Justine privat - Mutter(un)glück

„Ich freue mich unglaublich, dass du bist“, sage ich und schließe die Arme um sie. „Es ist viel zu lange her.“Sie lacht und drückt mich fest an sich. Seit meiner Zeit in Hamburg ist unser Kontakt nie ganz eingeschlafen - dennoch haben wir uns seit mehr als einem Jahr nicht mehr gesehen. „Wird auch wirklich Zeit, dass wir es mal wieder schaffen“, meint sie zwinkernd und lässt sich auf dem Stuhl nieder. Vor Ihr steht bereits ein großer Mandel-Vanilla-Macchiato. Es gibt wenig Menschen wie sie. Menschen, bei denen es egal ist, wie lange man sich nicht gesehen hat, man macht einfach genau da weiter wo man aufgehört hat. „Nun los, setz dich und erzähl mir, wie dein Leben dich wieder in den Wahnsinn treibt“, kichert sie und ich folge ihrem Befehl und setze mich vor sie. Das Cafe ist rappel zusammenvoll und von allen Seiten dröhnen Gesprächsfetzen auf mich ein. „Um ehrlich zu sein, gibt es  im Moment nicht sehr viel zu erzählen.“„Ach bitte, ich bin treue Blogleserin - ich weiß ALLES!“Sie lacht und beugt sich leicht nach vorne. Ihr hübsches rundes Gesicht scheint immer zu strahlen und ich bewundere sie dafür, dass sie immer und  jederzeit weiß, was sie zu tun und zu sagen hat, ohne dabei ihr Lächeln zu verlieren. Ich wäre gerne wie sie, aber ich bin es nicht. Umso besser, dass ich sie zu meinen Freunden zählen darf. „Wenn du schon alles weißt, dann brauche ich dir ja nichts mehr zu erzählen“, gebe ich zurück. „Also sag mir, wie großartig es ist, verheiratet zu sein und ein Kind zu haben.“Sie lacht wieder. „Es ist scheiße - aber das muss ich dir wohl kaum sagen.“Ich stimme in ihr Lachen ein und schüttle den Kopf. „Nein, ernsthaft. Wie geht es dir?“„Gut. Die Kleine ist wirklich süß und eine Ausgeburt der Hölle. Dem Mann gehts gut. Er kann mit Dämonen ganz gut umgehen wie du weißt - aber sein Job macht ihn mürbe. Im Moment drehen wir uns etwas im Kreis.“„Wie meinst du das?“„Ich meine dass es Scheiße ist, erwachsen zu sein und immer älter zu werden.“„Du bist doch nicht alt!“„Nein, noch nicht - aber ich werde es langsam und endgültig. Seit die Kleine geboren ist, fühlt es sich an, als hätte jemand die Zeit noch beschleunigt. Zum Glück ist sie aus den Windeln raus, es gibt kaum etwas Widerlicheres …“, wieder kichert sie, doch dieses Mal sieht sie dabei etwas gezwungen aus. „Ich würde dir jetzt gerne irgendwas sSchlaues sagen, aber bei Kindern schaltet mein Hirn in den „Mimimimi“-Modus“, erkläre ich und rühre in meinem Sojalatte herum. Ich konnte sie mir nie als liebende Mutter und Ehefrau vorstellen - irgendwie schien das nicht zu ihr zu passen. Dennoch hat sie diesen Weg bewusst eingeschlagen. „Bist du glücklich?“ „Nein, im Moment eher selten.“
Ich sehe sie überrascht an, doch sie zuckt mit den Schultern und seufzt leise. „Ich wollte nie Mutter sein und manchmal frage ich mich, ob es richtig war, die Kleine zu bekommen. Mir war schon immer klar, dass ich nicht dafür geschaffen bin ,mich den ganzen Tag um jemanden zu kümmern. Aber ich liebe sie und bald ist das sSchlimmste hoffentlich geschafft. Sobald sie in den Kindergarten geht, kann ich vielleicht wieder etwas mehr ich sein …“Sie streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht und scheint einen Moment in ihren eigenen Gedanken versunken zu sein. In mir selbst tobt derweilen eine Diskussion ob ich sie bedauern oder bewundern soll. Meine Gefühle sind so unschlüssig wohin die Reise gehen soll. „Es ist schön, dass ich solche Dinge vor dir aussprechen kann, ohne das du mich gleich als Hexe auf den Scheiterhaufen zerrst.“„Warum sollte ich das tun?“„Weil alle anderen es tun würden.“„Ich denke Mutter zu sein ist der beschissenste und undankbarste Job der Welt.“„Danke für deinen Aufmunterungsversuch.“Ich lege den Kopf schief und verziehe die Lippen, weil ich nicht sicher bin, was ich ihr am besten sagen soll. „Ich glaube, insgeheim denken viele so - sie haben nur Angst, es würde sie zu schlechten Menschen machen, wenn sie es aussprechen“, denke ich laut und versuche zu ignorieren, wie am Tisch neben uns über den One-Night-Stand der letzten Nacht geredet wird. „Ja, vielleicht - oder ich bin wirklich ein schlechter Mensch.“„Blödsinn, wenn du dein Kind in die Gefriertruhe steckst, weil du nicht damit zurecht kommst, können wir noch mal darüber reden.“„Dieser Gedanke kam mir auch schon …“, murmelt sie und der Schleier in ihren Augen wird dunkler. „Ich spiele einfach das „Was wäre wenn …“-Spiel. Immer und immer wieder. Ich mochte mein Leben vorher. Ich war glücklich - und nun …“„Du machst eben gerade eine schwere Zeit durch“, versuche ich es noch einmal. Doch sie winkt lachend ab.„Nein, eine schwere Zeit ist es, wenn man krank ist oder pleite - oder wenn man du ist.“ „Na vielen Dank auch.“„Ich habe es nicht schwer. Ich habe eine tolle Tochter, einen tollen Mann und eine schöne Wohnung - das Traumleben von ein paar Millionen anderen. Aber eben nicht meins.“„Dann machen wir es wieder zu deinem Traumleben“, sage ich ganz ernst und meine das auch so. „Wenn die Kleine in den Kindergarten geht - so wie du gesagt hast. Dein Leben ist doch nicht vorbei, nur weil du Mutter bist.“„Aber genauso fühlt es sich an.“ Beklommen suche ich nach den richtigen Worten. Doch leider bin ich genau die falsche Person für so ein Gespräch. Sie lebt gerade meine persönliche Horrorvorstellung. Ich wollte nie Kinder und ich will sie noch immer nicht, obwohl ich bereits in einem Alter bin, in dem ich mich entscheiden muss. Kinder oder keine Kinder - das ist hier die Frage. Für mich eindeutig, für sie war es auch immer so - doch nun hat sie dennoch eins und sie liebt es, aber es macht sie unglücklich. Normalerweise bin ich doch diejenige, die dir erzählt, das alles wieder gut wird“, meint sie neckend. „Und nun musst du dich mit meinen Ersten-Welt-Problemen herumschlagen.“„Ich schlage mich nicht herum. Du weißt, dass ich dich verstehe.“„Ja, dass weiß ich. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal neidisch auf dich wäre - aber ich bin es.“Nun muss ich lachen. „Glaub mir, wirklich spaßig ist mein Leben noch immer nicht, aber es wird besser.“„Genau das ist der Punkt - es wird besser, nicht schlechter.“„Deins auch nicht - es ist nur eine Phase.“„Ich wünschte ich könnte dir glauben.“
Wir schweigen. 

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