Jriiersch Plat

Von Vera Nentwich @veraswelt

Jriiersch Plat


Veröffentlicht am 30 Oktober 2013 - Tags: Killerin in Grefrath

Herbert Ackermann,
Experte in Grefrather Mundart

Die Oma sollte Platt sprechen. Das ist die überwiegende Meinung der Menschen, die dieses Projekt verfolgen. Ich gebe zu, der Gedanke gefällt mir, denn dadurch kann ich eine Authentizität erzeugen, die auf anderen Wegen nur schwer zu erreichen ist. Und warum sollte es nur den Bayern, Schwaben oder Kölnern erlaubt sein, ihre Mundart erklingen zu lassen? Allerdings birgt dieser Ansatz zwei Probleme. Würden Leser aus anderen Regionen die Dialoge verstehen? Und ich spreche gar kein Platt und schreiben kann ich es noch weniger. Ich brauchte einen Experten.
Der Experte war schnell gefunden. Sein Ruf eilt Herbert Ackermann voraus. Als Verfasser verschiedener Mundartbücher, u.a. eine Übersetzung von Max und Moritz in Grefrather Mundart, hat er sich einen Namen gemacht. Sein ganz besonderes Werk ist aber das Grefrather Mundartwörterbuch. Achtzehn Jahre hat er an diesem dreibändigen Werk gearbeitet. Also rief ich ihn an und erzählte von meinem Projekt. Er war sofort bereit, sich mit mir zu treffen.
Wir trafen uns bei ihm zu Hause und ich legte ihm die ersten Dialoge mit Oma Trudi vor. Ich lernte viel über die Mundart meines Geburtsortes. Zum Beispiel, dass kein Wort mit g beginnt, sondern immer nur mit j. Verschiedene Sätze musste ich ganz umstellen, weil sie so nie jemand in Mundart sagen würde. Mit jedem Satz, den wir übersetzten, stieg in mir dieses wohlige Heimatgefühl auf. Es ist der Sound meiner Heimat, der da plötzlich von meinem Bildschirm strahlte. Ich kann nur hoffen, dass es anderen Lesern auch so geht, und dass Leser aus anderen Regionen durch diese Sätze eine Ahnung vom Lebensgefühl in Grefrath bekommen werden.
Hier kommt nun der ultimative Test. Ein Dialog zwischen Biene und Oma Trudi. Bitte sagt mir, wie es für euch lesbar und verständlich ist.

„Wat mäkt Jochen noch?“ Oma kam zu ihrem Lieblingsthema. Sie mochte Jochen, und auch wenn sie mich bei allem unterstützte, was immer ich tat, dass ich Jochen den Laufpass gegeben hatte, fand nicht ihre Zustimmung. Sie fand sowieso, dass ich einen Mann haben sollte. Nicht weil sie dachte, ich bräuchte einen Ernährer. Nein, meine Oma wünschte sich für mich, dass ich regelmäßiger Sex haben sollte.
„Do hais der Jochen net joan sale loate. Dat es doch ene näte Keärl. Als Polizist hät der sin Beamtejehalt und do hais en jereegelt Sexualleäve.“
„Oma!“
„En jereegelt Sexualleäve es wichtich vör din Psyche.“
„Hast du wieder die Apothekenumschau gelesen?“
„Mak dich maar röisch lostich över mich, maar do wits, dad ich rait hap.“
„Ja, ich weiß.“
„Wi denen Opa noch leävet, haade we jede Weäk Sex.“
„Oma!“
„Do bös en junge, näte Vrau. Ed es en Schant, dat do jene Lover häs.“ Sie sprach das Wort Lover aus, wie man es schrieb, mit o.
„Ach Oma, hier in Grefrath gibt es doch keinen für mich.“
„Dann jongk erut en´ä Wält und söök er dich ene.“
„Ich kann dich doch nicht alleine lassen.“
„Ich kom joot denraide. Do mos din Leäve leäve und net et mint. Nem dich jet van´t Leäve und mak net den eejesten Väler wie ich duu. Wie ich denen Oopa käneliieret, woer ich er nat twentisch. Woer traueten on dann koam och al din Mam. Ich wol emer schtudiiren on de Wält seen. Nou bön ich nät ens bös Kärnten jekome. Kengk, do häs al de Mööjelischeete. Net, dad do dich di al delans lets joan.“
„Oma, ich muss los.“
„Böös dou nou jäg op mich?“
„Nein, nein, ich muss noch nach Düsseldorf.“
„No Düsseldorf? Su wiit?“
So war meine Oma. Gerade noch redete sie auf mich ein, ich sollte die Welt kennenlernen und im nächsten Moment erschien ihr eine Autofahrt nach Düsseldorf schon unvorstellbar weit.
Ich nahm sie in den Arm und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

Na, kommt Jriiersch Jevööl auf?
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