Shing - Heute kann ich Pommes nicht einfach mehr essen, ohne dass ein Schlauberger irgendeine Brüsselgeschichte erzählt, wo er besonders toll Pommes gegessen hat und wie man sie richtig zubereitet.

Foto: Kung Shing - Heute kann ich Pommes nicht einfach mehr essen, ohne dass ein Schlauberger irgendeine Brüsselgeschichte erzählt, wo er besonders toll Pommes gegessen hat und wie man sie richtig zubereitet.


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