Journalismus als Waffengattung

Journalismus als WaffengattungDie kriegslüsternen Apologeten des freien Marktes, die an den Wühltischen der Macht ganze Staaten ihrer Zukunft berauben, tun alles, um die öffentliche Meinung zu kontrollieren. Das Mittel zum Zweck, die Klaviatur der Meinungsmache in Presse und Öffentlichkeitsarbeit zu kontrollieren, ist geschichtlich betrachtet der Krieg, ohne den es keine Massenmedien gäbe.

Die Berichterstattung in den heutigen Massenmedien bildet nicht nur die Geschehnisse der Welt ab, vielmehr konstruiert sie Weltbilder und dies mit großen Auswirkungen auf das internationale Geschehen. In einer Welt, die bis in die kleinsten Winkel hinein durch Fernsehen, Hörfunk und Printmedien erfasst wird, muss die Politik zusehends Rücksicht nehmen auf die öffentliche Meinung. Dies gilt insbesondere bei der Auslandsberichterstattung, deren Inhalte, abgesehen von Reise- und Kulturdokumentationen, überwiegend um Konflikte, Kriege und Katastrophen kreisen. Für Journalisten gilt: Nur eine schlechte Nachricht ist eine gute Nachricht. Gut, weil sie sich gut verkauft. Diese Einengung der Berichterstattung auf Kriege und Krisen bedingt zwangsläufig eine engere Anbindung an militärische Strukturen, ohne die eine ‘fruchtbare’ Zusammenarbeit nicht möglich wäre. Informationen bekommt man durch Kontakte.

Trauma Somalia

Da die Kriegsberichterstattung die öffentliche Meinung entscheidend prägt, werden Kriege im Anschluss nicht nur auf deren militärische Abläufe, sondern auch auf deren mediale Inszenierung und Wirkung hin analysiert. Bereits General Eisenhower prägte die Maxime „public opinion wins war“. Die Berichterstattung kann gleichermaßen zum politischen Triumph führen als auch zum Desaster. Beispielsweise in Somalia, als Präsident Bush senior 1992 die Landung der Truppen live von CNN übertragen ließ. Dadurch versprach er sich einen Vorsprung bei den nächsten Wahlen. Ein Jahr später musste Bill Clinton die Truppen wieder abziehen, nachdem Bilder von somalischen Rebellen um die Welt gingen, die 18 gelynchte, amerikanische Soldaten mit ihren Autos durch die Straßen von Mogadischu schleiften. Diese für die amerikanische Bevölkerung traumatische Erfahrung wurde sogar später von Hollywood unter dem Titel Black Hawk Down verfilmt.

Ein altes Handwerk

Kriegsberichterstattung gibt es solange, wie es Kriege gibt. Jeder Feldherr hatte eigene Schreiber und Boten, die diesem in ihrer Berichterstattung gefügig waren. Der älteste und wohl bekannteste Kriegsberichterstatter dürfte der Läufer von Marathon sein, der 490 v.Chr. nach der gewonnenen Schlacht von Marathon 42 Km bis nach Athen gelaufen sein soll, um den Sieg über die Perser zu verkünden. Danach brach er vor Erschöpfung tot zusammen. Kriegsberichterstattung dient stets den selben Zielen. Desinformation und Irreführung des Gegners, Formung der öffentlichen Meinung zur Sicherung des Rückhalts in der eigenen Bevölkerung und Erzeugung von Ruhm. Bereits Napoleon kannte die Wirkung erfolgreicher Pressepolitik und führte gegen Ende des 18 Jahrhundert Armeezeitungen ein, die hauptsächlich über erfolgreiche Schlachten berichteten. Die Entstehung der Massenmedien verschaffte der Kriegsberichterstattung dann zu Beginn des frühen 19 Jahrhunderts einen Sprung nach vorne. Der Krieg wurde zum Konsumgut für die breite Masse. Doch erst gegen Ende des 19 Jahrhunderts brach für Kriegsberichterstatter das goldene Zeitalter an, in einer Zeit, in der ein Konflikt den nächsten ablöste. Erstmalig wurde der Beruf des Kriegsberichterstatters institutionalisiert, als eine eigene Sparte betrachtet.

Kriege und Medientechnologie

Journalismus als Waffengattung

Kriegskinematograph im Schützengraben - Wikipedia

Mir dem Aufkommen neuer Technologien wie Telegrafie und Photografie bot sich erstmals die Möglichkeit, Kriege in Echtzeit zu den Redaktionen zu bringen und dadurch einen neuen Aktualitätshorizont zu erschaffen. Zudem konnten die Aufmacher nun mit Titelfotos versehen zusätzliche Leserscharen anlocken. Die Kriegsberichterstattung begann sich zusehends zu einem Geschäft auszuwachsen. Während des amerikanischen Sezessionskrieges waren allein 500 Journalisten nur für die Nordstaaten mit an der Front. Damals schon waren die Tageszeitungen bemüht, das nackte Grauen des Krieges von ihrer Leserschaft fernzuhalten. Stattdessen verliehen sie den Kriegshandlungen den Anstrich eines fernen Abenteuers. Zudem zwang die zunehmende Konkurrenz auf diesem Sektor zu mehr Exklusivität im harten Kampf um die Leserzahlen. Kriege waren schon immer auch für die Presse ein Bombengeschäft.

Gelenkte Berichterstattung

Dementsprechend behilflich waren die Medienhäuser zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Kriegsbegeisterung zu schüren und den Aufbau eines riesigen Propagandaapparates zur ‘Geistigen Kriegsführung’ zu unterstützen. Während des ersten Weltkriegs brachte dies Frankreich und Großbritannien die entscheidenden Siegespunkte im Spiel um die Macht. Die gezielte Greuelpropaganda gegen die Deutschen unter Kaiser Wilhelm verfehlte ihre Wirkung nicht. Während das Kaiserreich die Zeichen der Zeit verschlief, bereitete Großbritannien durch geschickte Öffentlichkeitsarbeit gezielt den Eintritt der USA in den Krieg vor. Damals wurde Zensur eher restriktiv ausgeübt. Was nicht passte, flog raus. Dies hat sich mit dem Beginn des zweiten Weltkriegs geändert. Was nicht passte wurde fortan passend gemacht. Die Medienpolitik war von der Zensur und Nachrichtensperre zum Informationsmanagement gelangt. Die Lenkung von Informationen wurde ausgeweitet und perfektioniert. Meister ihrer Zeit in der Informationslenkung waren die Stabsmitarbeiter im Propagandaministerium Goebbels. Ganze Propagandakompanien berichteten nun von der Front und die deutsche Öffentlichkeit wurde rundherum mit umfangreicher und technisch perfektionierter Kriegsberichterstattung versorgt. Den ersten Hörfunksendungen zum Krieg folgte die Filmindustrie mit Kriegspropaganda in Form heroischer verfilmter Siegesschlachten. Krieg war en vogue, ähnlich wie heute der Fußballsport.

Journalismus als WaffengattungDer Vietnamkrieg 1963 erlaubte es der Fernsehberichterstattung erstmals, den Krieg in die Wohnzimmer Amerikas hineizutragen. Die Medienleute wurden in den Rang eines Majors erhoben und mit Verpflegung, Unterkunft und Exklusivinformationen aus dem Krisengebiet versorgt. Zwischen Medien und Soldaten wuchs eine enge Beziehung heran. Der Filmklassiker God Morning Vietnam zeugt von dieser Stimmung, die eins zu eins an das amerikanische Volk weitervermittelt werden sollte. Es kam jedoch anders. Der Vietnamkrieg war der erste und übrigens auch einzige Krieg ohne offizielle Zensur. Die Reporter rückten in Heerscharen an, 1967 waren bereits 700 Kriegsreporter in dem Land. Das amerikanische Militär begann die Kontrolle über die Berichterstattung zu verlieren. Als dann 1968 Berichte über das Massaker von My Lai und das Bild der kleinen, nackten und mit Napalmverbrennungen übersäht vor Entsetzen schreienden und rennenden Kim Phuk um die Welt gingen, begann die Stimmung in den USA zu kippen und sich gegen den Krieg zu wenden. Heimkehrende Soldaten wurden von Peacenicks als Kindermörder beschimpft und die ersten großen Friedensbewegungen entstanden. Die USA waren schließlich dazu gezwungen, den Krieg zu beenden.

Virtuelle Kriege

Der US- Propagandaapparat lernte schnell aus den Fehlern der Vergangenheit. Im Golfkrieg 1991 dienten die Massenmedien vor allem der Dämonisierung des Gegners. Sie wurden systematisch dazu eingesetzt, das Volk auf den nächsten Krieg vorzubereiten. Informationskontrolle, Zensur und Propaganda beherrschten nun die Medienlandschaft in einem nie zuvor dagewesenen Maße. Dies schaffte neue Probleme. Einerseits sahen sich die Medienhäuser einem zunehmenden Erwartungsdruck durch Leser- und Zuschauerschaft ausgesetzt, andererseits mussten sie mit einer gewissen Bilderarmut zurechtkommen, da Kriegsszenen per se unappetitlich sind. Die Lösung war die High Tech- Karte. Der Krieg wurde zusehends virtuell inszeniert, vergleichbar einem Computerspiel. Ein High Tech Spiel, bei dem grün leuchtende Kamerabilder intelligenter Bomben auf der Suche nach ihrem Ziel gezeigt wurden. Sauber, hygienisch, steril. Die Bilder vom Kriegsgeschehen selbst wurden weitgehend ausgeblendet oder auf einen sehr engen Darstellungsrahmen begrenzt. In der hauptsächlich von CNN dominierten Berichterstattung wurde verstärkt auf ‘Militainment’ gesetzt, Fiktionalisierung, also die bewusste Verwischung von Fiktion und Wirklichkeit zur Kunst erhoben. Dieser Kurswechsel hielt auch Einzug in die Sprache. Von harten und weichen Zielen war die Rede, nicht von Panzern und Menschenleibern. Tote Zivilisten wurden durch Kollateralschäden ersetzt. Trotz der verharmlosenden Sprachwahl konnte die Kriegspresse auf Dauer nicht vor ihrem Publikum bestehen. Die Folge war ein akuter Imageverlusst, die Auslandsberichterstattung war auf dem Tiefpunkt ihrer Glaubwürdigkeit angelangt.

Auch der nächste Golfkrieg 2003 brachte keine wirklichen Fortschritte in der Kriegspropaganda. Da der Einsatz nicht durch eine internationale Koalition gedeckt wurde, waren kritische Stimmen aus dem Ausland unvermeidbar, die Kritik am amerikanischen Alleingang unüberhörbar. Hinzu kam eine global veränderte Medienlandschaft mit neuen Sendern wie Al Dschasira, Al Arabija und Abu Dhabi. Wenngleich 9/11 eine größere Opfertoleranz in den Staaten zur Folge hatte, mehrten sich zugleich kritische Stimmen. Um auch weiterhin die Meinungshoheit zu behalten wurde ein neuer Begriff aus der Taufe gehoben, der Embedded Journalism. Die Presse lebt über längere Zeiträume eng mit den Kampfeinheiten zusammen zum Zwecke der emotionalen Bindung nicht nur der Journalisten, sondern auch der heimischen Zuschauer an die Soldaten. Credo dieser neuen Medienstrategie: Schaffe Nähe, schaffe Vertrauen und verschaffe Vorteile. Dann dankt die Presse dies mit loyaler Berichterstattung. Zugleich wurde den gegnerischen irakischen Truppen auf diesem Wege ein ebenso schneller wie furchteinflößender Vormarsch vor Augen geführt um sie zu demoralisieren.

Militarisierung der Medien

Ob Massenmedien oder Massenkriege, das eine wäre ohne das andere nicht denkbar. Einerseits ermöglichten Kriege den Medien die entscheidenden Entwicklungssprünge, andererseits beruht ein großer Teil ihrer technischen Entwicklungen auf deren Krisenberichterstattung. Die Militarisierung der Medien vollzieht sich in dreierlei Hinsicht. Sie sind technologisch militarisiert durch die enge Verzahnung neuer Medientechnologien mit der Kriegsberichterstattung. Sie sind ökonomisch militarisiert durch die Vermarktung von Krisen und Kriegen sowie die antreibende Wirkung von Kriegen auf wirtschaftliche Konzentrationsprozesse und sie sind politisch militarisiert durch unkritische Loylität gegenüber der eigenen Nation als auch deren politischen Vertretern. Dabei verfolgen die Pressevertreter, wie auch jetzt im Libyenkonflikt, stets die gleiche Vorgehensweise, wenn es darum geht, Kriegstreiberei in die Berichterstattung einzupflegen.

  • Monoplisierung der Berichterstattung, so dass andere Themen so gut wie keine Chance haben, die Tagesagenda zu erobern
  • Dominierung der Berichterstattung gegenüber der Konkurrenz, also auch gegenüber Blogs und Social Networks wie Twitter und Facebook
  • Normalisierung der Berichterstattung, so dass Krieg als gewohnt empfunden wird, solange er sich auf das Ausland beschränkt
  • Marginalisierung der Folgeschäden und der Probleme des Wiederaufbaus.

Medien werden dazu instrumentalisiert, Menschen emotional auf Kriege vorzubreiten, um der hohen Quoten wegen von Kriegsschauplätzen zu berichten und um die öffentliche Meinung zugunsten einer kleinen, kriegsführenden Elite zu beeinflussen. So auch heute, wenn in Libyen die Menschen ganzer Städte abgeschlachtet werden, angeblich um sie vor sich selbst zu beschützen. Dieses mal jedoch ist vieles anders als sonst.

Der völlig andere Krieg

Journalismus als WaffengattungDie übliche agitierende Kriegsberichterstattung hat sich im Falle des Libyenkriegs als fulminanter Rohrkrepierer erwiesen. Der Grund: Dieses mal müssen die westlichen Aggressoren eine Niederlage nach der nächsten hinnehmen, was die Berichterstattung erheblich erschwert. Sieger sehen anders aus. Gleichzeitig ist eine einmalige Häufung von Greueltaten von Seiten der NATO zu verzeichnen, was eine stringente Berichterstattung der Mainstreampresse nahezu unmöglich macht. Es gäbe vieles zu berichten, aber nichts, was an die Ohren der Öffentlichkeit dringen dürfte, ohne den westlichen Staaten einen massiven Imageverlusst zu bescheren. Weder die bislang einmalige Tapferkeit der libyschen Bevölkerung, die sich mit dem Mut der Verzweiflung einem übermächtigen Gegner listig und mit großem militärischen Geschick entgegenwirft, noch die Brutalität und Grausamkeit der angreifenden NATO- Truppen und ihrer Handlanger aus dem Rebellenlager, die ständig aus aller Herren Länder herangekarrt und ins offene Feuer geworfen werden.

Widerstand der Netzgemeinde

Zudem ist seit 2001 die Bloggergemeinde enorm angewachsen. Das Internet ist zusehends im Begriff, die klassischen Leitmedien in deren Rolle abzulösen. Zugleich sehen die Blogautoren, die ihre Onlinepräsenzen privat und überwiegend nichtkommerziell betreiben, keinen Anlass, mit der Wahrheit hinter dem Berg zu halten. Einem dünnen Rinnsal schöngefärbter Kriegspropaganda durch die ‘Qualitätsmedien’ steht dieses mal eine regelrechte Flut von Informationen, Videos, Bildern und Zeugen aus dem unabhängigen Internet entgegen. Das gab es so bisher noch nie. Auch die Kommentarspalten der Leitmedien füllen sich zusehends mit kritischen Beiträgen zu diesem Thema. Immer mehr Leser schreiben in ihren Kommentaren Klartext. Zudem hat sich der Horizont der Netzgemeinde erweitert auf unabhängige Berichterstattung aus dem Ausland. Insbesonders russische, aber auch iranische Seiten versorgen die Blogautoren mit einer Fülle von Informationen, die verständlicherweise gegen die Pläne der NATO zielen. Dank einer Reihe von kostenlosen Übersetzerprogrammen ist es ein Leichtes, Informationen aus aller Welt auszuwerten. So sickert ständig durch, was eigentlich geheim bleiben sollte. Die NATO führt einen völkerrechtswidrigen und zutieft verabscheuungswürdigen Massenvernichtungsfeldzug gegen ein kleines, friedliches Land. Die UNO- Resolution 1973, auf die der Krieg sich gründet, ist als Farce entlarvt und die unbesiegbaren ‘Herren der Welt’ holen sich dabei auch noch eine blutige Nase nach der anderen. Dank der Berichterstattung im Internet lässt sich dies inzwischen nicht länger verheimlichen. Die Medien steuern erneut dem Tiefpunkt ihrer Glaubwürdigkeit entgegen mit dem Ergebnis, dass ihnen die Leser davonlaufen, Leser, denen es zusehends dämmert, dass nicht wir die Guten sind, es niemals waren.

Hier noch eine Auswahl an Seiten, die das Geschehen rund um Libyen so objektiv und faktentreu wie möglich abbilden:

Besonders zu empfehlen ist in diesem Zusammenhang zudem der Film Wag The Dog (Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt) – Der Link führt direkt zum Stream.

Quellennachweis und weiterführende Links:

Mein besonderer Dank gilt Janni Tsiatsios und Max von Viereck, deren Arbeit ich viele gute Anregungen verdanke sowie Chris Sedlmair, der mir in einer seiner Sendungen die Vorlage für die Headline geliefert hat.



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