Kai Meyer - der Wellenläufer

Von Davidgray300 @davidgray300

Kai Meyer hat mit seinen Fantasy-Sagas ein Millionenpublikum erreicht, seine Bücher wurden in dutzende Sprachen übersetzt und er hat die literarischen Vorlagen zu mehreren Spielfilmen geliefert. Er hat Fans auf der ganzen Welt.
Hallo Kai, vielen herzlichen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst mir hier ein paar Fragen zu beantworten.Ich weiß, dass Du zu den sehr wenigen deutscher Bestsellerautoren gehörst, die sich dazu entschlossen haben, einige ihrer Backlisttitel auch selbst zu publizieren. Das allein wäre ja schon einen Blogpost wert.Aber Du stellst es ja ein wenig anders an, als zum Beispiel Akif Pirinçci oder Andreas Eschbach, die sich ganz allein in die neue wilde Welt des Selfpublishing  begaben. Berichte doch einmal kurz über das Projekt MiMe, das Ebook- Label, unter dem Du Deine Backlisttitel jetzt veröffentlichst.
Tatsächlich habe ich gerade auch zum ersten Mal einen Text in Eigenregie bei Amazon online gestellt, eine Kurzgeschichte mit dem Titel „Drachenreigen“ Bis zum 29. Juli ist der Download noch kostenlos, danach bleibt der Preis unter einem Euro.Was MiMe angeht: Unter diesem Kürzel fungiert die Agentur Michael Meller – also mein Agent – als eigener E-Book-Verlag. Wobei er meines Wissens nur Autoren veröffentlicht, die ohnehin bereits bei ihm unter Vertrag stehen. Meine Bücher sind sein erster Versuchsballon. Die beiden ersten laufen bislang recht ordentlich – im Rahmen deutscher E-Book-Verhältnisse –, in diesen Tagen kommen gerade die nächsten acht Titel dazu.Um ehrlich zu sein war es zunächst eine Entscheidung aus Bequemlichkeit, die Backlist-Titel über MiMe zu veröffentlichen. Der Zeitaufwand ist ja doch nicht ohne, vor allem wenn die Texte noch konvertiert werden müssen. Die Alternative wäre, gleich zu Anbietern wie Bookwire zu gehen und sie alles Nötige machen zu lassen. Ich probiere derzeit einfach mal ein wenig herum, um hoffentlich dann, wenn E-Books auch bei uns eine größere Rolle spielen, gut vorbereitet zu sein und genau zu wissen, was zu tun ist.

Kai Meyer - Fantasyautor, aber kein Fantast


Worin bestand die Hauptmotivation diesen Weg zu beschreiten? Ging es dabei nur um’s Geld? Müssen sich Deine Fans etwa Sorgen um Kai Meyers Einkünfte machen? Bist Du gezwungen demnächst kellnern zu gehen, falls Deine Ebooks sich wider Erwarten nicht gut verkaufen?
Ich glaube nur an wenige von diesen E-Book-Erfolgsgeschichten, die man derzeit ständig zu hören bekommt. Nicht jede hochgeladene Datei wird gleich ein „Shades of Grey“. Und ich lebe nach wie vor sehr gut von meinen gedruckten Büchern, der neue Roman erscheint im Dezember wieder als Hardcover im Carlsen-Verlag – und dort gehört er auch hin. Ich werde sicher weiter experimentieren, auch mal mit Originaltexten, aber die Direktveröffentlichung eines ganzen Romans von 400, 500 Seiten als E-Book sehe ich derzeit für mich noch nicht.
Wie sah die Reaktion Deines Verlages darauf aus, dass Du jetzt bei MiMe veröffentlichst? Gab’s womöglich einige lange Gesichter in den Lektorenkonferenzen? 
Keine Ahnung, ich sitze ja nicht in Lektorenkonferenzen. Aber die Bücher, die jetzt bei MiMe erscheinen, sind alle bereits in zwei, meist sogar drei Verlagen veröffentlicht worden, teils mit Hardcover-Vorlauf. "Der Schattenesser" etwa ist erst bei Aufbau im HC erschienen, dann zweimal bei Heyne und ein drittes Mal bei Bastei-Lübbe als Taschenbuch. Die dürften alle daran verdient haben, was es eben zu verdienen gab. Zuletzt habe ich einfach die Rechte wieder eingesammelt und bringe sie jetzt als E-Book auf den Markt. Das scheint mir derzeit die natürliche Verwertungskette zu sein.
Siehst Du auch Gefahren im Selbstpublishing (übrigens ein furchtbares Wort, das sich allerdings wohl leider durchsetzen wird)?
Die Gefahren sind kein Geheimnis: Zum einen könnten sich die Leser an die niedrigen Preise gewöhnen, zum anderen mag der eine oder andere nicht mehr erkennen, wo die Qualitätsunterschiede zwischen einem professionell lektorierten Hardcover und einem selbstpublizierten 2,99-Euro-E-Book liegen. Im Augenblick habe ich aber den Eindruck, dass die erfolgreichen E-Books in Deutschland vor allem den Heftroman ersetzen: preiswert, Genre, mal eben so in der U-Bahn weg gelesen.
Du wirst ja mit Deinen MiMe-Titeln den umgekehrten Weg gehen – vom Verlag heraus, in die Indieszene. Die meisten Indie-Kollegen, ob erfolgreich oder weniger erfolgreich, hoffen ja eher darauf, dass sie mit ihren Werken von einem der großen Verlage entdeckt und veröffentlicht werden.
Und bei wie vielen hat das funktioniert? Die Zahl ist ja noch recht überschaubar. Ich glaube auch nicht, dass sich die Verlage einen Gefallen damit tun, jedes halbwegs gut gehende E-Book zwischen zwei Buchdeckel zu drucken. Am Ende kann man nur hoffen, dass sich Qualität durchsetzt. Die eher nicht so tolle Variante wird es weiterhin geben, aber da wären wir dann wieder beim Vergleich mit dem Heftroman – den hat es auch immer gegeben und er hat weder Hardcover noch Taschenbücher verdrängt. Das Merkmal „Billig“ wird immer manche Leute überzeugen – man muss ja nur in die scheußlichen Fleischtheken der großen Supermärkte schauen –, aber guter Literatur wird das letztlich weder gedruckt noch digital gefährlich werden.
Würdest Du einem jungen Kollegen raten, es zunächst einmal damit zu versuchen bei einem guten Verlag unterzukommen, bevor er/ sie seine / ihre Titel als Indie veröffentlicht?
Nach heutigem Stand der Dinge würde ich immer und auf jeden Fall dem Verlag den Vorzug geben. Autoren sollen und wollen wohl auch in erster Linie schreiben und sich nicht um Marketing und Vertrieb kümmern müssen. Ich habe gerade im Schnelldurchgang mehrere Ratgeber zum Thema Selfpublishing gelesen und das ist grundsätzlich ja auch alles gut und schön – aber wenn man wirklich alles so macht, wie es dort geraten wird, dann kommt man kaum noch dazu, wirklich gründlich und konzentriert eine gute Geschichte zu erzählen.

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