Heute kam mir die Idee, dass ich Duell gern einen ganz schlichten Holzrahmen verpassen würde, um mir die Novelle von Joost Zwagerman in mein Zimmer zu hängen. Mich lässt diese Story einfach nicht los. Ich möchte jeden Tag wieder so beginnen: Kaffee trinkend und Duell lesend. Was für eine schräge Story! Während eines Kunstprojektes im Amsterdamer Hollands Museum kopiert die Konzeptkünstlerin Emma Duiken diverse Male das (fiktive) Werk Untiteld von Mark Rothko. Das Original ist etwa 30 Millionen Euro wert. Nach Beendigung des Projektes ist das Original verschwunden und an seiner Stelle hängt die perfekte Kopie von Emma.
Museumsdirektor Jelmer Verhooff steht unter Schock. Nicht nur, dass der Rothko verschwunden ist! Wie er schnell erfährt, wandert das Bild gerade quer durch Europa. Berlin, Danzig, Prag, Budapest. In Oslo zeigten bereits Strafgefangene große Begeisterung für das Bild. Aktuell aber schmückt es das Klassenzimmer einer Schule für lernbehinderte Kinder in Ljubljana/Slowenien. Emma, die nicht leugnet, das Bild wandern zu lassen, verteidigt ihre Aktion als revolutionär (den Armen die Kunst zurück geben!), sehr menschlich (die Kunst aus dem Würgegriff der Museen befreien!) und zutiefst antiautoritär (Kunst sollte nicht in den Privatsammlungen weniger Superreicher verschwinden!).
Emma: ‚Wir waren dabei, ein Meisterwerk zu schaffen. Eine lautlos reisende Performance. Alles ist dokumentiert mit Fotos und Geschichten. In diesem Sinne ist mein Werk vollendet‘ (S. 127).
Doch der Rothko muss zurück, um jeden Preis – und zwar, bevor die öffentliche Presse davon erfährt. An Jelmer Verhooffs Seite reist der Amsterdamer Restaurator Olde Husink. Beide Männer geben ein seltsames Paar. Mit krimineller Energie der eine und mit weißen Samthandschuhen der andere. Auch ist der etwa 40jährige Verhooff ein bißchen in die kaum 20jährige wilde Emma verliebt. Ja, vielleicht verehrt und bewundert er sie gleichzeitig. Denn sie hatte ja Recht damit, dass alle Bücher dieser Welt gelesen werden dürfen und jede Musik auch gehört werden kann. Warum dann berühmte Kunstwerke in Museen und Privatsammlungen einsperren. Aber der Rothko MUSS zurück ins Amsterdamer Museum. JETZT!
So ergibt sich eine skurrile Situation nach der anderen und ich wünsche, die Novelle möge nie enden. Ein vor klugen und verrückten Ideen nur so sprühendes kleines Meisterwerk, das ich jetzt gern allen meinen lesebegeisterten Freunden und Freundinnen weitergebe, damit es eben nicht in meinem Zimmer verstaubt.
Ebenfalls und mit ganz ähnlicher Begeisterung darüber geschrieben haben Marina von literaturleuchtet und Jochen von lustauflesen.de.
Joost Zwagerman. Duell. Aus dem Niederländischen und mit einem Nachwort von Gregor Seferens. Weidle Verlag 2016. 160 Seiten fadengeheftete Broschur. 17,- €