Trotz des fantastischen Wetters war der Kinosaal des Filmmuseums am Sonntagnachmittag ausverkauft. Die Premiere von “Jüdisch für Anfänger”, die im Rahmen des DOK.festes gezeigt wurde, bewies, dass ein Dokumentarfilm gar nicht viel drum herum braucht: In weniger als 25 Tagen sind die Bilder zu “Jüdisch für Anfänger” entstanden, hinter denen ein nur dreiköpfiges Team steht. Er begleitet drei junge Deutsche mit jüdischen Wurzeln auf ihrer Reise nach Israel, den Staat der Juden. Zuschauer und Protagonisten lernen auf dieser 10-tägigen Reise gemeinsam, was es heißt, jüdisch zu sein.
Taglit Birthright – das ist eine Organisation, die jungen Juden die Möglichkeit gibt, kostenlos in ihre “Heimat” zu reisen, um dort ihre Identität zu finden. “Für jemanden wie mich, der sein Leben lang in einer Minderheit lebt und ständig Angst vor Diskriminierung hat, ist es ein wunderbares Gefühl, in Israel gewesen zu sein”, sagt einer der Protagonisten im Anschluss seiner Reise. Dennoch geht der Film sehr kritisch mit dieser ganz speziellen Art von Bildungsreise um. “Jüdisch für Anfänger” versucht nichts zu retuschieren und zeigt daher auch, wie viele der Reiseteilnehmer eher befremdlich auf religiöse Rituale und Kulte reagieren. Obwohl die in den Interviews angesprochenen Themen recht privat sind, reden alle sehr offen und ehrlich über ihre Gefühle und Eindrücke, sodass den Zuschauern ein sehr authentisches Bild aus dem Innersten der Protagonisten geboten wird.
Immer wieder kommt es in der Gruppe zu Diskussionen: Warum wird auf sämtlichen Stationen der Reise immer nur die Vergangenheit zum Thema gemacht, und nicht ein viel schwierigeres Thema, nämlich wie das Leben der Juden heute aussieht? Warum werden politische Themen immer wieder verdrängt, wobei doch gerade diese am interessantesten sind? Wahrscheinlich, um an dem positiven Bild festzuhalten und Konflikte zu vermeiden. Denn Israel befindet sich heute immer noch inmitten von Spannungen, eine Tatsache, von der das Reiseunternehmen scheinbar lieber ablenken will.
Stefanie Gromes, Regisseurin des Films, hat selbst drei Jahre in Israel gelebt und studiert. Sie hat sich in einem fremden Land ein neues Leben aufgebaut, ist vielen Menschen begegnet und hat Israels Kultur kennengelernt. Sie erzählt von tausenden Taglit-Bussen, die sie in diesem Zeitraum gesehen hat, sodass sie das Thema irgendwann einfach nicht mehr ignorieren konnte.
Doch warum besitzen Juden eine so große, eigene Identität? Was ist die Ursache für den immensen Zusammenhalt der jüdischen Glaubensgemeinschaft? Fragen, die Stefanie Gromes zunehmend beschäftigte, aus der sich die Idee zum Film entwickelte und die sie mit ihrem Film glaubt beantworten zu können.
Die Protagonisten, Alexandra, Roman und Yaniv, hatte die Regisseurin bereits vor dem Dreh kennengelernt und aus einer größeren Gruppe ausgewählt. Bevor sie gemeinsam nach Israel aufbrachen, hatte sie Stefanie Gromes noch in ihren deutschen Heimatstädten besucht und nach ihren Erwartungen an die Reise gefragt. Diese wäre dann eher gehetzt abgelaufen, erzählt Gromes, und erinnerte mit fünf Haltestationen pro Tag an einen typisch amerikanischen Tourismus-Urlaub. In einem Staat, der so stark von Religion geprägt ist, kommt die Frage auf, ob es nicht zu Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Drehgenehmigung gekommen ist. Selbst verwundert erzählt Gromes, dass Klagemauer, Museen und Synagogen, die während der zehn Tage besucht wurden, dem dreh keinerlei Hürden in den Weg geräumt haben.
Wer den Film am Sonntag verpasst hat, hat nun noch die Chance, ihn im Fernsehen zu sehen. Wann der BR ihn ausstrahlt, ist allerdings noch ungewiss.
Filmrezension von Lena von Holt
Fotos: DOK.fest München – Jüdisch für Anfänger