Rachel Salamander
Im Studienraum des Jüdischen Museums München ist derzeit eine Ausstellung von Studierenden der LMU München zu sehen. Sie basiert auf Zeitzeugeninterviews, die mit Vertreterinnen und Vertretern der ersten Nachkriegsgeneration von Münchner Juden geführt wurden.
Ein Leben in Deutschland erschien vielen Juden nach dem Holocaust undenkbar. Und doch bildeten sich nach Ende der Schoa jüdische Gemeinden in Städten wie Berlin, Frankfurt am Main und München.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden in den westalliierten Besatzungszonen Deutschlands zahlreiche Displaced-Persons-Lager (DP-Lager) eingerichtet, um befreiten KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern sowie Menschen, die kriegsbedingt eben „displaced“ – fernab ihrer Heimat – waren, eine Unterkunft zu bieten und eine Grundversorgung zukommen zu lassen. Jüdische DPs konnten von dort aus mit Hilfe verschiedener Organisationen ihre Emigration nach Israel oder Nordamerika vorbereiten. Überlebende aus Osteuropa suchten den Weg in die amerikanische Besatzungszone, in der Hoffnung, von dort aus leichter emigrieren zu können. In Polen, woher viele von ihnen stammten, konnten oder wollten sie nicht bleiben. Die Gründe waren Antisemitismus und Pogrome, politische Repressalien im neu errichteten kommunistischen System oder die Wahrnehmung Polens als „jüdischen Friedhof Europas“.
Bis 1951 wurden die meisten Displaced-Persons-Lager aufgelöst. Ausnahme war das etwa 30 Kilometer südlich von München bei Wolfratshausen gelegene DP-Lager Föhrenwald, das bis 1957 bestand.
Auch wenn die meisten osteuropäischen DPs Deutschland nur als Durchgangsstation betrachteten, blieben einige von ihnen irgendwie „hängen“. Sie bildeten gemeinsam mit deutschen Juden neue (wieder)gegründete jüdische Gemeinden, gestalteten das Gemeindeleben mit, bauten sich eine berufliche Existenz auf – und bekamen Kinder.
Wie war es, als jüdisches Kind in München der 1950er und 1960er Jahre im „Land der Täter“ aufzuwachsen? Welchen Freizeitaktivitäten ging man nach? Welchen Stellenwert hatten die jüdische Religion und Traditionen in den Familien? Wie wurde die Schoa aufgearbeitet? Welche Rolle spielte der noch junge Staat Israel?
Eli Teicher
Studierende der LMU München sind diesen Fragen im Rahmen des Oral-History-Seminars „Jüdisches Leben in München während der 1950er und 1960er Jahre“ im Sommersemester 2016 nachgegangen. Unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Brenner und Dr. Andreas Heusler (Stadtarchiv München) führten sie Zeitzeugeninterviews mit Münchner Jüdinnen und Juden, die in den 1950er und 1960er Jahren in der bayerischen Hauptstadt aufwuchsen.
Aus diesen Gesprächen entstanden mehrere Stunden Videomaterial. Eine Ausstellung im Studienraum des Jüdischen Museums München zeigt die prägnantesten Ausschnitte der Interviews und bietet ein Spektrum von Antworten auf die eingangs genannten Fragestellungen an. Objekte aus dem Besitz der Interviewpartnerinnen und -partner sowie ein eigens für die Ausstellung gestaltetes Fotoalbum veranschaulichen, wie jüdisches Leben in den 1950er und 1960er Jahren ausgesehen hat.
Die Studierenden konnten die Konzeption und Gestaltung der Ausstellung in großen Teilen selbst bestimmen und ausarbeiten und hatten so die Gelegenheit, praxisnahe Einblicke in die Museumsarbeit zu erhalten.
Carolin Piorun