Jökulsárlón – magischer Ort der Stille und Einkehr

Von Cordula Kerlikowski


Wenn man mich fragt, was mich auf meiner Reise durch Island am meisten beeindruckt und berührt hat, dann ist die Antwort schnell gegeben:

Die Gletscher-Lagune Jökulsárlón im Vatnajökull-Gebiet ist das atemberaubendste Naturschauspiel, das mir (bisher) auf Island begnet ist. Sicher – eine Gletscherwanderung oder der Blick auf die glühende Lava eines aktiven Vulkans würden möglicherweise meine Bewertung ändern, aber das muss einer späteren Island-Reise vorbehalten bleiben.

Ob man von Westen (aus Richtung Skaftafell-Nationalpark) oder Osten (aus Richtung Höfn) anreist – der Sárlón verbirgt sich hinter einer Art natürlichem Wall und ist von der Straße aus nicht zu sehen. Erst an der Brücke, die sich über den Ablauf zum Meer spannt, kann man einen ersten Blick darauf werfen, welches Schauspiel sich dem Besucher hinter der Anhöhe bietet.

Foto (c) ReiseLeise

Gletschereis im Jökulsárlón, Foto (c) ReiseLeise

Etliche Parkplätze an der Straße sind schon ein deutliches Zeichen, dass es hier etwas spannendes zu sehen gibt. Für den ganz besonderen Eindruck empfehle ich einen Besuch am frühen Morgen oder in den Abendstunden. Ausgangspunkt ist am besten ein Parkplatz, der nicht direkt an der Brücke  oder dem Besucherzenrtum liegt – dort ist es erst einmal typisch touristisch, aber davon später.

Wir waren auf dem Weg von unserem zweiten Etappenziel (Seljalandsfoss) nach Höfn mitten im Vatnajökull-Gebiet. Wegen der verstärkten Aktivitäten des Bárðarbunga hatten wir unsere Route kurzfristig geändert. Anstatt in weiteren, kürzeren Etappen weiterzuziehen, entschieden wir uns, gleich nach Höfn zu fahren. Falls doch noch Straßen gesperrt würden, hätten wir den Rückzug offen und unsere Ziele im Südosten schon gesehen. Somit lag eine Strecke von ca. 350 km unter den All-Rädern unseres kleinen Jimnys.

Dyrhólaey, Foto (c) ReiseLeise

Gletscherzunge des Vatnajökull, Foto (c) ReiseLeise

Wir parkten ein oder zwei Parkplätze (genau weiß ich das nicht mehr) VOR der Brücke (von Westen kommend) und erstiegen die kleine Anhöhe im Licht der umgehenden Sonne. Was sich unseren Augen bot, machte mich einfach nur sprachlos:

Jökulsárlón am Abend, Foto (c) ReiseLeise

An dieser Stelle konnte die ganze Magie der Gletscher-Lagune ihre Wirkung entfalten. Hier waren kaum Menschen zu sehen, die Brücke und das Besucherzentrum durch einen Ufervorsprung der Sicht entzogen. Die Aufnahme entstand ca. 19:30 Uhr – die Sonne stand schon tief und durch das besondere Licht ergab sich eine sehr friedliche, meditative Stimmung. Ganz still war es und wesentlich kälter als am Parkplatz.

Stunden hätte ich hier verbringen können:

Jökullsárlón am Abend, Foto (c) ReiseLeise

Abschließend fuhren wir doch noch kurz zum “Haupteingang” der Lagune:

Jökullsárlón am Abend, Foto (c) ReiseLeise

“Extreme Iceland” am Jökulsárlón, Foto (c) ReiseLeise

Abendliche Stille nun auch hier, wo ansonsten hunderte Touristen in Bewegung sind: großer Parkplatz, Besucherzentrum mit Imbiss- und Souvenirangebot, Hubschrauber für Rundflüge und Anbieter von Bootstouren. Jetzt allerdings waren wir fast allein dort.

Auf dem linken Foto ist links die Brücke zu sehen. Durch diesen schmalen Abfluss bewegen sich die Eisberge zum Meer, das nur einige 100 m entfernt ist. Hier stauen sie sich und hängen sozusagen in der Warteschleife, bis sie soweit abgeschmolzen sind, dass sie unter der Brücke hindurch kommen.

“Extreme Iceland” ist ein Anbieter von individuellen Touren zu den verschiedensten Attraktionen in Island. Mit professioneller Begleitung und optimaler Ausrüstung bietet sich hier die Möglichkeit, u.a. auf Gletschertour zu gehen. Wirt hatten keine Zeit dafür, beim nächsten Mal überlege ich es mir aber.

Schlussendlich mussten wir nun aber doch los um noch rechtzeitig auf unserem Zeltplatz im 85 km entfernten Höfn anzukommen. Zelt im Dunkeln aufbauen macht keinen Spaß. So zogen wir von dannen und nahmen uns vor, die Lagune auf der Rücktour noch einmal zu besuchen.

Das taten wir dann auch und trafen völlig andere Witterungsverhältnisse an: trübe, wolkenverhangen, zeitweise leichter Nieselregen und so viele frierende Besucher:

Amphibienfahrzeug, Foto (c) ReiseLeise

Rundflug über den Jökulsárlón, Foto (c) ReiseLeise

Bootstrip zum Gletscher, Foto (c) ReiseLeise

Böller zum Jahrestag – 40 Jahre Ringstraße

Seltsamerweise waren es nun viel mehr Eisberge auf dem See, zudem auch noch überwiegend in Blau-Nuancen, während wir Tage zuvor vor allem weiße und graue Eisberge gesehen hatten. Vielleicht lag es am anderen Licht? Möglicherweise brechen nachts auch viel mehr Gletscherbrocken in den See als über Tag. War ja eigentlich auch nicht wichtig. Aber das Blau war schon beinahe unwirklich:

Jökulsárlón, Foto (c) ReiseLeise

Jökulsárlón, Foto (c) ReiseLeise

Wir entschlossen uns also, um den See herumzulaufen, um direkt an den Gletscher und die dicken Eisschichten zu kommen. Was für eine Illusion! Nach etlichen anderen Gletschern wissen wir endlich: vor jedem Gletscher kommt ein See – und der ist tief, kalt und zu Fuß nicht zu durchqueren. Eine Bootstour zum Gletscher kommt also auch auf die Liste für eine weitere Reise.

Zunächst stapften wir aber ganz optimistisch los. Je weiter wir liefen, desto stiller wurde es um uns herum. Bis auf die zwei Boote auf dem Wasser sahen wir kaum noch jemanden. Das ist Island pur und es lohnt sich, wenigstens ein Teilstück am See entlang zu wandern. Die Eindrücke sind unbeschreiblich: glasklares Wasser, ebenso durchsichtig die Eisbrocken am Ufer, ein “Trollbrot” im Kies und ganz weit hinten auch eine tote Robbe, deren Entsorgung hier der Natur überlassen wurde.

Glasklares Gletschereis, Foto (c) ReiseLeise

“Trollbrot” am Jökulsárlón, Foto (c) ReiseLeise

“Trollbrote” sind Steine, die durch die Wechselwirkung von Wasser und Frost in Scheiben zerspringen. Ich habe verschiedene Varianten gesehen. Dieses Exemplar war das schönste.

Jökullsarlon Panorama, Foto (c) ReiseLeise

Wir liefen und liefen und hinter jeder kleinen Biegung kamen wir nicht näher zur Gletscherzunge, sondern sahen einen weiteren “Umweg”. So langsam verging uns dann die Lust an dieser Wanderung. Wir kamen zwar bis zum hinteren Ende des Sees, aber von dort aus war es noch einmal eine gefühlte Stunde zu laufen. An den Rückweg gar nicht zu denken – also: Genug und zurück!!

Schon ziemlich abseits.. Foto (c) ReiseLeise

Hintergrund :Gletscherzunge des Breiðamerkurjökull

Mittlerweile nieselte es auch beständig, aber mein Island-Pullover hat auch die Feuchtigkeit gut abgehalten und perfekt gewärmt. Wer braucht da eine Jacke von…. ??

Am Ende wurden wir noch durch ein besonderes Schauspiel belohnt: Robben im Sárlón! Es war schon gegen Abend und es kamen immer mehr Tiere in die Lagune, wie bestellt für die Touristen, die sich mit Fotoapparaten, Handys und Riesen-Objektiven auf die Motive “stürzten”.

Robben im Jökulsárlón Foto (c) ReiseLeise

Nun ja, diese drei kleinen dunklen Flecken da – das sind sie. Irgendwie war meine Fotolust auch sowas von erschöpft für diesen Tag. Musste genügen und ohne Teleobjektiv wird’s eh nichts.

Fazit des Tages: den Jökulsárlón MUSS man gesehen haben und man sollte sich die Zeit nehmen ihn abseits der Besucherströme zu erkunden. Dann erschließt sich der Zauber der Lagune auf ganz besondere Weise – und das Wetter ist beinahe unwesentlich.

Selfie am Jökullsárlón … 

Eigentlich mag ich diese Selfies überhaupt nicht. Aber ok, eins musste mal sein. Und man sieht mir an: nach dieser stundenlangen Tour war ich echt kaputt… Wo ist der nächste Hot Pott ???

Ach, beinahe vergessen: Peter Heppner und “Goethes Erben” haben das Lied “Glasgarten” unter anderem am Jökullsárlón aufgenommen – fantastische Bilder, auch von anderen Orten in Island. Das meiste davon habe ich auch gesehen.

Hier der Link zum Video:

In weiteren Videos gibt es auch ein zweiteiliges “Making of…”