Jones & Streep fühlen sich “Wie beim ersten Mal”

Erstellt am 16. September 2012 von Denis Sasse @filmtogo

© Central Film / Tommy Lee Jones (links) und Meryl Streep (rechts) gehen bei Steve Carell (mitte) in die Therapie und alles ist “Wie beim ersten Mal”

Vielleicht waren es Rollen wie die des Samuel Gerard, dem U.S. Marshall der in “Auf der Flucht” Harrison Ford zu einem Staudamm-Sprung aus schwindelerregender Höhe animierte oder eben solche harten Männerfiguren, wie er sie in “JFK – Tatort Dallas”, “Der Klient” und “Natural Born Killers” verkörperte, die aus Tommy Lee Jones den Mann mit dem Stahlgesicht machten. Dabei kann er auch ein anderes Gesicht zeigen, womit nicht das doppelte Spiel als Schurke Two-Face in Joel Schumachers „Batman Forever“ gemeint sein soll. Viel mehr beweist er, ähnlich wie seine Schauspielkollegen Harrison Ford und Clint Eastwood, dass er die hervorragende Besetzung des Grumpy Old Man sein kann, zur Spitze getrieben neben Will Smith in den „Men in Black“-Comicverfilmungen. Nach Kurzauftritten in der dritten „MiB“-Auflage sowie Marvels „Captain America“ kann Jones diese amüsante Misanthropie nun wieder als Hauptdarsteller zur Schau stellen. Jones als Grummelbär gegen Streep als gute Dame, therapiert von Steve Carell.

So sieht das Leben von Kay und Arnold Soames (Streep & Jones) aus, die nun seit dreißig Jahren miteinander verheiratet sind und sich, wie viele andere Paare auch, im Laufe ihrer Ehe so sehr aneinander gewöhnt haben, dass mittlerweile jeder Tag wie eine choreographierte Routine wirkt. Aber Kay sehnt sich nach mehr, sie möchte vor allem ihr Liebesleben wieder in Schwung bringen, hat Angst, dass ihr Mann sie nicht mehr anziehend findet. Dieser will einfach nur seine Ruhe, sein Frühstück, seine täglichen Golf-Sendungen im Fernsehen, bei denen er regelmäßig einschläft. Das hält Kay irgendwann nicht mehr aus und zwingt ihren Mann zu einer Reise in das Dorf Great Hope Springs, wo sie sich von dem berühmten Eheberater Dr. Bernard Feld (Carell) therapieren lassen wollen.

Meryl Streep liest nur darüber, wie eine gute Ehe aussehen könnte.

Eine äußerst ruhige, wenn auch innerlich aufwühlende Geschichte, die von Drehbuchautorin Vanessa Taylor verfasst wurde, die sonst mit härteren Material hantieren muss: Sie schrieb Drehbücher für die J. J. Abrams Agentenserie „Alias“, ist derzeit der Polit-Fantasyreihe „Game of Thrones“ verschrieben. Verheiratet war sie selbst indes noch nie, was sie nicht daran gehindert hat diese Komödie hervorzuzaubern, die in bester „Best Exotic Marigold Hotel“-Manier das ältere Publikum als Zielgruppe ansprechen soll, wenn auch das junge Volk mit denselben Problematiken zu kämpfen haben wird, wie Taylor sie hier heraufbeschwört. Die Frau denkt, dass ihr Mann sie nicht mehr hübsch findet, andere Pärchen haben sicherlich weitaus mehr Sex als man selbst und wie funktioniert das eigentlich alles mit der Emotionalität der Frau gegen den Pragmatismus des Mannes? Leider ist genau das der Punkt, wo der Film in unnötige Stereotype abdriftet: Die Frau ist das klar ersichtliche, schwache Geschlecht, fühlt sich dem Mann untergeordnet, die Emotionen stehen an erster Stelle. Auch wenn die gleichberechtigten Ehepartner zu einer gemeinsamen Lösung finden sollen, so ist es am Ende doch Tommy Lee Jones, der nach Meryl Streeps Pfeife tanzen wird. Das Drehbuch von einer Frau verfassen zu lassen heißt in diesem Fall, dass der Mann sich am Ende der Frau anzupassen hat, ein Mittelweg ist nicht zu erkennen.

Auch die Erkenntnis, dass eine Trennung keine Lösung ist, auch wenn zwei Menschen sich voneinander entfernt zu haben scheinen, bleibt als nicht ernstzunehmender Lösungsvorschlag außen vor. Hier wird die Ehe noch hochgehalten, sie ist das Maß aller Dinge, die Menschen haben sich ihrem Eheversprechen gefälligst unterzuordnen. Das passt insofern, dass wir es hier nicht mit einer RomCom, getragen von zwei Jungdarstellern zu tun haben, sondern es eben Tommy Lee Jones und Meryl Streep sind, die diese alten Werte erhalten können. Da wirkt das Vorgehen noch gänzlich glaubhaft und nachvollziehbar. Eine oftmals verwackelte Kamera von Florian Ballhaus („Sex and the City“) geführt und deplatzierte Popsongs, die so wirken, als wollen sie Drehbuchstellen kaschieren, in denen Frau Taylor nicht mehr wusste, was sie ihre Figuren sagen lassen solle, können nicht daran rütteln, dass Jones und Streep eine grandiose gemeinsame Leinwandpräsenz und Chemie teilen, die schon in den ersten Minuten begeistert. Hier versteckt sich Jones hinter seiner morgendlichen Zeitungslektüre, bekommt sein Ei und Speck-Frühstück serviert, verabschiedet sich mit einem Küsschen auf die Wange seiner Frau zur Arbeit. Eine Routine die sich im Filme viele Male wiederholen wird und durch Streeps verletzlichen Gesichtsausdruck den Magen zusammenschnürt, ob diese beiden Menschen wirklich noch eine Zukunft haben werden.

Steve Carell als Eheberater Dr. Bernard Feld

Aber natürlich heißt das kleine Eheberatungsdörfchen nicht umsonst Great Hope Springs, dort wo die Hoffnung wieder aufkeimen soll, setzen sie sich zu Steve Carell auf das Beratungssofa, wo nicht nur Nahaufnahmen die Intimität vergrößern, sondern auch die Gespräche die geführt werden. Hier müssen Jones und Streep in ihren jeweiligen Rollen ihr Sexleben offenbaren, von geheimen Gelüsten bis zu verbotenen Fantasien, bekommen zusätzlich wahnwitzige Hausaufgaben erteilt: Gemeinsam in einem Bett liegen, sich umarmen oder gar einen romantischen Abend miteinander verbringen. Sex ist das unausweichliche Ziel. Hier sieht man öfters eine quietsch erfreute Streep, als sei Kay Soames noch einmal vierzehn Jahre jung. Und Tommy Lee Jones sträubt sich vehement, wird nur umso grantiger, abweisender, wehrt sich mit Händen und Füßen, wie ein kleiner Junge, denn Mädchen sind ja doof. Hier wird „Wie beim ersten Mal“ wieder zu einem Film für alle Zielgruppen, nicht nur für das alte Semester. Das Thema der Liebe wird universal angegangen.

Das hätte durchaus gut werden können, wenn manch eine Episode nicht gänzlich falsch wirken würde. Wenn Kay erfolglos versucht ihrem Mann in einem Kino einen zu blasen, sich aber als unerfahren und unfähig beweist, entsteht ein unschönes Schamgefühl, in einer Altversion von „American Pie“ zu sitzen. Dann wirkt auf einmal alles wie eine Fingerübung für die Schauspieler, zugleich aber auch wie eine Überforderung der Filmemacher.

Denis Sasse



“Wie beim ersten Mal“

 

Originaltitel: Hope Springs
Altersfreigabe: ab 6 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2012
Länge: ca. 100 Minuten
Regie: David Frankel
Darsteller: Tommy Lee Jones, Meryl Streep, Steve Carell, Elisabeth Shue, Ben Rappaport, Mimi Rogers

Deutschlandstart: 27. September 2012
Offizielle Homepage: wiebeimerstenmal.de