Coverumschlag Politische Presse im Nachkriegsberlin Christoph Marx
Studie über die Entwicklung der Presselandschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Anhand der Top-Journalisten Erik Reger und Rudolf Herrnstadt untersuche ich Möglichkeiten und Grenzen des politischen Journalismus unter den besonderen Bedingungen der Vier-Mächte-Stadt Berlin. Eine Leseprobe
Der Kalte Krieg im Nachkriegsberlin war eine Hochzeit des politischen Journalismus. Unter alliierter Kontrolle entstanden zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften, die Aufbruch, Orientierung und Demokratie versprachen. Im „Zeitungsparadies Berlin“ kämpften Journalisten mit allen Regeln der Kunst um die Gesinnung der Bevölkerung. Ob Zwangsvereinigung, Berlin-Blockade oder 17. Juni 1953: Immer wieder avancierten die Presseorgane zu publizistischen Waffen im interalliierten Kampf um die Machtverteilung in Berlin.
Vergleichende Studie über politischen Journalismus
In der vorliegenden Untersuchung beschreibt und analysiert der Historiker und Publizist Christoph Marx anschaulich die besondere Nachkriegsentwicklung der Berliner Presselandschaft anhand der wichtigsten Zeitungen und Medienmacher. Redaktionelle Besonderheiten werden genauso wie alliierte Pressestrategien herausgearbeitet. Im Zentrum stehen der amerikanisch lizenzierte „Tagesspiegel“ und die sowjetisch lizenzierte „Berliner Zeitung“. Anhand tagespolitischer Auseinandersetzungen stellt Marx exemplarisch dar, mit welchen Mitteln die Zeitungen für ihre Ziele kämpften. Dabei nimmt er auch die bedeutendsten Journalisten auf beiden Seiten in einer politischen Doppelbiografie in den gemeinsamen Blick: Erik Reger, Kopf des „Tagesspiegel“, und Rudolf Herrnstadt, Herr eines kommunistischen Pressekonzerns in Ost-Berlin. Es wird deutlich, dass beide als intellektuelle Idealisten trotz ihrer ideologischen Feindschaft einander durchaus glichen. Eine jeweils bemerkenswerte Symbiose von Geist und Macht – die nach dem Aufstand vom 17. Juni 1953 aus ganz unterschiedlichen Gründen ein abruptes Ende fand.
Eine vielschichtige Studie, die durch die innovative Verzahnung von struktureller und biografischer Analyse für Historiker, Publizisten und Politologen gleichermaßen interessant ist, und nicht zuletzt ein spannender Rückblick auf eine Zeit, als politischer Journalismus pädagogische Ansprüche und Weltpolitik begleitete, wenn nicht sogar mitschrieb.
Leseprobe aus der Schlussbetrachtung (S.207/208)
„Die erste Hochphase des Kalten Kriegs nach 1946 endete 1953, als nach Stalins Tod in der Sowjetunion ein erstes „Tauwetter“ einsetzte, der Korea‐Krieg endete und die McCarthy‐Hysterie in den USA allmählich am Abklingen war. In der Vier‐Mächte‐Stadt Berlin trug diese politisch‐ideologische Auseinandersetzung, die wesentlich von der Beseitigung des jeweils Anderen ausging, besonders dramatische Züge.
Das Ringen um die Macht in der ehemaligen Reichshauptstadt, das 1948/9 und 1953 eskalierte, bestimmte auch die Agenda von Erik Reger und Rudolf Herrnstadt, den Berliner Hauptprotagonisten an der publizistischen Front. Beide stammten nicht aus Berlin. Reger stammte aus einem rheinischen Bergarbeitermilieu, Herrnstadt einem jüdischen, liberal‐großbürgerlichen Milieu in Schlesien. Beide kämpften mit allem, was Journalisten in die Waagschale werfen
können, für die Durchsetzung des Liberalismus bzw. Kommunismus: mit Bildung, Informationen, mit Spott, Beleidigung, Argumenten und Scheinargumenten. Während Reger erst durch die Umstände ein Zeitungsmann wurde, lernte Herrnstadt das journalistische Handwerk von der Pike auf bei dem liberalen Wolffschen BT. Mit aller Kraft und unter Ausbeutung ihrer Gesundheit bauten Reger und Herrnstadt ihre publizistischen Bastione auf. Regers Tagesspiegel avancierte zum bildungsbürgerlichen Forum in Berlin und zum Werbeprodukt einer liberalen Demokratie, das wie im Fall der verfolgten Sozialdemokraten im Jahr 1946 bereit war, im Bedarfsfall öffentlich für liberal‐demokratische Werte einzutreten und damit auch Politik zu machen. Für Erik Reger war seine Publizistik immer auch angewandte Pädagogik. Als einer der ersten Journalisten der Nachkriegszeit durfte Reger in die USA reisen. Nach dem Ende der Berlin‐Blockade bis zu seinem Tod 1954 galt er als bester Vermittler der neuen deutsch‐amerikanischen Freundschaft in Berlin, als Publizist und Persönlichkeit im gesellschaftlichen Leben. Wie Reger stieg auch sein östliches Pendant Rudolf Herrnstadt hoch in der gesellschaftlichen Hierarchie auf. Und wie Reger mit seinen Ansichten nicht selten seine Bewunderer und Freunde irritierte, war auch Herrnstadt sein eigener geistiger Herr, ein denkender Mensch, der
im Rahmen der marxistisch‐leninistischen Denkkategorien unbeirrt die Verwirklichung der ethischen Werte der kommunistischen Vision einforderte. Herrnstadt war seit 1950 auch hoher Parteifunktionär, was aber auf seine publizistische Arbeit nur wenig Auswirkung hatte, denn eine Trennung zwischen Presse und Politik gab es im
kommunistischen Verständnis nicht. Als Chef eines kommunistischen Pressekonzerns und der Parteizeitung nach 1950 setzte Herrnstadt mit gezielten Artikeln immer wieder politische Reizpunkte auch innerhalb der Partei. Trotz aller ideologischen Parteilichkeit verlangte er von seinen Mitarbeitern in erster Linie Qualität und Können. Keiner in der kommunistischen Kaderriege schrieb besser.“
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Christoph Marx
Der Münchner Christoph Marx ist Publizist und Lektor und lebt in Berlin. Er arbeitet als Autor und Redakteur für viele namhafte Verlage und veröffentlichte bzw. verantwortete inhaltlich zahlreiche Werke, v.a. zu historisch-politischen, gesellschaftlichen, sportlichen und kulturellen Themen.Referenzliste unter Autor und Redakteur/Lektor.
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