Julia Schmid aus Hannover bekommt den Kunstpreis der Sparkasse Hannover 2013
Julia Schmid aus Hannover hat den Kunstpreis der Sparkasse Hannover für 2013 bekommen. Herzlichen Glückwunsch!
Ich kenne sie nicht und kenne sie doch - so war mein Erlebnis, während ihrer Vorstellung als Preisträgerin. Ich bin ihr bisher nicht begegnet, obwohl sie viele Jahre in Hannover lebt und arbeitet (geb. 1969 in Wuppertal). Vielleicht weil sie kein Atelier hat, das bei Atelierspaziergängen, Zinnober-Volkskunstlauf oder so zugänglich gemacht wird. Aber ich kenne sie doch, konnte ich dann feststellen; ich habe schon Werke von ihr gesehen, beispielsweise dies:
Außerordentlich exakte, zugleich aber fantasiegeprägte Bleistiftzeichnungen wie diese hingen im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover in der Ausstellung "Im Reich der Tiere". Im Katalog damals stand: "Alle Zeichnungen der Reihe 'Wölfe in der Stadt' sind nach präparierten Tieren verschiedener europäischer Naturkunde-Museen gezeichnet. Die ausgestopften Wölfe wurden zwischen 2011 und 2012 in Dioramen oder Vitrinen beobachtet. In manchen der Länder leben noch Wölfe, in anderen schon lange nicht mehr und in manchen bald wieder. Die Museen befinden sich immer in der Stadtmitte im urbanen Raum ..."
Ich schweife ab? Ja, vielleicht ... Doch ist es so, dass sich darin etwas Typisches für Julia Schmids künstlerisches Anliegen ausdrückt. Sie erlebt, beschreibt und gestaltet urbanen Raum. Aussagekräftig, aber niemals nur realistisch abbildend. (Denn selbst in Gegenden, in denen noch Wölfe leben, gibt es keine "Wölfe in der Stadt", es sei denn als Präparat, was ja auch etwas mit dem Machtverhältnis des Menschen gegenüber der Natur und insofern mit Stadtsoziologie zu tun hat.)
Stärker noch von einer wuchernden Fantasie (unauffällig) durchwoben sind Bilder wie diese aus dem Pflanzenreich:
Das Bild entstammt einer Sechser-Serie mit dem Titel "Zwei Kilometer Madrid, Zwei Kilometer Helsinki". Wieder hat sich Julia Schmidt ein urbanes Projekt ausgedacht, das aber zu vorzeigbaren Ergebnissen mit der Mischung exakt-fantasiert führt. Von den jeweiligen Bahnhöfen aus in den polar entgegengesetzten Städten Helsinki und Madrid hat sie zwei Kilometer abgeschritten und Pflanzen kartiert, wie die Botaniker sagen würden, also aufgezeichnet, welche Pflanzen dort wachsen. Unter teils kärglichen Umständen in der Stadt! Das führt dann zu Bildern wie diesem, die keineswegs Realität abbilden, aber doch realitätsnah sind. Ein anderes Beispiel ist eine Serie, in der sie Topfpflanzen in Büros dargestellt hat - dabei war sie übrigens auch im Kunstverein.
Die Jury drückt es in ihrer Begründung so aus: "Julia Schmids künstlerische Arbeit zeichnet sich durch eine besondere Verbindung von Malerei und konzeptueller Kunst, Fotografie oder Zeichnung aus. Ihre Werke sind stets Ergebnisse bestimmter Auswahlparameter. Eine große Werkgruppe entstand beispielsweise aus der Darstellung von Pflanzen, die zuvor an klar definierten Strecken oder in den Umgebungen einer Stadt von Schmid gesammelt wurden. In neueren Arbeiten führen die Lieblingsorte ausgewählter Personen einer Stadt zu einer subjektiven Kartierung. Die Arbeiten von Julia Schmid sind somit Reflexionen über den Prozess der Beobachtung, subjektiver Wahrnehmung und über die Erkenntnis des Verhältnisses von Individuellem und Allgemeingültigen."
Zur Zeit sind nur einige wenige Beispiele der Künstlerin zu sehen - mehr wird im Rahmen der "Herbstausstellung" niedersächsischer KünstlerInnen im Kunstverein und an anderen Orten gezeigt (die hier bereits angezeigt ist).
Text: Dr. Helge Mücke, Hannover; Bilder, von oben nach unten: Portrait Julia Schmid, Foro: Dirk Meußling; »Wölfe in der Stadt (I–IV) – Luonnontieellinen - Keskusmuseo / Museo Nacional de Ciencias Naturales«, 2011/12 (Detail), Bleistift auf Multiplex, 4-teilig, je 40 x 60 cm; »Zwei Kilometer Madrid, Zwei Kilometer Helsinki«, 2011–2012 (Detail), 6-teilig, 4 x Öl auf Multiplex je 49,5 x 150 c, 2 x Foto kaschiert je 49,5 x 75 cm.