John Mayall
1969 kam die LP „Turning Point“ von John Mayall auf den Markt. „Room To Move“ war darauf der Titel, der mich zum Mundharmonikaspielen und damit auch zum Blues gebracht hat.
Genau 40 Jahre später steht diese Blueslegende einen Meter vor mir auf der Bühne, vor dem Konzert hatte ich sogar kurz Gelegenheit, mit ihm zu sprechen.
Die besten Voraussetzungen, um einen entspannten Bluesabend zu verbringen. Die «Kantine» in Köln ist sehr gut gefüllt an diesem Abend.
Der Konzertbeginn ist für 20Uhr angesetzt. Unter Einhaltung des berühmt, berüchtigten akademischen Viertels erscheint Punkt 20:15Uhr John Mayall alleine auf der Bühne, nach einer kurzen Begrüßung der charmant britischen Art, präsentiert er solo in Gedanken an den Menschen, der ihn zum Harmonikaspiel gebracht hat, einen Titel von Sonny Boy Williamson, nämlich „Another man done gone“, Gesang im Wechsel mit der Harmonika.
Klasse. Genauso wie der Titel auf der 1966 von John Mayall eingespielten Aufnahme. Großartig und pur. Aber dann schlägt John die Piano- Begleitakkorde auf dem Keyboard an. Schade, denn augenblicklich verliert der Song an Atmosphäre.
„Oh, Pretty Woman“ ist der zweite Song, diesmal in voller Bandbesetzung. Der stammt aus dem 1967-er Album „Crusade“, Schön. John nimmt uns mit auf eine Zeitreise durch sein musikalisches Schaffen. Gespannt bin ich natürlich auf den Gitarristen Rocky Athas. John Mayall hat bekanntlich immer ein gutes Händchen bei der Auswahl seiner Begleiter auf den sechs Saiten bewiesen. Und es ist sicherlich eine Ehre neben diesem Urgestein des weißen britischen Blues zu stehen.
Ums kurz zu machen: Der Texaner Rocky Athas macht seine Sache gut. Sicher im Rhythmusspiel, das er mit den nötigen Licks auf seiner weißen Stratocaster aufzuwerten weiß, sauber im Solospiel. Sauber. Und da liegt für mich der Haken. Die Läufe gehen präzise von der Greifhand. Alles prächtig einstudiert. Was ich vermisse, ist der Bewegungsspielraum (Room to move
Wenn man seine Soloprojekte kennt und vor allem das tolle 2002er Album „Blues Berries“, das er mit Buddy Miles eingespielt hat, versteht man sicher, was ich mit meiner Kritik meine und wenn man ihn dann so in dieser Formation spielen sieht, spürt man förmlich das Brodeln unter der Haube, die dann leider doch geschlossen bleibt.
Ich hoffe, wir werden noch viel von Rocky Athas hören, denn er hat genügend Kapazitäten, sich zu einem der ganz Großen zu entwickeln. Und da ist die Mitarbeit in einem John Mayall Projekt sicher ein gutes Sprungbrett. Auch wenn das Ganze hier nicht unter dem Namen „The Bluesbreakers“ firmiert, wofür es sicherlich Gründe gibt.
Mit Talent und Kapazitäten sind auch die weiteren Musiker auf der Bühne gesegnet. Sehr gut, da sehr druckvoll, gefällt mit das Zusammenspiel zwischen Drummer Jay Davenport und Bassist Greg Rzab. Kein Wunder, denn sie haben bereits für den Gitarristen Melvin Taylor den rhythmischen wie tiefen Background gebildet.
Sie geben dem Gesamtsoundgefüge den nötigen Rückhalt und das nötige Fundament ohne sich darin akustisch zu verlieren. Beide sind sehr präsent, aber dabei keinesfalls störend. Im Gegenteil, sie setzen Akzente, die einen aufhorchen lassen. Für mich die eigentliche musikalische Würze an diesem Abend. Und ihre Solopassagen in „Tonight’s edition of «Room To Move»“, wie John Mayall seinen Klassiker ansagt, haben es wahrlich in sich.
Tom Canning, der schon als Sideman vieler bekannter Musiker wie zum Beispiel T- Bone Burnett, Delbert McClinton, Bonnie Raitt und Freddie King gearbeitet hat, ist der Mann an einem weiteren Keyboard. Sicherlich ein erstklassiger Musiker, dessen Können immer wieder durchblitzt. Doch im Laufe des Konzerts beobachte ich immer wieder, dass er eher die Finger über den Tasten statt auf den Tasten hat, während John Mayall seinem Keyboard meist Pianotöne entlockt.
Mal ganz ehrlich, das, was Mayall hier spielt, würde ein dedizierter Keyboarder streckenweise mit einer Hand spielen und die paar Orgellicks mit der anderen dazu. Wenn er schon einen solchen Mann wie Tom Canning dabei hat, könnte er sich bequem auf sein exzellentes Mundharmonikaspiel und auf seinen Gesang konzentrieren, die beide ihren unnachahmlichen Wiedererkennungswert haben.
Loslassen und delegieren wäre hier die Devise. Für mich bestätigt sich hier der Eindruck, den ich beim Betrachten der Konzert- DVD zu John Mayall’s 70 Geburtstag hatte. Er ist nun mal kein geborener Tastenmann, mit wie viel Eifer er sich auch dieser Berufung hingeben mag.
Tja, und da steht noch ein 100 Watt Roland Jazzchorus auf der Bühne, daneben eine 12- saitige Vox E- Gitarre. Beide kommen nur einmal zum Einsatz, den Titel des Songs habe ich mir nicht gemerkt, denn über das, was John Mayall den beiden und meinen Ohren hier antut, möchte ich lieber den Mantel des Schweigens hüllen.
Wie’s auch sei, unter dem Strich geht die Gesamtrechnung wohl auf, denn das Gesamtpublikum zeigt sich begeistert und bekommt noch zwei Zugaben. Die Letzte von John Mayall wieder als Solokünstler, am Keyboard einen Boogie Woogie spielend, das macht er prächtig, das Pianospiel steht im Vordergrund, fordert aber seine ganze Konzentration und lässt den Gesang etwas leiden.
Fazit: Da sitze ich nun nach dem Konzert auf der langen Bank an der Seite der Kantine zu Köln, lasse das Erlebte nachschwingen, zucke die Schultern und grübele, warum mich der berühmte Funke letztendlich nicht erreicht hat. Die Darbietung war doch ok. Unterm Strich. Ok. Aber auch nicht mehr. Chromblitzend, glatt poliert. Ohne Ecken und Kanten. Mit einem Schmunzeln denke ich an andere Konzerte aus jüngster Vergangenheit zurück, wo die Funken nur so geflogen und bei mir gelandet waren: Eddie Kirkland, Larry Garner, oder auch die jüngere britische Riege: Joanne Shaw Taylor, Aynsley Lister und Oli Brown, um wirklich hier nur einige zu nennen, dann höre ich ganz leise in mir Bryan Lee singen: “The blues, the blues, the blues is alright…“
Und so ist es…
Text und Fotos: © 2009 Tony Mentzel