Jung & Schön

Film-Festivals Jeune-&-Jolie-©-2013-Viennale

Veröffentlicht am 7. November 2013 | von Martina Brenner

Wertung

Summary: Ozon präsentiert das Thema Prostitution aus einer neuen Sichtweise, sogar teils mit Komik behaftet, dabei aber inhaltlich sehr gewagt

Drama

Francois Ozon hat mit Jung & Schön (im Original: Jeune et Jolie) einen neuen Film vorgelegt, der die Verwirrung jugendlicher Sexualität auf eine ganz spezielle Art präsentiert.

Die attraktive 17-jährige Isabelle (Newcomer Marine Vacth) erlebt in den Sommerferien ihr erstes Mal mit einem deutschen Touristen am Strand. Sichtlich enttäuscht von diesem Erlebnis zeigt sie dem Jungen ab jenem Zeitpunkt die kalte Schulter und fährt nach den Ferien nach Paris zurück. Wieder zu Hause beginnt sie ein heimliches, gefährliches “Lolita”-Spiel: Sie vereinbart über Internetplattformen und per Telefon Treffen mit betuchten Männern und lässt sich unter ihrem Pseudonym Lea für Sex bezahlen.

Anfangs noch sichtlich angeekelt, beginnt sie scheinbar Gefallen an dem Geschäft zu finden – und ob dies tatsächlich der Wahrheit entspricht, lässt Regisseur Ozon (Swimming Pool, 8 femmes, Dans la maison) offen. Das Doppelleben des nicht als solchen erkennbaren Teenagers nimmt nach einem Unfall mit einem Freier jedoch ein abruptes Ende, als die Polizei schließlich auf sie aufmerksam wird und ihre Mutter informiert.

Bis zu dem Zeitpunkt, als das Doppelleben Isabelles auffliegt, wird sie distanziert und kühl von der Kamera begleitet. Als Zuschauer erfährt man weder das Motiv für ihre Prostitution noch warum sie damit aufhört, denn auch nach dem Unfall zeigt sie keinerlei erkennbare Emotionen. Man kann Vermutungen anstellen: Tut sie es aus Trotz, weil der Sex mit dem Jungen am Strand desillusionierend war? Aufgrund der Tatsache, das die Mutter ihren Partner betrügt? Weil der leibliche, von ihr getrennt lebende Vater ihr zweimal jährlich 500 Euro schickt, den Betrag, den sie von den Freiern verlangt? Auch das Geld, das sie verdient, hortet sie kindlich und fein säuberlich im Kleiderkasten – was sie damit vorhat wird nicht verraten.

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Anders als vergleichbare Filme, die dieses Thema behandeln, sind die Männer, die Isabelle trifft, zwar bedeutend älter als sie, aber trotzdem relativ ansehnlich und vorwiegend überaus reich. Sie trifft sie in teuren Hotels, erfährt keine Gewalt und auch perverse Szenen werden ausgespart. Damit bleibt der Film glatt, was auf viele Zuseher sicher verstörend wirken mag. Es ist nicht okay, dass eine 17-Jährige mit einem Mann, der ihr Großvater sein könnte, gegen Geld schläft. Von diesem Gefühl und Wissen geht der Regisseur aus, ohne es auf der Leinwand vorzugeben, sondern er lässt es im Zuschauer entstehen. Die volle Aufmerksamkeit, die ganz auf der Hauptdarstellerin liegt, wird dabei nie unterbrochen. Mit dem gleichen Voyeurismus, mit dem ihr die Männer begegnen, begegnen ihr damit auch die Zuschauer. Und sie beginnt mit ihren Reizen zu spielen, sie gekonnt einzusetzen und lässt dabei niemanden aus – weder den Stiefvater noch den Psychologen, noch die Zuschauer.

Neben Isabelle lebt auch ihr kleiner Bruder in der Pariser Wohnung, der dabei ist, seinen Körper zu erforschen und sich für Mädchen zu interessieren beginnt. Und er interessiert sich brisanterweise vor allem dafür, was seine große Schwester tut. In sich genommen ist Jung & Schön vor allem ein Werk über das Erwachsenwerden, über oberflächlich scheinbar gut funktionierende bürgerliche Familienstrukturen und über den freizügigen Umgang mit Sexualität.

Regie und Drehbuch: Francois Ozon
Darsteller: Marine Vacth, Géraldine Pailhas, Fréderick Pierrot, Fantin Ravat, Charlotte Rampling
Laufzeit: 93 Minuten, Kinostart: 29.11.2013, gezeigt im Rahmen der Viennale V’ 13

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Über den Autor

Jung & Schön

Martina Brenner Aufgabenbereich selbst definiert als: Kinoerlebnissesammlerin. Findet es schön, dass “die Kamera etwas sieht, was das menschliche Auge durch den Gewohnheitsblick nicht wahrnimmt. Das ist Kino.” (Alexander Kluge).


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