John Vermeulen: Der Maler des Verborgenen. Roman über Leonardo da Vinci.

Leonardos Schlösschen Clos de Luce in Amboise, das ich im Sommer 2013 während einer Frankreich-Reise zeichnen konnte.

Leonardos Schlösschen Clos Lucé in Amboise, das ich im Sommer 2013 während einer Frankreich-Reise zeichnen konnte.

Seit dieser Roman über Leonardo da Vinci 2011 herauskam, wollte ich ihn lesen. Das Buch zu kaufen konnte ich mich aber nicht überwinden, wegen der mir verhassten Kombination von Hardcover und Klebebindung. Das ist mir nicht 18 Euro wert. Daher musste das Buch warten, bis es – kaum zu glauben! – im Ramsch landete, was vor Kurzem geschah. Nun habe ich es gelesen, und zwar mit großem Genuss. Ein interessanter und guter Roman, der in einigen Punkten ein anderes Licht auf Leonardo wirft, als ich es gewöhnt war.

Das heikle Problem der vermuteten Homosexualität Leonardos zum Beispiel geht Vermeulen klug an, indem er es mehr bei Andeutungen belässt. Trotzdem kennt man sich aus. So wird auch die seltsame Beziehung Leonardos zu seinem Freund und Schüler Salaì verständlich, denn die Liebe ließ ihn über die schlechten Seiten dieses „Tunichtguts“ hinwegsehen.

Zwei Motive stellt Vermeulen in den Mittelpunkt:

Erstens Leonardos Wunsch, fliegen zu können. Schon das Baby hatte eine vorausdeutende Begegnung mit einem Milan, der sich auf den Rand der Wiege setzte, die im Garten in Vinci aufgestellt war. Später versucht Leonardo es mit leider untauglichen Holzkonstruktionen, die sich denVogelflug zum Vorbild nahmen. Erst die Idee des Gleitflugs schien vielversprechend. Dennoch gelang ihm der entscheidende Durchbruch nicht, da er merken musste, dass seine Konstruktionen zu schwer waren.

Zweitens die Mona Lisa. Sie ist auch an dem kryptischen Titel des Romans schuld: Als Lisa bei Leonardo zum ersten Mal Modell sitzt, überfliegt sie kurz ein enigmatisches Lächeln, das gleich wieder verschwindet. Doch gerade dieses Lächeln, das Lisa an sich selbst überhaupt nicht kennt und das nie wieder zum Vorschein kommt, will Leonardo in seinem Portrait festhalten. Ein schier unmögliches Unterfangen, das erst viele Jahre, nachdem er durch die Zeitläufte von Lisa getrennt wurde, gelingt.

Der Roman liest sich gut und ist eine angenehme Möglichkeit, Wissen über Leonardo da Vinci aufzufrischen. Und er macht Lust darauf, sich genauer mit Leonardo zu beschäftigen.

John Vermeulen: Der Maler des Verborgenen. Roman über Leonardo da Vinci. Aus dem Niederländischen übersetzt und überarbeitet von Hanni Ehlers. Diogenes, Zürich, 2011. (Niederl. Orig. 2009.) 580 Seiten.



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