Während in einem Auto die Sitzzahl doch eher begrenzt ist und man sich mit Mitfahrer auch noch aussuchen kann, ist man in einem Zug der Willkür des Schicksals und der Bahnangestellten ausgeliefert. Da ich jedoch kein Auto besitze (Wozu auch mitten in der Stadt?) bleibt es doch meist bei der Bahn.
Meine Ziele sind dabei meist wenig kreativ: Hamburg oder Berlin. Viel dazwischen gibt es meist nicht für mich. Heute soll es Berlin sein. Nach dem Zahn-Horror der letzten Woche habe ich mir eine kleine Auszeit verdient um gute Freunde zu treffen und mich in meiner heimlichen Heimat etwas umzusehen.
Berlin ist immer im Wandel. Jedes Mal, wenn ich wieder dort ankomme, entdecke ich etwas Neues und habe eine neue Geschichte zu erzählen. Dafür nehme ich es dann auch gerne in Kauf an einem Samstag früh aufzustehen und mich in den Zug zu setzten. Von nichts, kommt nichts. Während die Landschaft an mir vorbei zieht und ich in Gedanken schon in Friedrichshain beim Pizzaessen bin, setzt sich jemand neben mich. Er betrachtet kritisch, wie ich auf meinem Mac tippe und ich erwarte schon fast, dass er mir eine Predigt darüber hält, wie „überteuer und veraltet“ doch die Technik ist, die ich nutze und dass dieses „Hipster“ Gehabe einem auf die Nerven geht. Geräuschvoll auf seinem Kaugummi kauend sieht er mich an, als erwartet er dass ich das Gespräch beginne. Allerdings ziehe ich es vor, weiter rumzutippen und ihm nur aus dem Augenwinkel zu beobachten. Mir steht nicht der Sinn ist nicht nach sinnfreien Smaltalk. Wirklich nicht. „Am Arbeiten?“
Innerlich stöhne ich etwas auf, was finden Menschen nur immer so spannend an diesen sozialen Interaktionen? Ich sehe schon auf den ersten Blick, dass wir keine Gesprächsthemen haben werden, die auch nur halbwegs produktiv sind.
„Was muss, dass muss“, gebe ich zurück und zwinge mich, wenigstens halbwegs nett zu sein. Schließlich will ich mir mein Karma für Berlin nicht gleich versauen. „Sie benutzten einen Mac?“ Ich beiße mir auf die Zunge. Diese Art der rhetorischen Fragen habe ich noch nie verstanden. Es ist doch offensichtlich, das ich ihn benutzte. „Meine Verlobte hat sich auch einen gekauft, ich verstehe das mein besten Willen nicht“, meint er und ignoriert dabei die Tatsache, dass ich versuche, ihn zu ignorieren. „Die einen lieben es, die anderen hassen es“, gebe ich diplomatisch von mir und notiere mir im Kopf, dass ich vielleicht doch in die Politik gehen sollte. Ich habe es echt drauf mit diesen nichtssagenden Antworten. „Macht Ihnen das keine Probleme?“ Jetzt blicke ich ihm das erste Mal ins Gesicht und ziehe die Augenbrauen zusammen. „Was jetzt? Die Technik? Nein, ich finde es wesentlich einfacher und eindeutiger als Windows.“ „Nein, nein. Ich meinte die ganzen Tättoowierungen auf Ihren Händen …“, als wüsste ich nicht, wo meine Hände sind, zeigt er noch einmal darauf. Damit hat er auch die letzten Sympathiepunkte bei mir verloren. Ich kann schon an der Art zu reden hören, was er sich für ein Bild von mir in seinem Kopf zusammengebaut hat. „Nein, auch da keine Probleme.“ Ich schaue wieder auf meinem Bildschirm, allerdings besitzt der junge Mann nicht die Freundlichkeit sich ebenfalls auf seine Sachen zu konzentrieren. „Als was arbeiten Sie denn, dass Sie keine Probleme damit haben?“ Innerlich koche ich bereits, aber die Yoga Atemübungen machen sich auch hier wieder bezahlt. „Ich führe ein Online-Magazin und arbeite im Bildungsbereich“, sage ich mit einem Zahnpastalächeln und spare es mir, nach seiner Aktivität zu fragen. Er sieht beeindruckt aus. Allerdings nur, weil ich es schöner formuliert habe als „bloggen und Nachhilfe geben“. „Also die Lehrer meiner Kinder dürften nicht tätowiert sein“, meint er und schnäuzt dabei auf eine seltsame Art die Nase, so dass ich unwillkürlich das Gesicht verziehe. Mein Bauchgefühl hat mich mal wieder nicht getäuscht. Neben mir sitzt ein unschönes Exemplar der Spezies Mensch. „Warum? Haben Sie Angst, ihre Kinder könnten etwas aufgeschlossener werden als Sie?“ „Das gehört sich einfach nicht.“ „So wie Sex vor der Ehe?“ „Jetzt sind Sie aber frech!“ „Setzen Sie sich doch woanders hin, wenn es Sie nervt, dass ich an meinem MacBook mit meinen tätowierten Fingern schreibe“, sage ich zuckersüß und fummle meine Kopfhörer aus meinem Rucksack. Ich drehe die Musik laut genug auf, damit ich sein empörtes Gemurmel nicht mehr hören muss, während er sich seine Sachen schnappt und sich tatsächlich umsetzt. Ach Berlin, was tut man nicht alles um zu dir zu kommen …