Gestern früh habe ich die wundervolle Buchhandlung ocelot in Berlin Mitte als neue Kollegin im Team betreten. Hier werde ich zukünftig an einigen Tagen pro Woche arbeiten. Den anderen Teil der Woche werde ich in der Charlottenburger Buchhandlung der divan sein.
Vor einigen Wochen saß ich noch als Gast in der ersten Reihe im ocelot und stellte mir vor, wie es sein würde, hier zu arbeiten … nun liegt ein erster glücklicher Tag hinter mir. Es war am Abend des 28. Januar und John von Düffel stellte in einer Vorpremiere seinen Roman Der brennende See vor.
Und weil es ein paar Fragen gibt, die ich ihm an jenem Abend gern gestellt hätte, dies aus Zeitgründen aber dann doch nicht getan habe, beantworte ich sie mir hier einfach selbst:
Titel und Cover suggerieren einen Roman über Wasser und Wolken. Ist er das, ein Klima-Roman?
Zu großen Teilen ist er das natürlich. Denn es geht um Wolken, die vielleicht irgendwann für immer verschwinden. Es geht um Seen, die austrocknen oder als Müll-Deponien verwendet werden sollen. Und es geht um das aktuelle und viel zu warme Wetter. Außerdem ist Julia eine extrem sympathische junge Hauptfigur, die sich radikalisiert hat, um für das Klima zu kämpfen.
In zwei Dritteln des Romans aber geht es um Hannah, deren Vater gerade verstorben ist. Er war Schriftsteller und leidenschaftlicher Schwimmer.
Kann man den Roman auch jungen LeserInnen empfehlen? Ist er ein Buch für die Generation Fridays for Future?
Das würde ich so nicht sagen, geht es doch vorrangig um Hannahs Probleme im Alltag, mit denen sie gar nicht gut klar kommt. Beispielsweise hat sie ein Alkoholproblem. Das wurde mir zu stark thematisiert. Die Story wäre ohne Hannahs Alkohol-Dilemma eine bessere.
Würde ich das Buch dennoch empfehlen?
Unbedingt, ja! Düffel ist ein grandioser Erzähler, der tote Fische und einen sterbenden See in Kontrast stellt zum Vater mit seinem alten Dieselauto und zum alltäglichen banalen Beziehungskram.
Ich frage mich bei der Lektüre, was kann ich konkret für besseres Klima tun und was kann ich eben auch lassen, um es zu schützen. Was sage ich später meinen Enkeln, wenn es am Himmel keine Wolken mehr gibt? Nur noch wehenden Sand, wie es Hannahs Vater beschreibt … Ich finde es gut und wichtig, dass sowohl in Sachbüchern als auch in Romanen das Klima-Thema behandelt wird.
Hannah steht ja irgendwie zwischen ihrem Vater und dem Mädchen Julia. Belastet sie das?
Das belastet sie sogar sehr. Sie muss entdecken, dass die beiden sich wirklich außergewöhnlich nah standen. Als einzige Tochter macht sie das regelrecht eifersüchtig … Der Vater ist eine sehr interessante Figur, bleibt aber geheimnisumwoben. Ich hätte ihn gern viel besser kennen gelernt!
Was ist besonders an dieser Story?
Düffel bringt viele hochaktuelle Themen zur Sprache, inhaltlich hätte ich mir sogar noch mehr zum Thema Klima gewünscht. Der Mut und die Radikalität der jungen Klima-Aktivisten hat mich sehr begeistert. Geradezu überrascht hat mich Anwalt Lüders und seine Rolle bei der Rettung des Sees.
Sehr eindringlich sind die Kapitelanfänge, in denen Düffel die Temperaturen und Luftwerte des aktuellen Tages in jenem viel zu heißen April zitiert. Und natürlich hatte ich eine Gänsehaut von der Notiz aus dem SPIEGEL vom 10.06.2017 zu Beginn des Romans:
“ Der Bellandursee ist die apokalyptische Sehenswürdigkeit von Bangalore: Das Gewässer ist so verschmutzt, dass die Chemikalien und Abfälle darin immer wieder Feuer fangen … Zwölf Stunden lang loderten die Flammen, und Rauch stieg über der Stadt auf … Bangalore, Stadt der brennenden Seen.”
John von Düffel. Der brennende See. DuMont Verlag. Köln 2020. 319 Seiten. 22,- € Gebunden mit Lesebändchen. Auch als eBook