Joschka Fischer: Löscht die Lawine!

Erstellt am 4. Juni 2012 von Ppq @ppqblog


Auch der ehemalige Außenminister Joschka Fischer meldet sich in der Euro-Krise mit einem neuen Gedicht zu Wort. In einem Gastbeitrag in der „Süddeutschen Zeitung“, die traditionell die Spätwerke eremitierter deutscher Dichter und Lenker veröffentlicht, rechnet der ehemalige Außenminister und Ex-Grünen-Chef mit der Euro-Krise und ihren politischen Folgen ab.
„Die Zeiten sind ernst, sehr ernst sogar“, reimt Fischer, der beim Automobilhersteller BMW als Fachberater für Umweltzerstörung dient. Er stelle sich deshalb auf die Seite des britischen Premiers David Cameron, der gefordert habe, „endlich allen Mut zusammenzunehmen und gemeinsam eine Fiskalunion“ mit gemeinsamem Budget, einheitlicher Steuerpolitik und Garantie für die Staatsschulden zu errichten. Ihm sei die deutsche Verfassung in dem Moment "wurschtegal", so Fischer. Er sei einfach für eine europäische Vereinigung, so wie er damals gegen die deutsche Einheit gewesen sei. Als ehemaliger Weltpolitiker wisse er, dass Europa heute am Abgrund stehe. Es werde in eben diesen in den kommenden Monaten hineinfallen, wenn jetzt nicht Deutschland, seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts eine "natürliche Führungsmacht", das Ruder herumreiße.
Der Abgrund aber ist nicht die einzige Gefahr, die Fischer ausmacht. „Das europäische Haus steht in Flammen“, merkt er außerdem an. Griechenland drohe im Chaos zu versinken, das aber werde zusätzlich zu Hausbrand und Abgrundsturz auch noch eine Lawine auslösen, die das brennende, in den Abgründ stürzende Europa unter sich begraben werde.
Mit dem Zerfall des Euro würde Europa von der politischen Weltbühne verschwinden, droht Joschka Fischer den vielen Wählerinnen und Wählern, denen es ganz wichtig ist, dass Europa weltpolitisch eine gute Figur macht wie damals, als Fischer sich den "Hufeisenplan" ausdachte, um den Balkan befreien zu können.
Vor allem diesen Menschen spricht der ehemalige Grüne aus der Seele, wenn er heute fordert "Löscht die Lawine!". Deutschland und Frankreich müssten jetzt einfach mal "Butter bei die Fische" tun, die Nationalstaaten endgültig auflösen und alle Einnahmen aller zu Garantier aller Schulden aller anderen in einen großen Topf tun. Nötig sei eine Fiskalunion und politischen Union der Euro-Gruppe mit einer EU-Kommission, die wirklich regiere, und nationalen Parlamenten, die souverän nur noch darüber zu befinden hätten, wie hoch ihre eigenen Diäten ausfallen.“ Wenn nämlich der Euro zerfalle, werde auch die EU mit ihrem gemeinsamen Markt zerfallen, Handel zwischen verschiedenen Ländern werde es wie vor der Schaffung des Euro nicht mehr geben, Hunger, Pest und Cholera würden sich ausbreiten. Die Folge sei nach Ansicht Fischers eine Weltwirtschaftskrise, wie sie die heute lebenden Generationen noch nicht erlebt hätten.
Doch dieser schlimmste Fall müsse nicht eintreten. Wenn die Deutschen mit ihrem Fleiß und ihrem Einfallsreichtum, mit ihren Spargroschen und ihrer Bereitschaft, immer höhere Steuern zu zahlen, das finanzielle Überleben der Euro-Zone garantierten. Fischer mahnt gleichzeitig eine zügige Abkehr von der aktuell modischen Sparpolitik an. Er und Kanzler Schröder hätten seinerzeit schließlich auch nicht gespart, das erst habe Griechenland die Möglichkeit zum Beitritt zur Euro-Zone gegeben. „Es geht um Tage und Wochen, Monate vielleicht, aber nicht mehr um Jahre.“ Wichtig sei im Moment - da mache er sich die Forderung vieler führender Bank- und Hedgefunds-Manager wie George Soros zu eigen - eine ungezügelte Schuldenpolitik, der uneingeschränkte Kauf der Staatsanleihen der Krisenländer durch die Europäische Zentralbank, eine unbegrenzte Übernahme aller nationalen Alt- und Neuschulden durch die letzten paar potenten Leistungsstaaten Deutschland, Österreich, Niederlande, Finnland und Luxemburg mittels Euro-Bonds und eine schnelle Verhängung von Wachstumsprogrammen.