Juchu, ich habe Panikattacken!

ich habe Panikattacken

Juchu, ich habe Panikattacken

Manche Leute feiern sich und ihre psychischen Probleme. Sie sind stolz darauf, eine Angststörung, Depressionen oder eine Essstörung zu haben. Sie zeigen offen, mit welchen Problemen sie haben und werden von anderen dafür bejubelt.

Was klingt, wie ein schlechter Scherz soll vor allem unter jungen Menschen weit verbreitet sein. Das zumindest habe ich in diesem Artikel gelesen.

Danach habe jeder dritte Jugendliche schon einmal vorgegeben, eine psychische Störung zu haben. Auf Instagram & Co. werden sogar Fotos von geritzten Armen und ultradünnen Mädchenkörpern gepostet und tausendfach geliked. Selbstmörder werden mit dem Spruch „Engel sind Selbstmörder, die nach Hause wollen“ verehrt.

Was ist denn da los?

Der Umgang wird offener

Eine Angststörung galt lange als ein Tabu. Und auch heute noch werden Angstzustände und Panikattacken meist verheimlicht. Und so gewinnt man irrtümlich den Eindruck, man sei einer von wenigen, die an einer Angststörung leiden. In Wahrheit sind es Millionen und Abermillionen Betroffene. Daher ist ein offenerer Umgang wünschenswert.

Aber ist das der richtige Weg?

Ich plädiere schon lange dafür, zumindest gegenüber bestimmten Personen offener mit diesem Thema umzugehen. So kann es befreiend sein, wenn beispielsweise der Kollege oder ein guter Freund von den eigenen Ängsten (zumindest im Groben) Bescheid weiß. Das führt dazu, dass man in Gegenwart dieser Personen seltener Panikattacken bekommt. Schließlich müsste man im Falle des Falls nichts verheimlichen. Druck wird abgebaut und das kann helfen, Panikattacken zu reduzieren.

Aber muss man es allen auf die Nase binden?

Promis, die sich outen und sagen „ich habe Panikattacken“ oder die unter Depressionen zu leiden, ist die Aufmerksamkeit der Medien sicher. Auf der einen Seite finde ich diese Entwicklung positiv, auf der anderen Seite könnte man bei dem einen oder anderen Prominenten auf die Idee kommen, er benutzt derartige „Beichten“ lediglich für seine Zwecke.

Und Jugendliche nehmen sich nicht selten Promis zum Vorbild. Manche verehren ihre Stars, eifern ihnen nach und finden es womöglich cool, selbst an einer Angststörung oder Depressionen zu leiden.

Und wenn man mit einer Angststörung kokettiert (oder die psychische Problematik sogar nur vorspielt) – egal, ob Promi oder nicht – dann hilft das den Menschen mit einer Angststörung sicher nicht weiter. Dann besteht nicht nur die Gefahr, dass andere davon genervt sind, dann besteht die Gefahr, dass Menschen mit einer echten Angststörung nicht mehr ernst genommen werden.

Nicht nur junge Menschen gieren nach Likes

Mit den Social-Media-Portale wie Facebook & Co. ist auch ein Wettbewerb entstanden: Ein Wettbewerb nach Aufmerksamkeit. Likes und Kommentare können sogar süchtig machen. Wenn nicht jeder Post mindestens 100 Likes hat, sind Hardcore-Nutzer schnell frustriert.

Und vor ein paar Jahren war es einfacher, die Aufmerksamkeit der anderen zu bekommen. Die Leute warteten gespannt darauf, was ihre Facebook-Freunde alles so posten. Das war neu, das war spannend. Doch mit der Zeit wurde es langweilig. Ein Urlaubsfoto (wenn nicht wahnsinnig spektakulär) reißt niemanden mehr vom Hocker. Da muss man schon schwerere Geschütze auffahren, beispielsweise die Menschen am eigenen Leid teilhaben lassen.

Und wenn man die Erfahrung macht, dass derartige Posts viel Aufmerksamkeit bekommen, dann neigt man möglicherweise dazu, derartige Statements vermehrt zu posten, zu übertreiben oder sogar zu erfinden. Und das gilt nicht nur für junge Menschen.

Eine Angststörung ist kein Spaß

Bei dem einen oder anderen dreht sich nahezu das gesamte Leben um die Angststörung. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, wie sehr eine Angststörung das Leben beeinträchtigen kann. Dann fällt es schwer, an etwas anderes zu denken.

Dennoch halte es es nicht für gut, sich diesem Thema dauernd zu widmen. Dann besteht die Gefahr, dass man mehr und mehr den Eindruck gewinnt, die Angststörung mache einen aus. Man macht die Angststörung zu einem Teil seiner Persönlichkeit. Und wenn das so ist, dann verliert man sich selbst auf gewisse Weise, wenn man die Angststörung gehen lassen würde. Und das macht es mitunter schwierig, die Angststörung zu überwinden, wie ich im persönlichen Coaching immer wieder erlebe.

Und wenn man durch seine Postings die Aufmerksamkeit seiner Facebook-Kontakte bekommt, postet man mehr und mehr ähnliche Beiträge, die Angststörung bekommt einen immer größeren Stellenwert, und es wird schwieriger, diese loszuwerden.

Ein offener Umgang mit einer Angststörung ist insgesamt sicher begrüßenswert. Wenn Betroffene (und weniger Betroffene) nun aber anfangen, mit ihrer psychischen Erkrankung zu kokettieren oder ihr Leid sogar erfinden, dann führt das eher zum Gegenteil: Weniger Akzeptanz für diese lebensbeeinträchtigende Problematik. Menschen mit einer Angststörung wird es noch schwerer gemacht.

Und aus diesen beiden Gründen finde ich die Entwicklung bedenklich, denn eines ist eine Angststörung sicher nicht: Ein Spaß!

Was denkst Du darüber?

Was ist Deine Meinung zu diesem Thema? Findest Du diese Entwicklung ebenfalls bedenklich, macht Dich das wütend oder siehst Du hier kein Problem?

Ich freue mich auf Deinen Kommentar.


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