
„Wer an der Küste bleibt,
kann keine neuen Ozeane entdecken“
Ferdinand Magellan
Ich bin in meinem Zuhause, meiner Heimat, an meinem Hafen - und doch fühle ich mich ein Fremdkörper. Auf den ersten Blick scheint es fast so, als wäre ich das typische Küstenmädchen. Jemand, der genauso zu Rostock gehört wie Dritte Wahl und Anker Tattoos, doch wagt man einen zweiten Blick sieht man es. Ich gehöre hier nicht her. Das war schon immer so und wenn ich etwas bereue, dann das ich wieder gekommen bin. Heimat ist etwas seltsames, manchmal verführt sie uns dazu wieder zurück in ihren wohl bekannten Schoß zu kommen und einfach zu bleiben, weil es gemütlicher ist, weil man ja ohnehin, hier alles hat was man zum leben braucht. „Da wäre zum einen, dass ich hier nur meinen Notfallplan studieren kann und zum anderen dass ich mich hier gefangen fühle.“„Warum gefangen?“„Ich habe schon überall gearbeitet, schon mit jedem an der Bar gesprochen und jede Diskussion über Hansa gefühlt - ich langweile mich“, antworte ich langsam und weiche ihrem Blick aus. „Das wäre in einer anderen Stadt in ein paar Jahren genauso“, meint sie und ich kann es ihr nicht verübeln. Unrecht hat sie damit nicht. „Ich mag es anonym, unpersönlicher - in Rostock kennt jeder jeden. Egal, was man tut und was geschieht. Die halbe Stadt weiß es bereits, bevor man auch nur eine Nacht darüber geschlafen hat. Es ist schon fast Szene-Inzest.“Sie kichert leise und nickt zustimmend. Rostock ist zu klein für Anonymität und zu groß um nicht nach mehr, als dem typischen Hausfrauen leben zu streben. „Ich will einfach hier raus, meine Flügel ausbreiten und fliegen.“„Das kannst du auch von hier aus, flieg wohin du willst und dann kommst wieder nach Hause“, merkt sie an und ich spüre das vertraute ziehen in meinem Herzen und die Angst, die sich Tief in mir fest gesetzt hat. „Das würde meinem Crza gefallen, er liebt es hier …“„Warum auch nicht?“, sagt sie ernst. „Der Hafen, die Ostsee - alle paar Monate sogar eine halbwegs gute Band und nicht zu vergessen all die Menschen die euch lieben.“„Bin ich ein schlechter Mensch, weil mir das nicht reicht?“„Nein“, meint sie ehrlich und zwinkert in die Sonne. „Aber vielleicht solltest du dir darüber bewusst werden, dass auch die Option hier zu bleiben nicht das schlechteste wäre. Du kannst auch von hier aus fliegen …“„Ich will hier nicht versauern, die immer gleichen Gesichter und immer gleichen Geschichten“, murmle ich. „Das würdest du nicht. Du bist hier genauso frei wie überall anders auch - die einzige Person die dich einsperrt bist du selbst.“

Ich unterdrücken ein fluchen und blicke wieder auf das Wasser. Der Hafen ist meine Heimat. In meinem Leben habe ich mich selten an einem anderen Ort so wohl gefühlt wie hier - und doch würde ich ihn jeder Zeit wieder aufgeben.
